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Grimm, Jacob: Über den altdeutschen Meistergesang. Göttingen, 1811.

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dürfen, daß unter den Meistern auch Kränze und Lorbeerzweige
dem Sieger ausgetheilt worden. Von dem Urtheil dabei, von
der Kure spricht der Dichter ausdrücklich, und die Gloßen im
schwarzen Buch können freilich auch allgemein genommen wer-
den, warum aber sollen wir nicht an eine bestimmte Sitte der
Meistersänger, das Schulbüchlein oder Codicill, denken dürfen?

5. Werner von Tuifen, (1. 45. in s. letzten Lied,) vermuth-
lich einer von Docens Nichtmeistersingern, legt ein Spiel,
ein Räthsel vor, und sagt dabei: "nun merket alle Meister
was es sey!" -- Er scheint in Gegenwart von andern Mei-
stern gesungen zu haben.

6. Auch nach einem Liede Walters 1. 120. ist anzunehmen,
daß gewisse Tage zur Zusammenkunft 73) angesetzt wurden.
"Wann Sanges tag komme, solle man ihn schon singen hö-
ren, er singe nicht, es wolle denn tagen." Oder will man

73) Sollte zu der ersten Idee solcher Zusammenkünfte der Sänger
untereinander nicht auch die alte Sitte der Kirchensänger mit-
gewirkt haben, weiche eine Schule bildeten, und von denen
Gerbert (1. 294.) sagt: vivebant in communi et habebant
primicerium.
Man denke hierbei an die Geistlichen unter den
alten Meistersingern, an den Mönch von Salzburg, Bruder
Eberhard, Bruder Werner, den Abt Sighart, (bei Vogt) u.
den räthselhaften Klinsor, der selbst ein Meisterpsaff heißt. Und
Gervelyn CCIV. spricht ausdrücklich von den Tönen der Pfaf-
fen, so wie sich Rumelant CCCV. über sie aufhält. In der
That läßt sich auch an einigen Zusammenhang des Meisterges,
mit der gelehrten Musik nicht zweifeln und manches Termino-
logische der alten Meister nur auf diesem Weg erklären. Wenn
z. B. Walter (1. 205.) von dreierlei Gesang, von dem hohen,
niedern
und dem Mittelschwank spricht, so versteht er
gerade das nämliche darunter, was 400 Jahr später der bekannte
Filip Zesen, der in seinem Gedicht an die überirdische Rose-
mund (Amsterd. 1645. S. 302.) von der Nachtigall sagt: "bald
brummet sie den Grund und zieht den Mittelschall, bald hoch,
bald über hoch." Cf. Titurel 3561. von kleinen, großen und
mittelmäßigen Saiten.

duͤrfen, daß unter den Meiſtern auch Kraͤnze und Lorbeerzweige
dem Sieger ausgetheilt worden. Von dem Urtheil dabei, von
der Kure ſpricht der Dichter ausdruͤcklich, und die Gloßen im
ſchwarzen Buch koͤnnen freilich auch allgemein genommen wer-
den, warum aber ſollen wir nicht an eine beſtimmte Sitte der
Meiſterſaͤnger, das Schulbuͤchlein oder Codicill, denken duͤrfen?

5. Werner von Tuifen, (1. 45. in ſ. letzten Lied,) vermuth-
lich einer von Docens Nichtmeiſterſingern, legt ein Spiel,
ein Raͤthſel vor, und ſagt dabei: „nun merket alle Meiſter
was es ſey!“ — Er ſcheint in Gegenwart von andern Mei-
ſtern geſungen zu haben.

6. Auch nach einem Liede Walters 1. 120. iſt anzunehmen,
daß gewiſſe Tage zur Zuſammenkunft 73) angeſetzt wurden.
„Wann Sanges tag komme, ſolle man ihn ſchon ſingen hoͤ-
ren, er ſinge nicht, es wolle denn tagen.“ Oder will man

73) Sollte zu der erſten Idee ſolcher Zuſammenkuͤnfte der Saͤnger
untereinander nicht auch die alte Sitte der Kirchenſaͤnger mit-
gewirkt haben, weiche eine Schule bildeten, und von denen
Gerbert (1. 294.) ſagt: vivebant in communi et habebant
primicerium.
Man denke hierbei an die Geiſtlichen unter den
alten Meiſterſingern, an den Moͤnch von Salzburg, Bruder
Eberhard, Bruder Werner, den Abt Sighart, (bei Vogt) u.
den raͤthſelhaften Klinſor, der ſelbſt ein Meiſterpſaff heißt. Und
Gervelyn CCIV. ſpricht ausdruͤcklich von den Toͤnen der Pfaf-
fen, ſo wie ſich Rumelant CCCV. uͤber ſie aufhaͤlt. In der
That laͤßt ſich auch an einigen Zuſammenhang des Meiſtergeſ,
mit der gelehrten Muſik nicht zweifeln und manches Termino-
logiſche der alten Meiſter nur auf dieſem Weg erklaͤren. Wenn
z. B. Walter (1. 205.) von dreierlei Geſang, von dem hohen,
niedern
und dem Mittelſchwank ſpricht, ſo verſteht er
gerade das naͤmliche darunter, was 400 Jahr ſpaͤter der bekannte
Filip Zeſen, der in ſeinem Gedicht an die uͤberirdiſche Roſe-
mund (Amſterd. 1645. S. 302.) von der Nachtigall ſagt: „bald
brummet ſie den Grund und zieht den Mittelſchall, bald hoch,
bald uͤber hoch.“ Cf. Titurel 3561. von kleinen, großen und
mittelmaͤßigen Saiten.
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[87/0097] duͤrfen, daß unter den Meiſtern auch Kraͤnze und Lorbeerzweige dem Sieger ausgetheilt worden. Von dem Urtheil dabei, von der Kure ſpricht der Dichter ausdruͤcklich, und die Gloßen im ſchwarzen Buch koͤnnen freilich auch allgemein genommen wer- den, warum aber ſollen wir nicht an eine beſtimmte Sitte der Meiſterſaͤnger, das Schulbuͤchlein oder Codicill, denken duͤrfen? 5. Werner von Tuifen, (1. 45. in ſ. letzten Lied,) vermuth- lich einer von Docens Nichtmeiſterſingern, legt ein Spiel, ein Raͤthſel vor, und ſagt dabei: „nun merket alle Meiſter was es ſey!“ — Er ſcheint in Gegenwart von andern Mei- ſtern geſungen zu haben. 6. Auch nach einem Liede Walters 1. 120. iſt anzunehmen, daß gewiſſe Tage zur Zuſammenkunft 73) angeſetzt wurden. „Wann Sanges tag komme, ſolle man ihn ſchon ſingen hoͤ- ren, er ſinge nicht, es wolle denn tagen.“ Oder will man 73) Sollte zu der erſten Idee ſolcher Zuſammenkuͤnfte der Saͤnger untereinander nicht auch die alte Sitte der Kirchenſaͤnger mit- gewirkt haben, weiche eine Schule bildeten, und von denen Gerbert (1. 294.) ſagt: vivebant in communi et habebant primicerium. Man denke hierbei an die Geiſtlichen unter den alten Meiſterſingern, an den Moͤnch von Salzburg, Bruder Eberhard, Bruder Werner, den Abt Sighart, (bei Vogt) u. den raͤthſelhaften Klinſor, der ſelbſt ein Meiſterpſaff heißt. Und Gervelyn CCIV. ſpricht ausdruͤcklich von den Toͤnen der Pfaf- fen, ſo wie ſich Rumelant CCCV. uͤber ſie aufhaͤlt. In der That laͤßt ſich auch an einigen Zuſammenhang des Meiſtergeſ, mit der gelehrten Muſik nicht zweifeln und manches Termino- logiſche der alten Meiſter nur auf dieſem Weg erklaͤren. Wenn z. B. Walter (1. 205.) von dreierlei Geſang, von dem hohen, niedern und dem Mittelſchwank ſpricht, ſo verſteht er gerade das naͤmliche darunter, was 400 Jahr ſpaͤter der bekannte Filip Zeſen, der in ſeinem Gedicht an die uͤberirdiſche Roſe- mund (Amſterd. 1645. S. 302.) von der Nachtigall ſagt: „bald brummet ſie den Grund und zieht den Mittelſchall, bald hoch, bald uͤber hoch.“ Cf. Titurel 3561. von kleinen, großen und mittelmaͤßigen Saiten.

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Über den altdeutschen Meistergesang. Göttingen, 1811, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_meistergesang_1811/97>, abgerufen am 24.11.2024.