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German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.

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Deß Abentheurl. Simplicissimi
Grasmuck/ die einen Guckuck auffzeucht. Sie ding-
ten mir einen eigenen Praeceptorem, und schickten
mich mit demselben nach Lüttich/ mehr daß ich dort
Welsch lernen/ als studiren solte/ weilen sie keinen
Theologum, sondern einen Handelsmann auß mir
ziehen wolten; Dieser hatte Befelch/ mich bey Leib
nicht streng zu halten/ daß ich kein forchtsam knech-
tisch Gemüt überkäme/ Er solte mich fein unter die
Bursch lassen/ damit ich nit Leut-scheu würde/ und
gedencken/ daß sie keinen Mönchen/ sondern einen
Weltmann auß mir machen wolten/ der wissen müs-
se/ was Schwartz oder Weiß seye.

Ermeldter mein Praeceptor aber war dieser Instru-
ction
unbedürfftig/ sondern von sich selbsten auff alle
Büberey geneigt/ was hätte er mir denn folche ver-
bieten/ oder mich umb meine geringe Fehler hart hal-
ten sollen/ da er selbst gröbere begieng; Auffs Bulen
und Sauffen war er am meisten geneigt/ ich aber
von Natur auffs Balgen und Schlagen/ daher gieng
ich schon bey Nacht mit ihm und seines gleichen gas-
satim/ und lernete ihm in Kürtze mehr Untugenden
als Latein ab. So viel das Studirn anbelangt/ ver-
ließ ich mich auff mein gut Gedächtnus und scharpf-
fen Verstand/ und war deßwegen desto fahrlässiger/
im übrigen aber in allen Lastern/ Bubenstücken und
Muthwillen ersoffen/ mein Gewissen war bereits so
weit/ daß ein grosser Hen-Wagen hindurch hätte
fahren mögen: Jch fragte nichts darnach/ wenn ich
in der Kirch unter der Predigt den Bernium Burchiel-
lum
oder den Aretinum lase/ und hörte nichts liebers
vom gantzen Gottesdienst/ als wenn man sagt: Ite
missa est.
Darneben dünckte ich mich keine San zu

seyn

Deß Abentheurl. Simpliciſſimi
Grasmuck/ die einen Guckuck auffzeucht. Sie ding-
ten mir einen eigenen Præceptorem, und ſchickten
mich mit demſelben nach Luͤttich/ mehr daß ich dort
Welſch lernen/ als ſtudiren ſolte/ weilen ſie keinen
Theologum, ſondern einen Handelsmann auß mir
ziehen wolten; Dieſer hatte Befelch/ mich bey Leib
nicht ſtreng zu halten/ daß ich kein foꝛchtſam knech-
tiſch Gemuͤt uͤberkaͤme/ Er ſolte mich fein unter die
Burſch laſſen/ damit ich nit Leut-ſcheu wuͤrde/ und
gedencken/ daß ſie keinen Moͤnchen/ ſondern einen
Weltmann auß mir machen wolten/ der wiſſen muͤſ-
ſe/ was Schwartz oder Weiß ſeye.

Ermeldter mein Præceptor aber war dieſer Inſtru-
ction
unbedürfftig/ ſondern von ſich ſelbſten auff alle
Buͤberey geneigt/ was haͤtte er mir denn folche ver-
bieten/ oder mich umb meine geringe Fehler hart hal-
ten ſollen/ da er ſelbſt groͤbere begieng; Auffs Bulen
und Sauffen war er am meiſten geneigt/ ich aber
von Natur auffs Balgen und Schlagen/ daher gieng
ich ſchon bey Nacht mit ihm und ſeines gleichen gaſ-
ſatim/ und lernete ihm in Kuͤrtze mehr Untugenden
als Latein ab. So viel das Studirn anbelangt/ ver-
ließ ich mich auff mein gut Gedaͤchtnus und ſcharpf-
fen Verſtand/ und war deßwegen deſto fahrlaͤſſiger/
im uͤbrigen aber in allen Laſtern/ Bubenſtuͤcken und
Muthwillen erſoffen/ mein Gewiſſen war bereits ſo
weit/ daß ein groſſer Hen-Wagen hindurch haͤtte
fahren moͤgen: Jch fragte nichts darnach/ wenn ich
in der Kirch unter der Predigt den Bernium Burchiel-
lum
oder den Aretinum laſe/ und hoͤrte nichts liebers
vom gantzen Gottesdienſt/ als wenn man ſagt: Ite
miſſa eſt.
Darneben duͤnckte ich mich keine San zu

ſeyn
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[462/0468] Deß Abentheurl. Simpliciſſimi Grasmuck/ die einen Guckuck auffzeucht. Sie ding- ten mir einen eigenen Præceptorem, und ſchickten mich mit demſelben nach Luͤttich/ mehr daß ich dort Welſch lernen/ als ſtudiren ſolte/ weilen ſie keinen Theologum, ſondern einen Handelsmann auß mir ziehen wolten; Dieſer hatte Befelch/ mich bey Leib nicht ſtreng zu halten/ daß ich kein foꝛchtſam knech- tiſch Gemuͤt uͤberkaͤme/ Er ſolte mich fein unter die Burſch laſſen/ damit ich nit Leut-ſcheu wuͤrde/ und gedencken/ daß ſie keinen Moͤnchen/ ſondern einen Weltmann auß mir machen wolten/ der wiſſen muͤſ- ſe/ was Schwartz oder Weiß ſeye. Ermeldter mein Præceptor aber war dieſer Inſtru- ction unbedürfftig/ ſondern von ſich ſelbſten auff alle Buͤberey geneigt/ was haͤtte er mir denn folche ver- bieten/ oder mich umb meine geringe Fehler hart hal- ten ſollen/ da er ſelbſt groͤbere begieng; Auffs Bulen und Sauffen war er am meiſten geneigt/ ich aber von Natur auffs Balgen und Schlagen/ daher gieng ich ſchon bey Nacht mit ihm und ſeines gleichen gaſ- ſatim/ und lernete ihm in Kuͤrtze mehr Untugenden als Latein ab. So viel das Studirn anbelangt/ ver- ließ ich mich auff mein gut Gedaͤchtnus und ſcharpf- fen Verſtand/ und war deßwegen deſto fahrlaͤſſiger/ im uͤbrigen aber in allen Laſtern/ Bubenſtuͤcken und Muthwillen erſoffen/ mein Gewiſſen war bereits ſo weit/ daß ein groſſer Hen-Wagen hindurch haͤtte fahren moͤgen: Jch fragte nichts darnach/ wenn ich in der Kirch unter der Predigt den Bernium Burchiel- lum oder den Aretinum laſe/ und hoͤrte nichts liebers vom gantzen Gottesdienſt/ als wenn man ſagt: Ite miſſa eſt. Darneben duͤnckte ich mich keine San zu ſeyn

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Zitationshilfe: German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 462. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/468>, abgerufen am 23.11.2024.