German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.Deß Abentheurl. Simplicissimi machte mich unwillig/ und verursachte/ daß ich den-selben Frühling meinen Weg nit nach Westphalen antrat/ sondern von Hertzbrudern erhielt/ daß er mich mit ihm nach Wien nam/ mich seines verhoffenden Glücks geniessen zu lassen; Also mondirten wir uns auß meinem Geld wie 2. Cavallier, beydes mit Klei- dungen/ Pferden/ Dienern und Gewehr/ giengen durch Costantz auff Ulm/ allda wir uns auff die Tho- nau setzten/ und von dort auß in 8. Tagen zu Wien glücklich anlangten. Auff demselben Weg observirte ich sonst nichts/ als daß die Weibsbilder/ so an dem Strand wohnen/ den vorüber-fahrenden/ so ihnen zuschryen/ nicht mündlich/ sondern schlechthin mit dem Beweisthum selbst antworten/ darvon ein Kerl manch feines Einsehen haben kan. Das IV. Capitel. ES gehet wol seltzam in der veränderlichen Welt gewesen
Deß Abentheurl. Simpliciſſimi machte mich unwillig/ und verurſachte/ daß ich den-ſelben Fruͤhling meinen Weg nit nach Weſtphalen antrat/ ſondern von Hertzbrudern erhielt/ daß er mich mit ihm nach Wien nam/ mich ſeines verhoffenden Gluͤcks genieſſen zu laſſen; Alſo mondirten wir uns auß meinem Geld wie 2. Cavallier, beydes mit Klei- dungen/ Pferden/ Dienern und Gewehr/ giengen durch Coſtantz auff Ulm/ allda wir uns auff die Tho- nau ſetzten/ und von dort auß in 8. Tagen zu Wien gluͤcklich anlangten. Auff demſelben Weg obſervirte ich ſonſt nichts/ als daß die Weibsbilder/ ſo an dem Strand wohnen/ den voruͤber-fahrenden/ ſo ihnen zuſchryen/ nicht muͤndlich/ ſondern ſchlechthin mit dem Beweisthum ſelbſt antworten/ darvon ein Kerl manch feines Einſehen haben kan. Das IV. Capitel. ES gehet wol ſeltzam in der veraͤnderlichen Welt geweſen
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Deß Abentheurl. Simpliciſſimi
machte mich unwillig/ und verurſachte/ daß ich den-
ſelben Fruͤhling meinen Weg nit nach Weſtphalen
antrat/ ſondern von Hertzbrudern erhielt/ daß er mich
mit ihm nach Wien nam/ mich ſeines verhoffenden
Gluͤcks genieſſen zu laſſen; Alſo mondirten wir uns
auß meinem Geld wie 2. Cavallier, beydes mit Klei-
dungen/ Pferden/ Dienern und Gewehr/ giengen
durch Coſtantz auff Ulm/ allda wir uns auff die Tho-
nau ſetzten/ und von dort auß in 8. Tagen zu Wien
gluͤcklich anlangten. Auff demſelben Weg obſervirte
ich ſonſt nichts/ als daß die Weibsbilder/ ſo an dem
Strand wohnen/ den voruͤber-fahrenden/ ſo ihnen
zuſchryen/ nicht muͤndlich/ ſondern ſchlechthin mit
dem Beweisthum ſelbſt antworten/ darvon ein Kerl
manch feines Einſehen haben kan.
Das IV. Capitel.
ES gehet wol ſeltzam in der veraͤnderlichen Welt
her! Man pflegt zu ſagen/ Wer alles wuͤſte/
der wuͤrde bald reich; Jch aber ſage: Wer ſich
allweg in die Zeit ſchicken koͤnte/ der wuͤrde bald groß
und maͤchtig. Mancher Schindhund oder Schab-
hals (dann dieſe beyde Ehren-Titul werden den Gei-
tzigen gegeben) wird wol bald reich/ weil er einen
und andern Vorthel weiß und gebraucht/ er iſt aber
darumb nit groß/ ſondern iſt und verbleibt vielmals
von geringerer æſtimation, als er zuvor in ſeiner Ar-
muth war; Wer ſich aber weiß groß und maͤchtig zu
machen/ dem folget der Reichthumb auff dem Fuß
nach. Das Gluͤck/ ſo Macht und Reichthum zu ge-
ben pflegt/ blickte mich trefflich holdſeelig an/ und
gab mir/ nachdem ich ein Tag oder acht zu Wien
geweſen
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