Grosse, Julius: Vetter Isidor. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 103–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.und seine neue, achtungswerthe Stellung muß jeden Verdacht entkräftigen, als wäre es ihm um etwas Anderes zu thun, als seine Schuld wieder gut zu machen. Phantasieen, meine Liebe, Phantasieen! Wenn es so wäre, wie du dir einbildest, warum hat er nichts mehr von sich hören lassen --? Weil Sie seine Briefe zurückbehalten haben! rief die Stimme Juliens mit Heftigkeit. Sie sehen, ich weiß Alles und kenne Ihre sogenannten Maßregeln. Oder wollen Sie leugnen angesichts dieser Briefe? -- Hier sind sie! In dem Gespräche des Generals und seiner Enkelin trat eine minutenlange Pause ein. Dann erhob sich die heisere Stimme wieder mit drohendem Tone. Die Frau Conrectorin verstand nur: Du erlaubst dir, ungerathenes Ding! -- dann ging es in unverständliches Grollen und Poltern über. Wagen Sie es nur, rief Juliens Stimme wieder, mir mit Mißhandlungen zu drohen, es wird wohl noch Gesetze und Behörden geben. Meine Art ist es nicht, heimlich Schränke zu öffnen. Sie haben heute Ihre Papiere vermuthlich offen liegen lassen, und der Wind wehte ein Blatt in den Garten, dort hab' ich es gefunden, und aus diesem einen Briefe schließe ich auf die anderen. Können Sie noch leugnen? Lesen Sie, es ist Aloys' Hand -- es sind die rührendsten Klagen, die bittersten Vorwürfe, die unbestreitbarsten Zeugnisse -- und dies Alles und seine neue, achtungswerthe Stellung muß jeden Verdacht entkräftigen, als wäre es ihm um etwas Anderes zu thun, als seine Schuld wieder gut zu machen. Phantasieen, meine Liebe, Phantasieen! Wenn es so wäre, wie du dir einbildest, warum hat er nichts mehr von sich hören lassen —? Weil Sie seine Briefe zurückbehalten haben! rief die Stimme Juliens mit Heftigkeit. Sie sehen, ich weiß Alles und kenne Ihre sogenannten Maßregeln. Oder wollen Sie leugnen angesichts dieser Briefe? — Hier sind sie! In dem Gespräche des Generals und seiner Enkelin trat eine minutenlange Pause ein. Dann erhob sich die heisere Stimme wieder mit drohendem Tone. Die Frau Conrectorin verstand nur: Du erlaubst dir, ungerathenes Ding! — dann ging es in unverständliches Grollen und Poltern über. Wagen Sie es nur, rief Juliens Stimme wieder, mir mit Mißhandlungen zu drohen, es wird wohl noch Gesetze und Behörden geben. Meine Art ist es nicht, heimlich Schränke zu öffnen. Sie haben heute Ihre Papiere vermuthlich offen liegen lassen, und der Wind wehte ein Blatt in den Garten, dort hab' ich es gefunden, und aus diesem einen Briefe schließe ich auf die anderen. Können Sie noch leugnen? Lesen Sie, es ist Aloys' Hand — es sind die rührendsten Klagen, die bittersten Vorwürfe, die unbestreitbarsten Zeugnisse — und dies Alles <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="3"> <p><pb facs="#f0075"/> und seine neue, achtungswerthe Stellung muß jeden Verdacht entkräftigen, als wäre es ihm um etwas Anderes zu thun, als seine Schuld wieder gut zu machen.</p><lb/> <p>Phantasieen, meine Liebe, Phantasieen! Wenn es so wäre, wie du dir einbildest, warum hat er nichts mehr von sich hören lassen —?</p><lb/> <p>Weil Sie seine Briefe zurückbehalten haben! rief die Stimme Juliens mit Heftigkeit. Sie sehen, ich weiß Alles und kenne Ihre sogenannten Maßregeln. Oder wollen Sie leugnen angesichts dieser Briefe? — Hier sind sie!</p><lb/> <p>In dem Gespräche des Generals und seiner Enkelin trat eine minutenlange Pause ein. Dann erhob sich die heisere Stimme wieder mit drohendem Tone.</p><lb/> <p>Die Frau Conrectorin verstand nur: Du erlaubst dir, ungerathenes Ding! — dann ging es in unverständliches Grollen und Poltern über.</p><lb/> <p>Wagen Sie es nur, rief Juliens Stimme wieder, mir mit Mißhandlungen zu drohen, es wird wohl noch Gesetze und Behörden geben. Meine Art ist es nicht, heimlich Schränke zu öffnen. Sie haben heute Ihre Papiere vermuthlich offen liegen lassen, und der Wind wehte ein Blatt in den Garten, dort hab' ich es gefunden, und aus diesem einen Briefe schließe ich auf die anderen. Können Sie noch leugnen? Lesen Sie, es ist Aloys' Hand — es sind die rührendsten Klagen, die bittersten Vorwürfe, die unbestreitbarsten Zeugnisse — und dies Alles<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0075]
und seine neue, achtungswerthe Stellung muß jeden Verdacht entkräftigen, als wäre es ihm um etwas Anderes zu thun, als seine Schuld wieder gut zu machen.
Phantasieen, meine Liebe, Phantasieen! Wenn es so wäre, wie du dir einbildest, warum hat er nichts mehr von sich hören lassen —?
Weil Sie seine Briefe zurückbehalten haben! rief die Stimme Juliens mit Heftigkeit. Sie sehen, ich weiß Alles und kenne Ihre sogenannten Maßregeln. Oder wollen Sie leugnen angesichts dieser Briefe? — Hier sind sie!
In dem Gespräche des Generals und seiner Enkelin trat eine minutenlange Pause ein. Dann erhob sich die heisere Stimme wieder mit drohendem Tone.
Die Frau Conrectorin verstand nur: Du erlaubst dir, ungerathenes Ding! — dann ging es in unverständliches Grollen und Poltern über.
Wagen Sie es nur, rief Juliens Stimme wieder, mir mit Mißhandlungen zu drohen, es wird wohl noch Gesetze und Behörden geben. Meine Art ist es nicht, heimlich Schränke zu öffnen. Sie haben heute Ihre Papiere vermuthlich offen liegen lassen, und der Wind wehte ein Blatt in den Garten, dort hab' ich es gefunden, und aus diesem einen Briefe schließe ich auf die anderen. Können Sie noch leugnen? Lesen Sie, es ist Aloys' Hand — es sind die rührendsten Klagen, die bittersten Vorwürfe, die unbestreitbarsten Zeugnisse — und dies Alles
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Zitationshilfe: | Grosse, Julius: Vetter Isidor. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 103–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grosse_isidor_1910/75>, abgerufen am 16.07.2024. |