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German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.

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Deß Abentheurl. Simplicissimi
und Pflügen nit bleiben konten; Jn demselben Tu-
mult bekam ich nicht weit von meinem Hof in einem
wilden ungeheuren Wald ein schöne junge Edelfrau/
sampt einem stattlichen Pferd/ als ich zuvor nit weit
darvon etliche Büchsenschuß gehört hatte/ ich sahe
sie anfänglich vor einen Kerl an/ weil sie so mannlich
daher ritte/ aber in dem ich sie beydes Händ und Au-
gen gegen dem Himmel auffheben sahe/ und auff
Welsch mit einer erbärmlichen Stimm zu Gott ruf-
fen hörte/ ließ ich mein Rohr/ damit ich Feur auff sie
geben wolte/ fincken/ und zog den Hanen wieder zu-
rück/ weil mich ihr Geschrey und Geberden versicher-
ten/ daß sie ein betrübtes Weibsbild wäre; mithin
näherten wir uns einander/ und da sie mich sahe/ sagte
sie: Ach! wann ihr ein ehrlicher Christen-Mensch
seyt/ so bitte ich euch umb GOttes und seiner Barm-
hertzigkeit/ ja umb deß Jüngsten Gerichts willen/
vor welchem wir alle umb unser Thun und Lassen
Rechenschafft geben mussen/ ihr wollet mich zu ehr-
lichen Weibern fuhren/ die mich durch Göttliche
Hülff von meiner Leibes-Bürde entledigen helffen!
Diese Wort/ die mich so grosser Ding erinnerten/
sampt der holdseeligen Außsprach/ und zwar betrüb-
ten doch überauß schönen und anmuthigen Gestalt
der Frauen/ zwangen mich zu solcher Erbärmde/
daß ich ihr Pferd beym Ziegel nam/ und sie durch
Hecken und Stauden/ an den allerdicksten Ort deß
Gesträuchs führte/ da ich selbst mein Weid/ Kind/
Gesind und Viehe hin geflehnt hatte/ daselbst genaß
sie ehender als in einer halben Stund/ deß jenigen
jungen Knaben/ von dem wir heut miteinander ge-
redet haben.

Hie-

Deß Abentheurl. Simpliciſſimi
und Pfluͤgen nit bleiben konten; Jn demſelben Tu-
mult bekam ich nicht weit von meinem Hof in einem
wilden ungeheuren Wald ein ſchoͤne junge Edelfrau/
ſampt einem ſtattlichen Pferd/ als ich zuvor nit weit
darvon etliche Buͤchſenſchuß gehoͤrt hatte/ ich ſahe
ſie anfaͤnglich vor einen Kerl an/ weil ſie ſo mannlich
daher ritte/ aber in dem ich ſie beydes Haͤnd und Au-
gen gegen dem Himmel auffheben ſahe/ und auff
Welſch mit einer erbaͤrmlichen Stimm zu Gott ruf-
fen hoͤrte/ ließ ich mein Rohr/ damit ich Feur auff ſie
geben wolte/ fincken/ und zog den Hanen wieder zu-
ruͤck/ weil mich ihr Geſchrey und Geberden verſicher-
ten/ daß ſie ein betruͤbtes Weibsbild waͤre; mithin
naͤherten wir uns einander/ und da ſie mich ſahe/ ſagte
ſie: Ach! wann ihr ein ehrlicher Chriſten-Menſch
ſeyt/ ſo bitte ich euch umb GOttes und ſeiner Barm-
hertzigkeit/ ja umb deß Juͤngſten Gerichts willen/
vor welchem wir alle umb unſer Thun und Laſſen
Rechenſchafft geben muſſen/ ihr wollet mich zu ehr-
lichen Weibern fůhren/ die mich durch Goͤttliche
Huͤlff von meiner Leibes-Buͤrde entledigen helffen!
Dieſe Wort/ die mich ſo groſſer Ding erinnerten/
ſampt der holdſeeligen Außſprach/ und zwar betruͤb-
ten doch uͤberauß ſchoͤnen und anmuthigen Geſtalt
der Frauen/ zwangen mich zu ſolcher Erbaͤrmde/
daß ich ihr Pferd beym Ziegel nam/ und ſie durch
Hecken und Stauden/ an den allerdickſten Ort deß
Geſtraͤuchs fuͤhrte/ da ich ſelbſt mein Weid/ Kind/
Geſind und Viehe hin geflehnt hatte/ daſelbſt genaß
ſie ehender als in einer halben Stund/ deß jenigen
jungen Knaben/ von dem wir heut miteinander ge-
redet haben.

Hie-
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[532/0538] Deß Abentheurl. Simpliciſſimi und Pfluͤgen nit bleiben konten; Jn demſelben Tu- mult bekam ich nicht weit von meinem Hof in einem wilden ungeheuren Wald ein ſchoͤne junge Edelfrau/ ſampt einem ſtattlichen Pferd/ als ich zuvor nit weit darvon etliche Buͤchſenſchuß gehoͤrt hatte/ ich ſahe ſie anfaͤnglich vor einen Kerl an/ weil ſie ſo mannlich daher ritte/ aber in dem ich ſie beydes Haͤnd und Au- gen gegen dem Himmel auffheben ſahe/ und auff Welſch mit einer erbaͤrmlichen Stimm zu Gott ruf- fen hoͤrte/ ließ ich mein Rohr/ damit ich Feur auff ſie geben wolte/ fincken/ und zog den Hanen wieder zu- ruͤck/ weil mich ihr Geſchrey und Geberden verſicher- ten/ daß ſie ein betruͤbtes Weibsbild waͤre; mithin naͤherten wir uns einander/ und da ſie mich ſahe/ ſagte ſie: Ach! wann ihr ein ehrlicher Chriſten-Menſch ſeyt/ ſo bitte ich euch umb GOttes und ſeiner Barm- hertzigkeit/ ja umb deß Juͤngſten Gerichts willen/ vor welchem wir alle umb unſer Thun und Laſſen Rechenſchafft geben muſſen/ ihr wollet mich zu ehr- lichen Weibern fůhren/ die mich durch Goͤttliche Huͤlff von meiner Leibes-Buͤrde entledigen helffen! Dieſe Wort/ die mich ſo groſſer Ding erinnerten/ ſampt der holdſeeligen Außſprach/ und zwar betruͤb- ten doch uͤberauß ſchoͤnen und anmuthigen Geſtalt der Frauen/ zwangen mich zu ſolcher Erbaͤrmde/ daß ich ihr Pferd beym Ziegel nam/ und ſie durch Hecken und Stauden/ an den allerdickſten Ort deß Geſtraͤuchs fuͤhrte/ da ich ſelbſt mein Weid/ Kind/ Geſind und Viehe hin geflehnt hatte/ daſelbſt genaß ſie ehender als in einer halben Stund/ deß jenigen jungen Knaben/ von dem wir heut miteinander ge- redet haben. Hie-

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Zitationshilfe: German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 532. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/538>, abgerufen am 26.06.2024.