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German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.

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Viertes Buch.
solcher Leib/ mit welchem unsere gantze Nation pran-
gen kan/ jetzt schon sterben solte/ Er wird mehr Er-
getzung finden/ als er sich sein Tag niemals einbilden
dörffen. Wie sie meine Einwilligung hatte/ ruffte sie
Jean und Piere, diese tratten alsobald/ jeder in vollem
plancken Küriß/ von der Scheidel biß auff die Fuß-
solen gewaffnet/ mit einer Helleparten und Pistol in
der Hand/ hinder einer Tapezerey herfür/ darvon ich
dergestalt erschrack/ daß ich mich gantz entfärbte; die
Alte nam solches wahr/ und sagte lächlend: Man
muß sich so nit förchten/ wenn man zum Frauenzim-
mer gehet/ befohl darauff ihnen beyden/ sie solten ih-
ren Harnisch ablegen/ die Latern nehmen/ und nur
mit ihren Pistolen mit gehen/ demnach streiffte sie mir
die Kappe/ die von schwartzem Sammet war/ übern
Kopff/ trug meinen Hut unterm Arm/ und führet
mich durch seltzame Weg an der Hand: Jch spürte
wol/ daß ich durch viel Thüren/ und auch über einen
gepflasterten Weg passirte/ endlich muste ich etwan
nach einer halben Viertelstund eine kleine steinerne
Stegen steigen/ da thät sich ein klein Thürlein auff/
von dannen kam ich über einen besetzten Gang/ und
muste eine Windelstegen hinauff/ folgends etliche
Staffeln wieder hinab/ allda sich etwa sechs Schritt
weiters eine Thür öffnet/ als ich endlich durch solche
kam/ zog mir die Alte die Kappe wieder herunder/
da befand ich mich in einem Saal/ der da überauß
zierlich auffgebutzet war/ die Wände waren mit
schönen Gemählden/ das Trysur mit Silber-Ge-
schirr/ und das Bett so darinnen stunde/ mit Umb-
hängen von güldenen Stücken geziert; Jn der Mit-
ten stunde der Tisch prächtig gedeckt/ und bey dem

Feur

Viertes Buch.
ſolcher Leib/ mit welchem unſere gantze Nation pran-
gen kan/ jetzt ſchon ſterben ſolte/ Er wird mehr Er-
getzung finden/ als er ſich ſein Tag niemals einbilden
doͤrffen. Wie ſie meine Einwilligung hatte/ ruffte ſie
Jean und Piere, dieſe tratten alſobald/ jeder in vollem
plancken Kuͤriß/ von der Scheidel biß auff die Fuß-
ſolen gewaffnet/ mit einer Helleparten und Piſtol in
der Hand/ hinder einer Tapezerey herfuͤr/ darvon ich
dergeſtalt erſchrack/ daß ich mich gantz entfaͤrbte; die
Alte nam ſolches wahr/ und ſagte laͤchlend: Man
muß ſich ſo nit foͤrchten/ wenn man zum Frauenzim-
mer gehet/ befohl darauff ihnen beyden/ ſie ſolten ih-
ren Harniſch ablegen/ die Latern nehmen/ und nur
mit ihren Piſtolen mit gehen/ demnach ſtreiffte ſie mir
die Kappe/ die von ſchwartzem Sam̃et war/ uͤbern
Kopff/ trug meinen Hut unterm Arm/ und fuͤhret
mich durch ſeltzame Weg an der Hand: Jch ſpuͤrte
wol/ daß ich durch viel Thuͤren/ und auch uͤber einen
gepflaſterten Weg paſſirte/ endlich muſte ich etwan
nach einer halben Viertelſtund eine kleine ſteinerne
Stegen ſteigen/ da thaͤt ſich ein klein Thuͤrlein auff/
von dannen kam ich uͤber einen beſetzten Gang/ und
muſte eine Windelſtegen hinauff/ folgends etliche
Staffeln wieder hinab/ allda ſich etwa ſechs Schritt
weiters eine Thuͤr oͤffnet/ als ich endlich durch ſolche
kam/ zog mir die Alte die Kappe wieder herunder/
da befand ich mich in einem Saal/ der da uͤberauß
zierlich auffgebutzet war/ die Waͤnde waren mit
ſchoͤnen Gemaͤhlden/ das Tryſur mit Silber-Ge-
ſchirꝛ/ und das Bett ſo darinnen ſtunde/ mit Umb-
haͤngen von guͤldenen Stuͤcken geziert; Jn der Mit-
ten ſtunde der Tiſch praͤchtig gedeckt/ und bey dem

Feur
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[403/0409] Viertes Buch. ſolcher Leib/ mit welchem unſere gantze Nation pran- gen kan/ jetzt ſchon ſterben ſolte/ Er wird mehr Er- getzung finden/ als er ſich ſein Tag niemals einbilden doͤrffen. Wie ſie meine Einwilligung hatte/ ruffte ſie Jean und Piere, dieſe tratten alſobald/ jeder in vollem plancken Kuͤriß/ von der Scheidel biß auff die Fuß- ſolen gewaffnet/ mit einer Helleparten und Piſtol in der Hand/ hinder einer Tapezerey herfuͤr/ darvon ich dergeſtalt erſchrack/ daß ich mich gantz entfaͤrbte; die Alte nam ſolches wahr/ und ſagte laͤchlend: Man muß ſich ſo nit foͤrchten/ wenn man zum Frauenzim- mer gehet/ befohl darauff ihnen beyden/ ſie ſolten ih- ren Harniſch ablegen/ die Latern nehmen/ und nur mit ihren Piſtolen mit gehen/ demnach ſtreiffte ſie mir die Kappe/ die von ſchwartzem Sam̃et war/ uͤbern Kopff/ trug meinen Hut unterm Arm/ und fuͤhret mich durch ſeltzame Weg an der Hand: Jch ſpuͤrte wol/ daß ich durch viel Thuͤren/ und auch uͤber einen gepflaſterten Weg paſſirte/ endlich muſte ich etwan nach einer halben Viertelſtund eine kleine ſteinerne Stegen ſteigen/ da thaͤt ſich ein klein Thuͤrlein auff/ von dannen kam ich uͤber einen beſetzten Gang/ und muſte eine Windelſtegen hinauff/ folgends etliche Staffeln wieder hinab/ allda ſich etwa ſechs Schritt weiters eine Thuͤr oͤffnet/ als ich endlich durch ſolche kam/ zog mir die Alte die Kappe wieder herunder/ da befand ich mich in einem Saal/ der da uͤberauß zierlich auffgebutzet war/ die Waͤnde waren mit ſchoͤnen Gemaͤhlden/ das Tryſur mit Silber-Ge- ſchirꝛ/ und das Bett ſo darinnen ſtunde/ mit Umb- haͤngen von guͤldenen Stuͤcken geziert; Jn der Mit- ten ſtunde der Tiſch praͤchtig gedeckt/ und bey dem Feur

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Zitationshilfe: German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 403. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/409>, abgerufen am 26.11.2024.