Grosse, Julius: Vetter Isidor. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 103–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.aber begann die heisere Stimme des Alten von Neuem auf die Gebeugte und Zerknickte hineinzureden und ihre Schwäche zu nützen, um sie nach seinem Willen zu beugen. Die Frau drüben konnte jedes einzelne Wort hören. Nimm du Vernunft an, Frau Julia! Der Name jenes Patrons, der sich deinen Mann nannte, ist für immer gestrichen in unsrer Familie. Machst du den geringsten Versuch, dich mit ihm in Verbindung zu setzen, so weißt du, was deiner harrt. Sei klug. Du kannst deine Vergangenheit nur durch Ein Mittel vergessen machen; ich habe es dir schon angedeutet. Baron von Senkenberg fragt nach nichts, er nimmt deine Person und deine Vergangenheit in Pausch und Bogen -- an seiner Seite kannst du wieder in die Gesellschaft treten, und ich werde dich wieder unsere liebe Enkelin nennen. Die Schluchzende antwortete nichts. Bis du nicht einen Entschluß fassest in unserem Sinne, fuhr die alte Stimme fort, ist dir jeder Ausgang untersagt. Auch in die Kirche? -- stöhnte die junge Frau. Von der Kirche will ich dich nicht zurückhalten. Bete du immerhin, bete, damit der Himmel dein Herz erleuchte und deinen Hochmuth und Eigensinn in den Staub beuge. Ich werde Herrn Baron von Senkenberg bitten, noch einige Tage zu warten, dann entweder Kloster oder -- Correctionshaus! Haben Sie Gnade, General! -- und der Conrectorin aber begann die heisere Stimme des Alten von Neuem auf die Gebeugte und Zerknickte hineinzureden und ihre Schwäche zu nützen, um sie nach seinem Willen zu beugen. Die Frau drüben konnte jedes einzelne Wort hören. Nimm du Vernunft an, Frau Julia! Der Name jenes Patrons, der sich deinen Mann nannte, ist für immer gestrichen in unsrer Familie. Machst du den geringsten Versuch, dich mit ihm in Verbindung zu setzen, so weißt du, was deiner harrt. Sei klug. Du kannst deine Vergangenheit nur durch Ein Mittel vergessen machen; ich habe es dir schon angedeutet. Baron von Senkenberg fragt nach nichts, er nimmt deine Person und deine Vergangenheit in Pausch und Bogen — an seiner Seite kannst du wieder in die Gesellschaft treten, und ich werde dich wieder unsere liebe Enkelin nennen. Die Schluchzende antwortete nichts. Bis du nicht einen Entschluß fassest in unserem Sinne, fuhr die alte Stimme fort, ist dir jeder Ausgang untersagt. Auch in die Kirche? — stöhnte die junge Frau. Von der Kirche will ich dich nicht zurückhalten. Bete du immerhin, bete, damit der Himmel dein Herz erleuchte und deinen Hochmuth und Eigensinn in den Staub beuge. Ich werde Herrn Baron von Senkenberg bitten, noch einige Tage zu warten, dann entweder Kloster oder — Correctionshaus! Haben Sie Gnade, General! — und der Conrectorin <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="3"> <p><pb facs="#f0079"/> aber begann die heisere Stimme des Alten von Neuem auf die Gebeugte und Zerknickte hineinzureden und ihre Schwäche zu nützen, um sie nach seinem Willen zu beugen. Die Frau drüben konnte jedes einzelne Wort hören.</p><lb/> <p>Nimm du Vernunft an, Frau Julia! Der Name jenes Patrons, der sich deinen Mann nannte, ist für immer gestrichen in unsrer Familie. Machst du den geringsten Versuch, dich mit ihm in Verbindung zu setzen, so weißt du, was deiner harrt. Sei klug. Du kannst deine Vergangenheit nur durch Ein Mittel vergessen machen; ich habe es dir schon angedeutet. Baron von Senkenberg fragt nach nichts, er nimmt deine Person und deine Vergangenheit in Pausch und Bogen — an seiner Seite kannst du wieder in die Gesellschaft treten, und ich werde dich wieder unsere liebe Enkelin nennen.</p><lb/> <p>Die Schluchzende antwortete nichts.</p><lb/> <p>Bis du nicht einen Entschluß fassest in unserem Sinne, fuhr die alte Stimme fort, ist dir jeder Ausgang untersagt.</p><lb/> <p>Auch in die Kirche? — stöhnte die junge Frau.</p><lb/> <p>Von der Kirche will ich dich nicht zurückhalten. Bete du immerhin, bete, damit der Himmel dein Herz erleuchte und deinen Hochmuth und Eigensinn in den Staub beuge. Ich werde Herrn Baron von Senkenberg bitten, noch einige Tage zu warten, dann entweder Kloster oder — Correctionshaus!</p><lb/> <p>Haben Sie Gnade, General! — und der Conrectorin<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0079]
aber begann die heisere Stimme des Alten von Neuem auf die Gebeugte und Zerknickte hineinzureden und ihre Schwäche zu nützen, um sie nach seinem Willen zu beugen. Die Frau drüben konnte jedes einzelne Wort hören.
Nimm du Vernunft an, Frau Julia! Der Name jenes Patrons, der sich deinen Mann nannte, ist für immer gestrichen in unsrer Familie. Machst du den geringsten Versuch, dich mit ihm in Verbindung zu setzen, so weißt du, was deiner harrt. Sei klug. Du kannst deine Vergangenheit nur durch Ein Mittel vergessen machen; ich habe es dir schon angedeutet. Baron von Senkenberg fragt nach nichts, er nimmt deine Person und deine Vergangenheit in Pausch und Bogen — an seiner Seite kannst du wieder in die Gesellschaft treten, und ich werde dich wieder unsere liebe Enkelin nennen.
Die Schluchzende antwortete nichts.
Bis du nicht einen Entschluß fassest in unserem Sinne, fuhr die alte Stimme fort, ist dir jeder Ausgang untersagt.
Auch in die Kirche? — stöhnte die junge Frau.
Von der Kirche will ich dich nicht zurückhalten. Bete du immerhin, bete, damit der Himmel dein Herz erleuchte und deinen Hochmuth und Eigensinn in den Staub beuge. Ich werde Herrn Baron von Senkenberg bitten, noch einige Tage zu warten, dann entweder Kloster oder — Correctionshaus!
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Zitationshilfe: | Grosse, Julius: Vetter Isidor. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 103–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grosse_isidor_1910/79>, abgerufen am 16.07.2024. |