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German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.

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Viertes Buch.
versprach ich mich desto lieber zu ihm. Als ich nun
die Letze zehrte mit meinen Edelleuten/ war er auch
darbey/ und mir giengen üble Grillen im Kopff her-
umb/ dann da lag mir mein frisch-genommen Weib/
mein versprochen Fähnlein/ und mein Schatz zu Cöln
im Sinn/ von welchem allem ich mich so leichtfertig
hinweg zu begeben bereden lassen/ und da wir von
unsers gewesten Kost-Herrn Geitz zu reden kamen/
fiele mir zu/ und ich sagte auch über Tisch: Wer
weiß/ ob vielleicht unser Kost-Herr mich nicht mit
Fleiß hieher practicirt/ damit er das Meinig zu Cöln
erheben und behalten möge: Der Doctor antwort/
das könne wol seyn/ vornemlich wann er glaube/
daß ich ein Kerl von geringem Herkommen sey; Nein/
antwort der eine Edelmann/ wenn er zu solchem End
hieher geschickt worden ist/ daß er hier bleiben solle/
so ists darumb geschehen/ weil er ihm seines Geitzes
wegen so viel Drangsal anthäte. Der Krancke fieng
an/ Jch glaub aber ein andere Ursach; Als ich neu-
lich in meiner Kammer stunde/ und unser Kost-Herr
mit seinem Welschen ein laut Gespräch hielte/ horch-
te ich/ warumbs doch zu thun seyn möchte? und ver-
nam endlich auß deß Welschen geradbrechten Wor-
ten: Der Jäger verfuchsschwäntzte ihn bey der
Frauen/ und sage/ er warte der Pferd nicht recht!
Welches aber der eyfersichtige Gauch/ wegen seiner
üblen Redkunst/ unrecht/ und auff etwas unehrlichs
verstunde/ und derowegen dem Welschen zusprach/
er solte nur b[l]eiben/ der Jäger müsse bald hinweg.
Er hat auch seitber sein Weib scheel angesehen/ und
mit ihr viel ernstlicher gekollert/ als zuvor/ so ich an
dem Narrn mit Fleiß in acht genommen.

Der
R jv

Viertes Buch.
verſprach ich mich deſto lieber zu ihm. Als ich nun
die Letze zehrte mit meinen Edelleuten/ war er auch
darbey/ und mir giengen uͤble Grillen im Kopff her-
umb/ dann da lag mir mein friſch-genommen Weib/
mein verſprochen Faͤhnlein/ und mein Schatz zu Coͤln
im Sinn/ von welchem allem ich mich ſo leichtfertig
hinweg zu begeben bereden laſſen/ und da wir von
unſers geweſten Koſt-Herꝛn Geitz zu reden kamen/
fiele mir zu/ und ich ſagte auch uͤber Tiſch: Wer
weiß/ ob vielleicht unſer Koſt-Herꝛ mich nicht mit
Fleiß hieher practicirt/ damit er das Meinig zu Coͤln
erheben und behalten moͤge: Der Doctor antwort/
das koͤnne wol ſeyn/ vornemlich wann er glaube/
daß ich ein Kerl von geringem Herkom̃en ſey; Nein/
antwort der eine Edelmann/ wenn er zu ſolchem End
hieher geſchickt worden iſt/ daß er hier bleiben ſolle/
ſo iſts darumb geſchehen/ weil er ihm ſeines Geitzes
wegen ſo viel Drangſal anthaͤte. Der Krancke fieng
an/ Jch glaub aber ein andere Urſach; Als ich neu-
lich in meiner Kammer ſtunde/ und unſer Koſt-Herꝛ
mit ſeinem Welſchen ein laut Geſpraͤch hielte/ horch-
te ich/ warumbs doch zu thun ſeyn moͤchte? und ver-
nam endlich auß deß Welſchen geradbrechten Wor-
ten: Der Jaͤger verfuchsſchwaͤntzte ihn bey der
Frauen/ und ſage/ er warte der Pferd nicht recht!
Welches aber der eyferſichtige Gauch/ wegen ſeiner
uͤblen Redkunſt/ unrecht/ und auff etwas unehrlichs
verſtunde/ und derowegen dem Welſchen zuſprach/
er ſolte nur b[l]eiben/ der Jaͤger muͤſſe bald hinweg.
Er hat auch ſeitber ſein Weib ſcheel angeſehen/ und
mit ihr viel ernſtlicher gekollert/ als zuvor/ ſo ich an
dem Narꝛn mit Fleiß in acht genommen.

Der
R jv
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[389/0395] Viertes Buch. verſprach ich mich deſto lieber zu ihm. Als ich nun die Letze zehrte mit meinen Edelleuten/ war er auch darbey/ und mir giengen uͤble Grillen im Kopff her- umb/ dann da lag mir mein friſch-genommen Weib/ mein verſprochen Faͤhnlein/ und mein Schatz zu Coͤln im Sinn/ von welchem allem ich mich ſo leichtfertig hinweg zu begeben bereden laſſen/ und da wir von unſers geweſten Koſt-Herꝛn Geitz zu reden kamen/ fiele mir zu/ und ich ſagte auch uͤber Tiſch: Wer weiß/ ob vielleicht unſer Koſt-Herꝛ mich nicht mit Fleiß hieher practicirt/ damit er das Meinig zu Coͤln erheben und behalten moͤge: Der Doctor antwort/ das koͤnne wol ſeyn/ vornemlich wann er glaube/ daß ich ein Kerl von geringem Herkom̃en ſey; Nein/ antwort der eine Edelmann/ wenn er zu ſolchem End hieher geſchickt worden iſt/ daß er hier bleiben ſolle/ ſo iſts darumb geſchehen/ weil er ihm ſeines Geitzes wegen ſo viel Drangſal anthaͤte. Der Krancke fieng an/ Jch glaub aber ein andere Urſach; Als ich neu- lich in meiner Kammer ſtunde/ und unſer Koſt-Herꝛ mit ſeinem Welſchen ein laut Geſpraͤch hielte/ horch- te ich/ warumbs doch zu thun ſeyn moͤchte? und ver- nam endlich auß deß Welſchen geradbrechten Wor- ten: Der Jaͤger verfuchsſchwaͤntzte ihn bey der Frauen/ und ſage/ er warte der Pferd nicht recht! Welches aber der eyferſichtige Gauch/ wegen ſeiner uͤblen Redkunſt/ unrecht/ und auff etwas unehrlichs verſtunde/ und derowegen dem Welſchen zuſprach/ er ſolte nur bleiben/ der Jaͤger muͤſſe bald hinweg. Er hat auch ſeitber ſein Weib ſcheel angeſehen/ und mit ihr viel ernſtlicher gekollert/ als zuvor/ ſo ich an dem Narꝛn mit Fleiß in acht genommen. Der R jv

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Zitationshilfe: German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 389. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/395>, abgerufen am 24.11.2024.