§. 25. b) Nach dem freiwilligen und europäi- schen Völkerrechte?
Grotius fühlte selbst die Schwäche der aus einer blos vermuthlichen Auflassung hergenommenen natür- lichen Gründe, und sucht daher der Veriährung meh- rere Kraft beizulegen, daß er solche als zu dem frei- willigen Völkerrecht gehörig ansieht a]. Ueberdies werden von ihm und andern eine Menge Beispiele aus der iüdischen, griechischen, römischen und andern äl- tern und neuern Geschichten angeführt, welche, be- sonders die erstern, als von dem Volke Gottes herge- nommen, ein algemeines Anerkentnis der Veriährung durch wilkührliche Einwilligung der Nazionen beweisen sollen b].
Was die Gültigkeit der Veriährung nach dem frei- willigen Völkerrechte anlanget, so läßt sich wohl kaum mit Grunde behaupten, daß sie zur geselschaftli- chen Verbindung der Völker so wesentlich gehörte, daß diese ohne solche Gefahr laufen würde. Die angeführ- ten Beispiele zeigen zwar, daß einige besonders ältere Nazionen dem langwierigen Besitz einige Kraft beige- legt haben, sie machen aber keinesweges eine algemeine auch noch dermalen unter den europäischen Nazionen verbindliche zu dem wilkührlichen Völkerrechte gehörige Uebereinstimmung aus.
Diese läßt sich auch in Ansehung der letztern nicht erweisen. Einige kleinere Mächte haben zwar darinn einige Zuflucht zu finden geglaubt und sich zuweilen auf die Veriährung bezogen c]; auch wohl die grössern, wenn es ihr Vortheil erfoderte d] und verschiedene ha- ben ihre Rechte gegen alle Veriährung ausdrücklich ver- wahrt e], woraus iedoch noch nicht folgt, daß sie die-
selbe
Von Erlangung des Eigenthums von andern
§. 25. b) Nach dem freiwilligen und europaͤi- ſchen Voͤlkerrechte?
Grotius fuͤhlte ſelbſt die Schwaͤche der aus einer blos vermuthlichen Auflaſſung hergenommenen natuͤr- lichen Gruͤnde, und ſucht daher der Veriaͤhrung meh- rere Kraft beizulegen, daß er ſolche als zu dem frei- willigen Voͤlkerrecht gehoͤrig anſieht a]. Ueberdies werden von ihm und andern eine Menge Beiſpiele aus der iuͤdiſchen, griechiſchen, roͤmiſchen und andern aͤl- tern und neuern Geſchichten angefuͤhrt, welche, be- ſonders die erſtern, als von dem Volke Gottes herge- nommen, ein algemeines Anerkentnis der Veriaͤhrung durch wilkuͤhrliche Einwilligung der Nazionen beweiſen ſollen b].
Was die Guͤltigkeit der Veriaͤhrung nach dem frei- willigen Voͤlkerrechte anlanget, ſo laͤßt ſich wohl kaum mit Grunde behaupten, daß ſie zur geſelſchaftli- chen Verbindung der Voͤlker ſo weſentlich gehoͤrte, daß dieſe ohne ſolche Gefahr laufen wuͤrde. Die angefuͤhr- ten Beiſpiele zeigen zwar, daß einige beſonders aͤltere Nazionen dem langwierigen Beſitz einige Kraft beige- legt haben, ſie machen aber keinesweges eine algemeine auch noch dermalen unter den europaͤiſchen Nazionen verbindliche zu dem wilkuͤhrlichen Voͤlkerrechte gehoͤrige Uebereinſtimmung aus.
Dieſe laͤßt ſich auch in Anſehung der letztern nicht erweiſen. Einige kleinere Maͤchte haben zwar darinn einige Zuflucht zu finden geglaubt und ſich zuweilen auf die Veriaͤhrung bezogen c]; auch wohl die groͤſſern, wenn es ihr Vortheil erfoderte d] und verſchiedene ha- ben ihre Rechte gegen alle Veriaͤhrung ausdruͤcklich ver- wahrt e], woraus iedoch noch nicht folgt, daß ſie die-
ſelbe
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Von Erlangung des Eigenthums von andern
§. 25.
b) Nach dem freiwilligen und europaͤi-
ſchen Voͤlkerrechte?
Grotius fuͤhlte ſelbſt die Schwaͤche der aus einer
blos vermuthlichen Auflaſſung hergenommenen natuͤr-
lichen Gruͤnde, und ſucht daher der Veriaͤhrung meh-
rere Kraft beizulegen, daß er ſolche als zu dem frei-
willigen Voͤlkerrecht gehoͤrig anſieht a]. Ueberdies
werden von ihm und andern eine Menge Beiſpiele aus
der iuͤdiſchen, griechiſchen, roͤmiſchen und andern aͤl-
tern und neuern Geſchichten angefuͤhrt, welche, be-
ſonders die erſtern, als von dem Volke Gottes herge-
nommen, ein algemeines Anerkentnis der Veriaͤhrung
durch wilkuͤhrliche Einwilligung der Nazionen beweiſen
ſollen b].
Was die Guͤltigkeit der Veriaͤhrung nach dem frei-
willigen Voͤlkerrechte anlanget, ſo laͤßt ſich wohl
kaum mit Grunde behaupten, daß ſie zur geſelſchaftli-
chen Verbindung der Voͤlker ſo weſentlich gehoͤrte, daß
dieſe ohne ſolche Gefahr laufen wuͤrde. Die angefuͤhr-
ten Beiſpiele zeigen zwar, daß einige beſonders aͤltere
Nazionen dem langwierigen Beſitz einige Kraft beige-
legt haben, ſie machen aber keinesweges eine algemeine
auch noch dermalen unter den europaͤiſchen Nazionen
verbindliche zu dem wilkuͤhrlichen Voͤlkerrechte gehoͤrige
Uebereinſtimmung aus.
Dieſe laͤßt ſich auch in Anſehung der letztern nicht
erweiſen. Einige kleinere Maͤchte haben zwar darinn
einige Zuflucht zu finden geglaubt und ſich zuweilen auf
die Veriaͤhrung bezogen c]; auch wohl die groͤſſern,
wenn es ihr Vortheil erfoderte d] und verſchiedene ha-
ben ihre Rechte gegen alle Veriaͤhrung ausdruͤcklich ver-
wahrt e], woraus iedoch noch nicht folgt, daß ſie die-
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Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 2. Altenburg, 1792, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht02_1792/140>, abgerufen am 21.11.2024.
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