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Grimm, Albert Ludwig: Die malerischen und romantischen Stellen des Odenwaldes. Darmstadt, 1843.

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konnte. Auf der andern Seite befand sich ein sehr fester Zwingerthurm mit einem tief unter die Erde gehenden Burgverlies. Man erkennt aus diesen Resten, dass das Schloss Freienstein einst sehr fest gewesen sein musste, und dass seine Bewohner frei von Furcht und Gefahr hier wohnen konnten. Manche wollen davon den Namen ableiten. Die Bauart der Wohngebäude ist unregelmässig und planlos. Es scheint beinahe, dass sie einst ein Ganerbenhaus gewesen, in welchem die verschiedenen Theilhaber, jeder nach eigenem Bedürfniss und Bequemlichkeit, ohne Rücksicht auf die übrigen oder auf das Ganze, gebaut haben.

Von dem Entstehen der Burg und ihren früheren Schicksalen ist uns nichts Näheres bekannt. Sie ist schon längst Eigenthum der Grafen von Erbach, und an einem der Wohngebäude befindet sich auch das Erbachische Wappen aus dem dreizehnten oder vierzehnten Jahrhundert. Wie es an das Haus Erbach gekommen, ist nicht nachzuweisen. Weil es aber an einer Stelle liegt, die nicht zu der Waldmark des Klosters Lorsch gehörte, schliesst man wohl nicht mit Unrecht, dass es von diesem Kloster an die Pfalz, und von dieser als Lehen an die Schenke von Erbach gekommen sein möge.

In der Mitte des vierzehnten Jahrhunderts bestand eine edle Familie, die sich nach dem Schlosse benannte. Sie scheint zu den Burgmännern desselben gehört zu haben, und besass dafür ein Burglehen in dem nicht ferne gelegenen Sensbach.

In späteren Zeiten war ein Erbachisches Amt darnach benannt, wozu ausser dem Dorfe Gammelsbach auch Berfelden, Elzhain, Falkengesäss, Finkenbach, Gelnbach, Hesselbach, Hetschbach, Schellenbach, Sensbach und Olfen gehörten.

Unterhalb Gammelsbach fliesst der Bach an den schönen Buchenwaldungen Eberbachs vorbei und ergiesst sich endlich eine Viertelstunde unterhalb Eberbach in den Neckar.



konnte. Auf der andern Seite befand sich ein sehr fester Zwingerthurm mit einem tief unter die Erde gehenden Burgverlies. Man erkennt aus diesen Resten, dass das Schloss Freienstein einst sehr fest gewesen sein musste, und dass seine Bewohner frei von Furcht und Gefahr hier wohnen konnten. Manche wollen davon den Namen ableiten. Die Bauart der Wohngebäude ist unregelmässig und planlos. Es scheint beinahe, dass sie einst ein Ganerbenhaus gewesen, in welchem die verschiedenen Theilhaber, jeder nach eigenem Bedürfniss und Bequemlichkeit, ohne Rücksicht auf die übrigen oder auf das Ganze, gebaut haben.

Von dem Entstehen der Burg und ihren früheren Schicksalen ist uns nichts Näheres bekannt. Sie ist schon längst Eigenthum der Grafen von Erbach, und an einem der Wohngebäude befindet sich auch das Erbachische Wappen aus dem dreizehnten oder vierzehnten Jahrhundert. Wie es an das Haus Erbach gekommen, ist nicht nachzuweisen. Weil es aber an einer Stelle liegt, die nicht zu der Waldmark des Klosters Lorsch gehörte, schliesst man wohl nicht mit Unrecht, dass es von diesem Kloster an die Pfalz, und von dieser als Lehen an die Schenke von Erbach gekommen sein möge.

In der Mitte des vierzehnten Jahrhunderts bestand eine edle Familie, die sich nach dem Schlosse benannte. Sie scheint zu den Burgmännern desselben gehört zu haben, und besass dafür ein Burglehen in dem nicht ferne gelegenen Sensbach.

In späteren Zeiten war ein Erbachisches Amt darnach benannt, wozu ausser dem Dorfe Gammelsbach auch Berfelden, Elzhain, Falkengesäss, Finkenbach, Gelnbach, Hesselbach, Hetschbach, Schellenbach, Sensbach und Olfen gehörten.

Unterhalb Gammelsbach fliesst der Bach an den schönen Buchenwaldungen Eberbachs vorbei und ergiesst sich endlich eine Viertelstunde unterhalb Eberbach in den Neckar.



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          <p>Von dem Entstehen der Burg und ihren früheren Schicksalen ist uns nichts Näheres bekannt. Sie ist schon längst Eigenthum der Grafen von Erbach, und an einem der Wohngebäude befindet sich auch das Erbachische Wappen aus dem dreizehnten oder vierzehnten Jahrhundert. Wie es an das Haus Erbach gekommen, ist nicht nachzuweisen. Weil es aber an einer Stelle liegt, die nicht zu der Waldmark des Klosters Lorsch gehörte, schliesst man wohl nicht mit Unrecht, dass es von diesem Kloster an die Pfalz, und von dieser als Lehen an die Schenke von Erbach gekommen sein möge.</p>
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[71/0071] konnte. Auf der andern Seite befand sich ein sehr fester Zwingerthurm mit einem tief unter die Erde gehenden Burgverlies. Man erkennt aus diesen Resten, dass das Schloss Freienstein einst sehr fest gewesen sein musste, und dass seine Bewohner frei von Furcht und Gefahr hier wohnen konnten. Manche wollen davon den Namen ableiten. Die Bauart der Wohngebäude ist unregelmässig und planlos. Es scheint beinahe, dass sie einst ein Ganerbenhaus gewesen, in welchem die verschiedenen Theilhaber, jeder nach eigenem Bedürfniss und Bequemlichkeit, ohne Rücksicht auf die übrigen oder auf das Ganze, gebaut haben. Von dem Entstehen der Burg und ihren früheren Schicksalen ist uns nichts Näheres bekannt. Sie ist schon längst Eigenthum der Grafen von Erbach, und an einem der Wohngebäude befindet sich auch das Erbachische Wappen aus dem dreizehnten oder vierzehnten Jahrhundert. Wie es an das Haus Erbach gekommen, ist nicht nachzuweisen. Weil es aber an einer Stelle liegt, die nicht zu der Waldmark des Klosters Lorsch gehörte, schliesst man wohl nicht mit Unrecht, dass es von diesem Kloster an die Pfalz, und von dieser als Lehen an die Schenke von Erbach gekommen sein möge. In der Mitte des vierzehnten Jahrhunderts bestand eine edle Familie, die sich nach dem Schlosse benannte. Sie scheint zu den Burgmännern desselben gehört zu haben, und besass dafür ein Burglehen in dem nicht ferne gelegenen Sensbach. In späteren Zeiten war ein Erbachisches Amt darnach benannt, wozu ausser dem Dorfe Gammelsbach auch Berfelden, Elzhain, Falkengesäss, Finkenbach, Gelnbach, Hesselbach, Hetschbach, Schellenbach, Sensbach und Olfen gehörten. Unterhalb Gammelsbach fliesst der Bach an den schönen Buchenwaldungen Eberbachs vorbei und ergiesst sich endlich eine Viertelstunde unterhalb Eberbach in den Neckar.

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Zitationshilfe: Grimm, Albert Ludwig: Die malerischen und romantischen Stellen des Odenwaldes. Darmstadt, 1843, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_odenwald_1843/71>, abgerufen am 21.11.2024.