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Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von: Continuatio des abentheurlichen Simplicissimi Oder Der Schluß desselben. Nürnberg, 1669.

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kommen/ und etwas zu prosperirn und sich der gegen-
wertigen Gelegenheit zubedienen/ die ihm sein ver-
thunlicher Herr an die Hand gab; jedoch unterliesse
der jnnerliche Wächter das Liecht der Vernunfft/
der Zeüg der nimmer gar stillschweigt/ nemblich das
Gewissen indessen nicht/ einem jeden seine Fehler
zeitlich genug vorzuhalten/ und ihm eines andern
zuerinnern.

Gemach! gemach! wurde zu dem Iulo gespro-
chen/ halte ein das jenig so ohnnützlich zuverschwen-
den/ welches deine vorderen villeicht mit saurer
Mühe und Arbeit: Ja villeicht mit Verlust ihrer
Seeligkeit erworben: und dir so getreulich vorge-
spart haben; vilmehr lege es also an/ damit du
künfftig deßwegen beydes vor GOtt/ der erbarn
Welt: und deinen nachkommen bestehen und rechen-
schafft darumb geben mögest! etc. Aber diesem und
dergleichen heylsamen Erinnerungen oder jnnerlichen
guten Einsprechung die Iulum zur Mässigkeit
reitzen wolten/ wurde geantwortet/ was! ich bin
kein Bernheuter noch Schimmel-Jud sonder ein Ca-
valier;
solte ich meine adeliche Exercitia in Gestalt
eines Bettelhunds oder Schurcken begreiffen? nain
das ist nit der Gebrauch noch herkommens! ich bin
nit hier Hunger und Durst zuleyden vil weniger wie
ein alter karger Filtz zuschachern/ sonder als ein
rechtschaffner Kerl von meinen Renten zuleben!
wann aber die gute Einfäll/ die er melancholische
Gedancken zunennen pflegte/ auff solche Gegen-
würff dannoch nit ablassen wolten/ ihn auffs beste
zuermahnen; so lieste er ihm das Lied/ last uns vnser
Tag geniessen/ GOtt weiß wo wir Morgen seyn etc.
auffspilen/ oder besuchte das Frauenzimmer/ oder

sonst
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kom̃en/ und etwas zu proſperirn und ſich der gegen-
wertigen Gelegenheit zubedienen/ die ihm ſein ver-
thunlicher Herꝛ an die Hand gab; jedoch unterlieſſe
der jnnerliche Waͤchter das Liecht der Vernunfft/
der Zeuͤg der nim̃er gar ſtillſchweigt/ nemblich das
Gewiſſen indeſſen nicht/ einem jeden ſeine Fehler
zeitlich genug vorzuhalten/ und ihm eines andern
zuerinnern.

Gemach! gemach! wurde zu dem Iulo geſpro-
chen/ halte ein das jenig ſo ohnnuͤtzlich zuverſchwen-
den/ welches deine vorderen villeicht mit ſaurer
Muͤhe und Arbeit: Ja villeicht mit Verluſt ihrer
Seeligkeit erworben: und dir ſo getreulich vorge-
ſpart haben; vilmehr lege es alſo an/ damit du
kuͤnfftig deßwegen beydes vor GOtt/ der erbarn
Welt: und deinen nachkom̃en beſtehen und rechen-
ſchafft darumb geben moͤgeſt! ꝛc. Aber dieſem und
dergleichen heylſamen Erinnerungen oder jnnerlichẽ
guten Einſprechung die Iulum zur Maͤſſigkeit
reitzen wolten/ wurde geantwortet/ was! ich bin
kein Bernheuter noch Schim̃el-Jud ſonder ein Ca-
valier;
ſolte ich meine adeliche Exercitia in Geſtalt
eines Bettelhunds oder Schurcken begreiffen? nain
das iſt nit der Gebrauch noch herkom̃ens! ich bin
nit hier Hunger und Durſt zuleyden vil weniger wie
ein alter karger Filtz zuſchachern/ ſonder als ein
rechtſchaffner Kerl von meinen Renten zuleben!
wann aber die gute Einfaͤll/ die er melancholiſche
Gedancken zunennen pflegte/ auff ſolche Gegen-
wuͤrff dannoch nit ablaſſen wolten/ ihn auffs beſte
zuermahnen; ſo lieſte er ihm das Lied/ laſt uns vnſer
Tag genieſſen/ GOtt weiß wo wir Morgen ſeyn ꝛc.
auffſpilen/ oder beſuchte das Frauenzimmer/ oder

ſonſt
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Zitationshilfe: Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von: Continuatio des abentheurlichen Simplicissimi Oder Der Schluß desselben. Nürnberg, 1669, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_continuatio_1669/41>, abgerufen am 24.11.2024.