Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.

Bild:
<< vorherige Seite

Deß Abentheurl. Simplicissimi
Welches Theil handelt nun am weislichsten? Uber
dieses alles betrachtet das Geflügel unter dem Him-
mel! betrachtet die unterschiedliche Gebäue ihrer
artlichen Nester/ und weil ihnen ihre Arbeit niemand
nachmachen kan/ so müst ihr ja bekennen/ daß sie
beydes verständiger und künstlicher seyn/ als ihr
Menschen selbst: Wer sagt den Sommer-vögeln/
wann sie gegen dem Frühling zu uns kommen/ und
Jungen hecken? und gegen dem Herbst/ wann sie
sich wieder von dannen in die warme Länder verfü-
gen sollen? Wer unterrichtet sie/ daß sie zu solchem
End einen Sammelplatz bestimmen müssen? Wer
führet sie/ oder wer weiset ihnen den Weg/ oder ley-
het ihr Menschen vielleicht ihnen euern See-Com-
paß/ damit sie unterwegs nicht irr fahren? Nein/ ihr
liebe Leut/ sie wissen den Weg ohne euch/ und wie
lang sie darauff müssen wandern/ auch wann sie von
einem und dem andern Ort auffdrechen müssen; be-
dörffen also weder eures Compasses noch eures Ca-
lenders. Ferners beschauet die mühsame Spinn/ de-
ren Geweb bey nahe ein Wunderwerck ist! Sehet/
ob ihr auch einen einigen Knopff in aller ihrer Arbeit
finden möget? Welcher Jäger oder Fischer hat sie
gelehret/ wie sie ihr Netz außspannen/ und sich/ je
nachdem sie sich eines Netzes gebraucht/ ihr Wild-
bret zu belaustern/ entweder in den hindersten Win-
ckel/ oder gar in das Centrum ihres Gewebs setzen
solle? Jhr Menschen verwundert euch über den Ra-
ben/ von welchem Plutarchus bezeugt/ daß er so viel
Stein in ein Geschirr/ so halb voll Wasser gewesen/
geworffen/ biß das Wasser so wett oben gestanden/
daß er bequemlich hab trincken mögen: Was würdet

ihr

Deß Abentheurl. Simpliciſſimi
Welches Theil handelt nun am weislichſten? Uber
dieſes alles betrachtet das Gefluͤgel unter dem Him-
mel! betrachtet die unterſchiedliche Gebaͤue ihrer
artlichen Neſter/ und weil ihnen ihre Arbeit niemand
nachmachen kan/ ſo muͤſt ihr ja bekennen/ daß ſie
beydes verſtaͤndiger und kuͤnſtlicher ſeyn/ als ihr
Menſchen ſelbſt: Wer ſagt den Sommer-voͤgeln/
wann ſie gegen dem Fruͤhling zu uns kommen/ und
Jungen hecken? und gegen dem Herbſt/ wann ſie
ſich wieder von dannen in die warme Laͤnder verfuͤ-
gen ſollen? Wer unterꝛichtet ſie/ daß ſie zu ſolchem
End einen Sammelplatz beſtimmen muͤſſen? Wer
fuͤhret ſie/ oder wer weiſet ihnen den Weg/ oder ley-
het ihr Menſchen vielleicht ihnen euern See-Com-
paß/ damit ſie unterwegs nicht irꝛ fahren? Nein/ ihr
liebe Leut/ ſie wiſſen den Weg ohne euch/ und wie
lang ſie darauff muͤſſen wandern/ auch wann ſie von
einem und dem andern Ort auffdrechen muͤſſen; be-
doͤrffen alſo weder eures Compaſſes noch eures Ca-
lenders. Ferners beſchauet die muͤhſame Spinn/ de-
ren Geweb bey nahe ein Wunderwerck iſt! Sehet/
ob ihr auch einen einigen Knopff in aller ihrer Arbeit
finden moͤget? Welcher Jaͤger oder Fiſcher hat ſie
gelehret/ wie ſie ihr Netz außſpannen/ und ſich/ je
nachdem ſie ſich eines Netzes gebraucht/ ihr Wild-
bret zu belauſtern/ entweder in den hinderſten Win-
ckel/ oder gar in das Centrum ihres Gewebs ſetzen
ſolle? Jhr Menſchen verwundert euch uͤber den Ra-
ben/ von welchem Plutarchus bezeugt/ daß er ſo viel
Stein in ein Geſchirꝛ/ ſo halb voll Waſſer geweſen/
geworffen/ biß das Waſſer ſo wett oben geſtanden/
daß er bequemlich hab trincken moͤgen: Was wuͤrdet

ihr
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <p><pb facs="#f0174" n="168"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Deß Abentheurl. <hi rendition="#aq">Simplici&#x017F;&#x017F;imi</hi></hi></fw><lb/>
Welches Theil handelt nun am weislich&#x017F;ten? Uber<lb/>
die&#x017F;es alles betrachtet das Geflu&#x0364;gel unter dem Him-<lb/>
mel! betrachtet die unter&#x017F;chiedliche Geba&#x0364;ue ihrer<lb/>
artlichen Ne&#x017F;ter/ und weil ihnen ihre Arbeit niemand<lb/>
nachmachen kan/ &#x017F;o mu&#x0364;&#x017F;t ihr ja bekennen/ daß &#x017F;ie<lb/>
beydes ver&#x017F;ta&#x0364;ndiger und ku&#x0364;n&#x017F;tlicher &#x017F;eyn/ als ihr<lb/><choice><sic>Meu&#x017F;chen</sic><corr>Men&#x017F;chen</corr></choice> &#x017F;elb&#x017F;t: Wer &#x017F;agt den Sommer-vo&#x0364;geln/<lb/>
wann &#x017F;ie gegen dem Fru&#x0364;hling zu uns kommen/ und<lb/>
Jungen hecken? und gegen dem Herb&#x017F;t/ wann &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;ich wieder von dannen in die warme La&#x0364;nder verfu&#x0364;-<lb/>
gen &#x017F;ollen? Wer unter&#xA75B;ichtet &#x017F;ie/ daß &#x017F;ie zu &#x017F;olchem<lb/>
End einen Sammelplatz be&#x017F;timmen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en? Wer<lb/>
fu&#x0364;hret &#x017F;ie/ oder wer wei&#x017F;et ihnen den Weg/ oder ley-<lb/>
het ihr Men&#x017F;chen vielleicht ihnen euern See-Com-<lb/>
paß/ damit &#x017F;ie unterwegs nicht ir&#xA75B; fahren? Nein/ ihr<lb/>
liebe Leut/ &#x017F;ie wi&#x017F;&#x017F;en den Weg ohne euch/ und wie<lb/>
lang &#x017F;ie darauff mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en wandern/ auch wann &#x017F;ie von<lb/>
einem und dem andern Ort auffdrechen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en; be-<lb/>
do&#x0364;rffen al&#x017F;o weder eures Compa&#x017F;&#x017F;es noch eures Ca-<lb/>
lenders. Ferners be&#x017F;chauet die mu&#x0364;h&#x017F;ame Spinn/ de-<lb/>
ren Geweb bey nahe ein Wunderwerck i&#x017F;t! Sehet/<lb/>
ob ihr auch einen einigen Knopff in aller ihrer Arbeit<lb/>
finden mo&#x0364;get? Welcher Ja&#x0364;ger oder Fi&#x017F;cher hat &#x017F;ie<lb/>
gelehret/ wie &#x017F;ie ihr Netz auß&#x017F;pannen/ und &#x017F;ich/ je<lb/>
nachdem &#x017F;ie &#x017F;ich eines Netzes gebraucht/ ihr Wild-<lb/>
bret zu belau&#x017F;tern/ entweder in den hinder&#x017F;ten Win-<lb/>
ckel/ oder gar in das <hi rendition="#aq">Centrum</hi> ihres Gewebs &#x017F;etzen<lb/>
&#x017F;olle? Jhr Men&#x017F;chen verwundert euch u&#x0364;ber den Ra-<lb/>
ben/ von welchem <hi rendition="#aq">Plutarchus</hi> bezeugt/ daß er &#x017F;o viel<lb/>
Stein in ein Ge&#x017F;chir&#xA75B;/ &#x017F;o halb voll Wa&#x017F;&#x017F;er gewe&#x017F;en/<lb/>
geworffen/ biß das Wa&#x017F;&#x017F;er &#x017F;o wett oben ge&#x017F;tanden/<lb/>
daß er bequemlich hab trincken mo&#x0364;gen: Was wu&#x0364;rdet<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ihr</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[168/0174] Deß Abentheurl. Simpliciſſimi Welches Theil handelt nun am weislichſten? Uber dieſes alles betrachtet das Gefluͤgel unter dem Him- mel! betrachtet die unterſchiedliche Gebaͤue ihrer artlichen Neſter/ und weil ihnen ihre Arbeit niemand nachmachen kan/ ſo muͤſt ihr ja bekennen/ daß ſie beydes verſtaͤndiger und kuͤnſtlicher ſeyn/ als ihr Menſchen ſelbſt: Wer ſagt den Sommer-voͤgeln/ wann ſie gegen dem Fruͤhling zu uns kommen/ und Jungen hecken? und gegen dem Herbſt/ wann ſie ſich wieder von dannen in die warme Laͤnder verfuͤ- gen ſollen? Wer unterꝛichtet ſie/ daß ſie zu ſolchem End einen Sammelplatz beſtimmen muͤſſen? Wer fuͤhret ſie/ oder wer weiſet ihnen den Weg/ oder ley- het ihr Menſchen vielleicht ihnen euern See-Com- paß/ damit ſie unterwegs nicht irꝛ fahren? Nein/ ihr liebe Leut/ ſie wiſſen den Weg ohne euch/ und wie lang ſie darauff muͤſſen wandern/ auch wann ſie von einem und dem andern Ort auffdrechen muͤſſen; be- doͤrffen alſo weder eures Compaſſes noch eures Ca- lenders. Ferners beſchauet die muͤhſame Spinn/ de- ren Geweb bey nahe ein Wunderwerck iſt! Sehet/ ob ihr auch einen einigen Knopff in aller ihrer Arbeit finden moͤget? Welcher Jaͤger oder Fiſcher hat ſie gelehret/ wie ſie ihr Netz außſpannen/ und ſich/ je nachdem ſie ſich eines Netzes gebraucht/ ihr Wild- bret zu belauſtern/ entweder in den hinderſten Win- ckel/ oder gar in das Centrum ihres Gewebs ſetzen ſolle? Jhr Menſchen verwundert euch uͤber den Ra- ben/ von welchem Plutarchus bezeugt/ daß er ſo viel Stein in ein Geſchirꝛ/ ſo halb voll Waſſer geweſen/ geworffen/ biß das Waſſer ſo wett oben geſtanden/ daß er bequemlich hab trincken moͤgen: Was wuͤrdet ihr

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Der angegebene Verlag (Fillion) ist fiktiv. Die k… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/174
Zitationshilfe: German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/174>, abgerufen am 21.11.2024.