Grosse, Julius: Vetter Isidor. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 103–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.ein Seufzer über ihre Lippen -- noch glücklich werden. Eigentlich dauern Sie mich, daß Sie in ihrem langen Leben immer so um das Glück herumgekommen sind. Ich bitte die Einleitung abzukürzen, Frau Conrectorin, sagte der Vetter mit Ungeduld. Was haben Sie mir noch zu sagen? Also hören Sie mich ruhig zu Ende. Lassen Sie vorerst jeden Gedanken an irgend eine Unbesonnenheit aus dem Spiel. Sie sollen Frau Julien sprechen -- Aha, Sie sind zur Vernunft gekommen, Frau Conrectorin. Lassen Sie mich ruhig ausreden, Vetter. Bestimmt kann ich Ihnen jenes Versprechen noch nicht geben, ich muß erst Mittel und Wege ausfindig machen, und es wird seine großen Schwierigkeiten haben. Außerdem aber habe ich meine Bedingungen. Lassen Sie hören, sagte der Vetter, und stützte sich rückwärts auf seinen Regenschirm. Meine erste Bedingung ist, daß Sie mir Ihr Ehrenwort darauf geben, die Sache gleich richtig zu machen. Ein bloßes Abenteuer oder ein unsittliches Verhältniß begünstige ich unter keiner Bedingung. -- Mir liegt selbst daran, daß die arme Frau Julia eine neue Ehe schließt und in bessere Verhältnisse kommt. Die erste Civilheirath war ja eigentlich keine echte, und es wird ihr nur ein Segen sein, wenn sie sich auf immer von dem Schwindler und Windbeutel losmachen kann, dem sie ihre Jugend geopfert hat. Bitte, lassen Sie mich ein Seufzer über ihre Lippen — noch glücklich werden. Eigentlich dauern Sie mich, daß Sie in ihrem langen Leben immer so um das Glück herumgekommen sind. Ich bitte die Einleitung abzukürzen, Frau Conrectorin, sagte der Vetter mit Ungeduld. Was haben Sie mir noch zu sagen? Also hören Sie mich ruhig zu Ende. Lassen Sie vorerst jeden Gedanken an irgend eine Unbesonnenheit aus dem Spiel. Sie sollen Frau Julien sprechen — Aha, Sie sind zur Vernunft gekommen, Frau Conrectorin. Lassen Sie mich ruhig ausreden, Vetter. Bestimmt kann ich Ihnen jenes Versprechen noch nicht geben, ich muß erst Mittel und Wege ausfindig machen, und es wird seine großen Schwierigkeiten haben. Außerdem aber habe ich meine Bedingungen. Lassen Sie hören, sagte der Vetter, und stützte sich rückwärts auf seinen Regenschirm. Meine erste Bedingung ist, daß Sie mir Ihr Ehrenwort darauf geben, die Sache gleich richtig zu machen. Ein bloßes Abenteuer oder ein unsittliches Verhältniß begünstige ich unter keiner Bedingung. — Mir liegt selbst daran, daß die arme Frau Julia eine neue Ehe schließt und in bessere Verhältnisse kommt. Die erste Civilheirath war ja eigentlich keine echte, und es wird ihr nur ein Segen sein, wenn sie sich auf immer von dem Schwindler und Windbeutel losmachen kann, dem sie ihre Jugend geopfert hat. Bitte, lassen Sie mich <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="2"> <p><pb facs="#f0065"/> ein Seufzer über ihre Lippen — noch glücklich werden. Eigentlich dauern Sie mich, daß Sie in ihrem langen Leben immer so um das Glück herumgekommen sind.</p><lb/> <p>Ich bitte die Einleitung abzukürzen, Frau Conrectorin, sagte der Vetter mit Ungeduld. Was haben Sie mir noch zu sagen?</p><lb/> <p>Also hören Sie mich ruhig zu Ende. Lassen Sie vorerst jeden Gedanken an irgend eine Unbesonnenheit aus dem Spiel. Sie sollen Frau Julien sprechen —</p><lb/> <p>Aha, Sie sind zur Vernunft gekommen, Frau Conrectorin.</p><lb/> <p>Lassen Sie mich ruhig ausreden, Vetter. Bestimmt kann ich Ihnen jenes Versprechen noch nicht geben, ich muß erst Mittel und Wege ausfindig machen, und es wird seine großen Schwierigkeiten haben. Außerdem aber habe ich meine Bedingungen.</p><lb/> <p>Lassen Sie hören, sagte der Vetter, und stützte sich rückwärts auf seinen Regenschirm.</p><lb/> <p>Meine erste Bedingung ist, daß Sie mir Ihr Ehrenwort darauf geben, die Sache gleich richtig zu machen. Ein bloßes Abenteuer oder ein unsittliches Verhältniß begünstige ich unter keiner Bedingung. — Mir liegt selbst daran, daß die arme Frau Julia eine neue Ehe schließt und in bessere Verhältnisse kommt. Die erste Civilheirath war ja eigentlich keine echte, und es wird ihr nur ein Segen sein, wenn sie sich auf immer von dem Schwindler und Windbeutel losmachen kann, dem sie ihre Jugend geopfert hat. Bitte, lassen Sie mich<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0065]
ein Seufzer über ihre Lippen — noch glücklich werden. Eigentlich dauern Sie mich, daß Sie in ihrem langen Leben immer so um das Glück herumgekommen sind.
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Also hören Sie mich ruhig zu Ende. Lassen Sie vorerst jeden Gedanken an irgend eine Unbesonnenheit aus dem Spiel. Sie sollen Frau Julien sprechen —
Aha, Sie sind zur Vernunft gekommen, Frau Conrectorin.
Lassen Sie mich ruhig ausreden, Vetter. Bestimmt kann ich Ihnen jenes Versprechen noch nicht geben, ich muß erst Mittel und Wege ausfindig machen, und es wird seine großen Schwierigkeiten haben. Außerdem aber habe ich meine Bedingungen.
Lassen Sie hören, sagte der Vetter, und stützte sich rückwärts auf seinen Regenschirm.
Meine erste Bedingung ist, daß Sie mir Ihr Ehrenwort darauf geben, die Sache gleich richtig zu machen. Ein bloßes Abenteuer oder ein unsittliches Verhältniß begünstige ich unter keiner Bedingung. — Mir liegt selbst daran, daß die arme Frau Julia eine neue Ehe schließt und in bessere Verhältnisse kommt. Die erste Civilheirath war ja eigentlich keine echte, und es wird ihr nur ein Segen sein, wenn sie sich auf immer von dem Schwindler und Windbeutel losmachen kann, dem sie ihre Jugend geopfert hat. Bitte, lassen Sie mich
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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-15T10:31:15Z)
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Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
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