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Grimm, Albert Ludwig: Die malerischen und romantischen Stellen des Odenwaldes. Darmstadt, 1843.

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kam. Graf Heinrich von Spanheim erhielt im Jahre 1360 von Kaiser Karl IV. für das Schloss und Thal alle Rechte und Freiheiten der ungefähr dritthalb Stunden gegen Süden gelegenen Stadt Lindenfels. Nach seinem Tode fiel aber diese Besitzung wieder an die Grafen von Katzenelnbogen zurück.

Im dreissigjährigen Kriege war diese Gegend ein Schauplatz mancher Gräuel. Retter hat in seinen "Hessischen Nachrichten" theils aus Kirchenbüchern und andern glaubwürdigen Nachrichten, theils aus eigener Erfahrung, meistentheils aber aus den Aufzeichnungen des Pfarrers Mink in Grossbiberau die Begebenheiten jener traurigen Zeit in dieser Gegend zusammengestellt. Wir entheben seiner Zusammenstellung folgende Notizen.

Als der Graf von Mansfeld im Jahre 1622 mit 16000 Mann in Darmstadt einrückte, bei welcher Gelegenheit der Landgraf Ludwig und sein Sohn Johann als Gefangene abgeführt wurden, plünderte sein Heer die Stadt und die ganze Gegend. Nur Lichtenberg und Rüsselsheim blieben verschont. - Der Landgraf Ludwig der Treue wurde später wieder aus seiner Gefangenschaft entlassen und scheint sich zuweilen auf Lichtenberg aufgehalten zu haben, wahrscheinlich weil man sich dort sicherer glaubte, als in Darmstadt. Im Jahre 1625 machte er auch dort sein Testament.

Auch Landgraf Georg II. flüchtete im Jahre 1630 nach dem Schlosse Lichtenberg mit seinem Hofstaate und der Kanzlei, um der in Darmstadt grassirenden "Pest" auszuweichen, und von hier schrieb er sechs grosse Fast- Buss- und Bettage für das Land aus.

Im Jahre 1634 war diese Gegend nach der Schlacht bei Nördlingen der Schauplatz des allgemeinen Raubes und der Plünderung. Freund und Feind nahm, was er fand, so dass "weder Vieh noch Pferd, Schwein, Federvieh oder dergleichen in Städten und Dörfern überblieb. Bald fielen die Schweden über den Rhein herüber, und jagten die Kaiserlichen aus ihrem Quartier, bald jagten diese hinwieder jene hinaus. Dadurch wurde denn das ganze Land zwischen Main und Rhein gar sehr erschöpft, und es durfte sich kein Mensch auf dem Lande blicken lassen, sonst wurde ihm nachgejagt wie einem Wild, und da er ergriffen, unbarmherzig geschlagen, und um Verrathung, Geld, Vieh oder Pferd

kam. Graf Heinrich von Spanheim erhielt im Jahre 1360 von Kaiser Karl IV. für das Schloss und Thal alle Rechte und Freiheiten der ungefähr dritthalb Stunden gegen Süden gelegenen Stadt Lindenfels. Nach seinem Tode fiel aber diese Besitzung wieder an die Grafen von Katzenelnbogen zurück.

Im dreissigjährigen Kriege war diese Gegend ein Schauplatz mancher Gräuel. Retter hat in seinen „Hessischen Nachrichten“ theils aus Kirchenbüchern und andern glaubwürdigen Nachrichten, theils aus eigener Erfahrung, meistentheils aber aus den Aufzeichnungen des Pfarrers Mink in Grossbiberau die Begebenheiten jener traurigen Zeit in dieser Gegend zusammengestellt. Wir entheben seiner Zusammenstellung folgende Notizen.

Als der Graf von Mansfeld im Jahre 1622 mit 16000 Mann in Darmstadt einrückte, bei welcher Gelegenheit der Landgraf Ludwig und sein Sohn Johann als Gefangene abgeführt wurden, plünderte sein Heer die Stadt und die ganze Gegend. Nur Lichtenberg und Rüsselsheim blieben verschont. – Der Landgraf Ludwig der Treue wurde später wieder aus seiner Gefangenschaft entlassen und scheint sich zuweilen auf Lichtenberg aufgehalten zu haben, wahrscheinlich weil man sich dort sicherer glaubte, als in Darmstadt. Im Jahre 1625 machte er auch dort sein Testament.

Auch Landgraf Georg II. flüchtete im Jahre 1630 nach dem Schlosse Lichtenberg mit seinem Hofstaate und der Kanzlei, um der in Darmstadt grassirenden „Pest“ auszuweichen, und von hier schrieb er sechs grosse Fast- Buss- und Bettage für das Land aus.

Im Jahre 1634 war diese Gegend nach der Schlacht bei Nördlingen der Schauplatz des allgemeinen Raubes und der Plünderung. Freund und Feind nahm, was er fand, so dass „weder Vieh noch Pferd, Schwein, Federvieh oder dergleichen in Städten und Dörfern überblieb. Bald fielen die Schweden über den Rhein herüber, und jagten die Kaiserlichen aus ihrem Quartier, bald jagten diese hinwieder jene hinaus. Dadurch wurde denn das ganze Land zwischen Main und Rhein gar sehr erschöpft, und es durfte sich kein Mensch auf dem Lande blicken lassen, sonst wurde ihm nachgejagt wie einem Wild, und da er ergriffen, unbarmherzig geschlagen, und um Verrathung, Geld, Vieh oder Pferd

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[37/0037] kam. Graf Heinrich von Spanheim erhielt im Jahre 1360 von Kaiser Karl IV. für das Schloss und Thal alle Rechte und Freiheiten der ungefähr dritthalb Stunden gegen Süden gelegenen Stadt Lindenfels. Nach seinem Tode fiel aber diese Besitzung wieder an die Grafen von Katzenelnbogen zurück. Im dreissigjährigen Kriege war diese Gegend ein Schauplatz mancher Gräuel. Retter hat in seinen „Hessischen Nachrichten“ theils aus Kirchenbüchern und andern glaubwürdigen Nachrichten, theils aus eigener Erfahrung, meistentheils aber aus den Aufzeichnungen des Pfarrers Mink in Grossbiberau die Begebenheiten jener traurigen Zeit in dieser Gegend zusammengestellt. Wir entheben seiner Zusammenstellung folgende Notizen. Als der Graf von Mansfeld im Jahre 1622 mit 16000 Mann in Darmstadt einrückte, bei welcher Gelegenheit der Landgraf Ludwig und sein Sohn Johann als Gefangene abgeführt wurden, plünderte sein Heer die Stadt und die ganze Gegend. Nur Lichtenberg und Rüsselsheim blieben verschont. – Der Landgraf Ludwig der Treue wurde später wieder aus seiner Gefangenschaft entlassen und scheint sich zuweilen auf Lichtenberg aufgehalten zu haben, wahrscheinlich weil man sich dort sicherer glaubte, als in Darmstadt. Im Jahre 1625 machte er auch dort sein Testament. Auch Landgraf Georg II. flüchtete im Jahre 1630 nach dem Schlosse Lichtenberg mit seinem Hofstaate und der Kanzlei, um der in Darmstadt grassirenden „Pest“ auszuweichen, und von hier schrieb er sechs grosse Fast- Buss- und Bettage für das Land aus. Im Jahre 1634 war diese Gegend nach der Schlacht bei Nördlingen der Schauplatz des allgemeinen Raubes und der Plünderung. Freund und Feind nahm, was er fand, so dass „weder Vieh noch Pferd, Schwein, Federvieh oder dergleichen in Städten und Dörfern überblieb. Bald fielen die Schweden über den Rhein herüber, und jagten die Kaiserlichen aus ihrem Quartier, bald jagten diese hinwieder jene hinaus. Dadurch wurde denn das ganze Land zwischen Main und Rhein gar sehr erschöpft, und es durfte sich kein Mensch auf dem Lande blicken lassen, sonst wurde ihm nachgejagt wie einem Wild, und da er ergriffen, unbarmherzig geschlagen, und um Verrathung, Geld, Vieh oder Pferd

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Zitationshilfe: Grimm, Albert Ludwig: Die malerischen und romantischen Stellen des Odenwaldes. Darmstadt, 1843, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_odenwald_1843/37>, abgerufen am 25.04.2024.