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German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.

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Erstes Buch.
in dem Studio legum und allen andern Künsten und
Wissenschafften/ so viel in der Welt seyn/ auch ver-
siehen; Ja ich war so perfect und vollkommen in der
Unwissenheit/ daß mir unmüglich war zu wissen/ daß
ich so gar nichts wuste. Jch sage noch einmal/ O ed-
les Leben/ das ich damals führete! Aber mein Knan
wolte mich solche Glückseeligkeit nicht länger genies-
sen lassen/ sondern schätzte billich seyn/ daß ich mei-
ner Adelichen Geburt gemäß/ auch Adelich thun
und leben solte/ derowegen fienge er an/ mich zu hö-
hern Dingen anzuziehen/ und mir schwerere Lectio-
nes
auffzugeben.

Das II. Capitel.

ER begabte mich mit der herrlichsten Dignität/ so
sich nicht allein bey seiner Hofhaltung/ sondern
auch in der gantzen Welt befande/ nemlich mit dem
Hirten-Ampt: Er vertraut mir erstlich seine Säu/
zweytens seine Ziegen/ und zuletzt seine gantze Heerd
Schaf/ daß ich selbige hüten/ waiden/ und vermittelst
meiner Sackpfeiffen (welcher Klang ohne das/ wie
Strabo schreibet/ die Schaf und Lämmer in Arabia
fett macht) vor dem Wolff beschützen solte; damal
gleichete ich wol dem David/ ausser daß jener/ an statt
der Sackpfeiffe/ nur eine Harpffe hatte/ welches kein
schlimmer Anfang/ sondern ein gut Omen für mich
war/ daß ich noch mit der Zeit/ wann ich anders das
Glück darzu hätte/ ein Weltberühmter Mann wer-
den solte; dann von Anbegin der Welt seynd jeweils
hohe Personen Hirten gewesen/ wie wir dann vom
Abel/ Abraham/ Jsaac/ Jacob/ seinen Söhnen/ und
Moyse selbst/ in H. Schrifft lesen/ welcher zuvor sei-
nes Schwehers Schaf hüten muste/ ehe er Heer-

führer
A vj

Erſtes Buch.
in dem Studio legum und allen andern Kuͤnſten und
Wiſſenſchafften/ ſo viel in der Welt ſeyn/ auch ver-
ſiehen; Ja ich war ſo perfect und vollkommen in der
Unwiſſenheit/ daß mir unmuͤglich war zu wiſſen/ daß
ich ſo gar nichts wuſte. Jch ſage noch einmal/ O ed-
les Leben/ das ich damals fuͤhrete! Aber mein Knan
wolte mich ſolche Gluͤckſeeligkeit nicht laͤnger genieſ-
ſen laſſen/ ſondern ſchaͤtzte billich ſeyn/ daß ich mei-
ner Adelichen Geburt gemaͤß/ auch Adelich thun
und leben ſolte/ derowegen fienge er an/ mich zu hoͤ-
hern Dingen anzuziehen/ und mir ſchwerere Lectio-
nes
auffzugeben.

Das II. Capitel.

ER begabte mich mit der herꝛlichſten Dignitaͤt/ ſo
ſich nicht allein bey ſeiner Hofhaltung/ ſondern
auch in der gantzen Welt befande/ nemlich mit dem
Hirten-Ampt: Er vertraut mir erſtlich ſeine Saͤu/
zweytens ſeine Ziegen/ und zuletzt ſeine gantze Heerd
Schaf/ daß ich ſelbige huͤten/ waiden/ und vermittelſt
meiner Sackpfeiffen (welcher Klang ohne das/ wie
Strabo ſchreibet/ die Schaf und Laͤmmer in Arabia
fett macht) vor dem Wolff beſchuͤtzen ſolte; damal
gleichete ich wol dem David/ auſſer daß jener/ an ſtatt
der Sackpfeiffe/ nur eine Harpffe hatte/ welches kein
ſchlimmer Anfang/ ſondern ein gut Omen fuͤr mich
war/ daß ich noch mit der Zeit/ wann ich anders das
Gluͤck darzu haͤtte/ ein Weltberuͤhmter Mann wer-
den ſolte; dann von Anbegin der Welt ſeynd jeweils
hohe Perſonen Hirten geweſen/ wie wir dann vom
Abel/ Abraham/ Jſaac/ Jacob/ ſeinen Soͤhnen/ und
Moyſe ſelbſt/ in H. Schrifft leſen/ welcher zuvor ſei-
nes Schwehers Schaf huͤten muſte/ ehe er Heer-

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[11/0017] Erſtes Buch. in dem Studio legum und allen andern Kuͤnſten und Wiſſenſchafften/ ſo viel in der Welt ſeyn/ auch ver- ſiehen; Ja ich war ſo perfect und vollkommen in der Unwiſſenheit/ daß mir unmuͤglich war zu wiſſen/ daß ich ſo gar nichts wuſte. Jch ſage noch einmal/ O ed- les Leben/ das ich damals fuͤhrete! Aber mein Knan wolte mich ſolche Gluͤckſeeligkeit nicht laͤnger genieſ- ſen laſſen/ ſondern ſchaͤtzte billich ſeyn/ daß ich mei- ner Adelichen Geburt gemaͤß/ auch Adelich thun und leben ſolte/ derowegen fienge er an/ mich zu hoͤ- hern Dingen anzuziehen/ und mir ſchwerere Lectio- nes auffzugeben. Das II. Capitel. ER begabte mich mit der herꝛlichſten Dignitaͤt/ ſo ſich nicht allein bey ſeiner Hofhaltung/ ſondern auch in der gantzen Welt befande/ nemlich mit dem Hirten-Ampt: Er vertraut mir erſtlich ſeine Saͤu/ zweytens ſeine Ziegen/ und zuletzt ſeine gantze Heerd Schaf/ daß ich ſelbige huͤten/ waiden/ und vermittelſt meiner Sackpfeiffen (welcher Klang ohne das/ wie Strabo ſchreibet/ die Schaf und Laͤmmer in Arabia fett macht) vor dem Wolff beſchuͤtzen ſolte; damal gleichete ich wol dem David/ auſſer daß jener/ an ſtatt der Sackpfeiffe/ nur eine Harpffe hatte/ welches kein ſchlimmer Anfang/ ſondern ein gut Omen fuͤr mich war/ daß ich noch mit der Zeit/ wann ich anders das Gluͤck darzu haͤtte/ ein Weltberuͤhmter Mann wer- den ſolte; dann von Anbegin der Welt ſeynd jeweils hohe Perſonen Hirten geweſen/ wie wir dann vom Abel/ Abraham/ Jſaac/ Jacob/ ſeinen Soͤhnen/ und Moyſe ſelbſt/ in H. Schrifft leſen/ welcher zuvor ſei- nes Schwehers Schaf huͤten muſte/ ehe er Heer- fuͤhrer A vj

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Zitationshilfe: German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/17>, abgerufen am 28.12.2024.