Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 2. Altenburg, 1792.Von dem Eigenthum und Gebiete der Völker den in Amerika einzunehmen, sondern auch ihre vorigenBesitzer nicht selten ganz zu vertilgen. *] Grotius L. II. c. 22. §. 9. ingl. de mari libero c. 4. Achenwall L. IV. §. 231. Schrodt P. II. c. 1. §. 19. 20. **] Jedoch glaubt Ickstatt L. III. c. 2 §. 14. daß eine solche Besitzergreifung weder dem natürlichen Rechte noch der Billigkeit widerstreite, weil dem menschlichen Ge- schlecht daran gelegen sey, der daselbst befindlichen unbe- nutzten Schätze zu geniessen, und gesittete Nachbarn zu haben. Allein diese etwa nöthige Aufklärung könte allen- fals wohl, ohne die Eigenthumsrechte der ältern Besitzer zu verletzen, bewirkt werden. Mit gleichem Rechte könten sonst auch jene Wilden und andere fremde Nazio- nen, wenn sie Lust nach den europäischen Schätzen be- kämen, und es ihnen einfiele, sich für vorzüglicher zu hal- ten, die europäischen Völker aus ihren Wohnsitzen ver- jagen. Der Kaiser von Marocco glaubte wenigstens Ursach zum Krieg gegen Spanien zu haben, um dieser Krone Ceuta, Oran und einige andere Plätze abzuneh- men, weil es unanständig sey, daß irgend eine christli- che Nazion etwas auf der Küste von Africa besitze, s. neuste Staatsbegebenh. 1775. S. 129. Noch eher liesse sich gegen herumziehende wilde Völker die Behauptung des Vattel [L. I. c. 18. §. 209.] und anderer [z. B. Wolff c. 3. §. 310. u. f.] rechtfertigen: daß sie mehr Land inne hätten, als sie brauchten und zu benutzen im Stande wären: und da das ursprüngliche Recht nicht mehr an sich zu ziehen ge- statte, als man nöthig habe, und bewohnen und erbauen könne; so verletze man keinesweges die Gesetze der Na- tur, wenn man sie in engere Grenzen einschränkte, in- dem ihre unstäte Wohnung in so unermeßlichen Landen kaum für eine wahre Besitznehmung zu halten sey. Von dem Eigenthum und Gebiete der Voͤlker den in Amerika einzunehmen, ſondern auch ihre vorigenBeſitzer nicht ſelten ganz zu vertilgen. *] Grotius L. II. c. 22. §. 9. ingl. de mari libero c. 4. Achenwall L. IV. §. 231. Schrodt P. II. c. 1. §. 19. 20. **] Jedoch glaubt Ickſtatt L. III. c. 2 §. 14. daß eine ſolche Beſitzergreifung weder dem natuͤrlichen Rechte noch der Billigkeit widerſtreite, weil dem menſchlichen Ge- ſchlecht daran gelegen ſey, der daſelbſt befindlichen unbe- nutzten Schaͤtze zu genieſſen, und geſittete Nachbarn zu haben. Allein dieſe etwa noͤthige Aufklaͤrung koͤnte allen- fals wohl, ohne die Eigenthumsrechte der aͤltern Beſitzer zu verletzen, bewirkt werden. Mit gleichem Rechte koͤnten ſonſt auch jene Wilden und andere fremde Nazio- nen, wenn ſie Luſt nach den europaͤiſchen Schaͤtzen be- kaͤmen, und es ihnen einfiele, ſich fuͤr vorzuͤglicher zu hal- ten, die europaͤiſchen Voͤlker aus ihren Wohnſitzen ver- jagen. Der Kaiſer von Marocco glaubte wenigſtens Urſach zum Krieg gegen Spanien zu haben, um dieſer Krone Ceuta, Oran und einige andere Plaͤtze abzuneh- men, weil es unanſtaͤndig ſey, daß irgend eine chriſtli- che Nazion etwas auf der Kuͤſte von Africa beſitze, ſ. neuſte Staatsbegebenh. 1775. S. 129. Noch eher lieſſe ſich gegen herumziehende wilde Voͤlker die Behauptung des Vattel [L. I. c. 18. §. 209.] und anderer [z. B. Wolff c. 3. §. 310. u. f.] rechtfertigen: daß ſie mehr Land inne haͤtten, als ſie brauchten und zu benutzen im Stande waͤren: und da das urſpruͤngliche Recht nicht mehr an ſich zu ziehen ge- ſtatte, als man noͤthig habe, und bewohnen und erbauen koͤnne; ſo verletze man keinesweges die Geſetze der Na- tur, wenn man ſie in engere Grenzen einſchraͤnkte, in- dem ihre unſtaͤte Wohnung in ſo unermeßlichen Landen kaum fuͤr eine wahre Beſitznehmung zu halten ſey. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0024" n="10"/><fw place="top" type="header">Von dem Eigenthum und Gebiete der Voͤlker</fw><lb/> den in Amerika einzunehmen, ſondern auch ihre vorigen<lb/> Beſitzer nicht ſelten ganz zu vertilgen.</p><lb/> <note place="end" n="*]"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Grotius</hi> L. II. c.</hi> 22. §. 9. ingl. <hi rendition="#aq">de mari libero c. 4.<lb/><hi rendition="#i">Achenwall</hi> L. 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Achenwall L. IV. §. 231. Schrodt P. II. c. 1.
§. 19. 20.
**] Jedoch glaubt Ickſtatt L. III. c. 2 §. 14. daß eine
ſolche Beſitzergreifung weder dem natuͤrlichen Rechte noch
der Billigkeit widerſtreite, weil dem menſchlichen Ge-
ſchlecht daran gelegen ſey, der daſelbſt befindlichen unbe-
nutzten Schaͤtze zu genieſſen, und geſittete Nachbarn zu
haben. Allein dieſe etwa noͤthige Aufklaͤrung koͤnte allen-
fals wohl, ohne die Eigenthumsrechte der aͤltern Beſitzer
zu verletzen, bewirkt werden. Mit gleichem Rechte
koͤnten ſonſt auch jene Wilden und andere fremde Nazio-
nen, wenn ſie Luſt nach den europaͤiſchen Schaͤtzen be-
kaͤmen, und es ihnen einfiele, ſich fuͤr vorzuͤglicher zu hal-
ten, die europaͤiſchen Voͤlker aus ihren Wohnſitzen ver-
jagen. Der Kaiſer von Marocco glaubte wenigſtens
Urſach zum Krieg gegen Spanien zu haben, um dieſer
Krone Ceuta, Oran und einige andere Plaͤtze abzuneh-
men, weil es unanſtaͤndig ſey, daß irgend eine chriſtli-
che Nazion etwas auf der Kuͤſte von Africa beſitze, ſ.
neuſte Staatsbegebenh. 1775. S. 129.
Noch eher lieſſe ſich gegen herumziehende wilde
Voͤlker die Behauptung des Vattel [L. I. c. 18.
§. 209.] und anderer [z. B. Wolff c. 3. §. 310. u. f.]
rechtfertigen: daß ſie mehr Land inne haͤtten, als ſie
brauchten und zu benutzen im Stande waͤren: und da
das urſpruͤngliche Recht nicht mehr an ſich zu ziehen ge-
ſtatte, als man noͤthig habe, und bewohnen und erbauen
koͤnne; ſo verletze man keinesweges die Geſetze der Na-
tur, wenn man ſie in engere Grenzen einſchraͤnkte, in-
dem ihre unſtaͤte Wohnung in ſo unermeßlichen Landen
kaum fuͤr eine wahre Beſitznehmung zu halten ſey.
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