Grimm, Jacob: Über den altdeutschen Meistergesang. Göttingen, 1811.Name selber weist (mehr davon unten) und wie es fast überall Beides nun, das Verfeinern der Form und die Wiederer- 18) Wenn Docen aus irgend einem bloßen Minnesänger eine der
nachstehenden ähnliche Stelle beibrächte, so würde er damit um so weniger gegen mich beweisen, als diese selbst von einent un- bestrittenen Meister herrührt. Conrad von Wirzburg singt 2. 207 a: "Edelsang sey eine innerliche Kunst, die nicht gelchrt werden könne, sondern von selber kommen müsse. "enselben Gedanken mit andern Worten im troj. Krieg: Der Meister, dem die Kunstregel nicht verborgen gewesen seyn kann, erkennt die höhere Nothwendigkeit innerliches Berufs. In ähnlichent Sinn sagt auch der von Morungen 1. 53, daß er durch Sang zur Welt geboren worden. Name ſelber weiſt (mehr davon unten) und wie es faſt uͤberall Beides nun, das Verfeinern der Form und die Wiederer- 18) Wenn Docen aus irgend einem bloßen Minneſaͤnger eine der
nachſtehenden aͤhnliche Stelle beibraͤchte, ſo wuͤrde er damit um ſo weniger gegen mich beweiſen, als dieſe ſelbſt von einent un- beſtrittenen Meiſter herruͤhrt. Conrad von Wirzburg ſingt 2. 207 a: 〟Edelſang ſey eine innerliche Kunſt, die nicht gelchrt werden koͤnne, ſondern von ſelber kommen muͤſſe. 〟enſelben Gedanken mit andern Worten im troj. Krieg: Der Meiſter, dem die Kunſtregel nicht verborgen geweſen ſeyn kann, erkennt die hoͤhere Nothwendigkeit innerliches Berufs. In aͤhnlichent Sinn ſagt auch der von Morungen 1. 53, daß er durch Sang zur Welt geboren worden. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0039" n="29"/> Name ſelber weiſt (mehr davon unten) und wie es faſt uͤberall<lb/> geſchieht. Was erſt allgemein geweſen, trat in ein charakteri-<lb/> ſtiſches uͤber und nahm mit der vorher nicht dageweſenen Schaͤrfe<lb/> eine eigentliche Differenz an. Die Anwendung iſt leicht zu<lb/> machen: der innere Grundbau der Lieder wurde hervorgehoben,<lb/> und ihnen zugleich eine Fuͤlle der Entfaltung gelaſſen, weßhalb<lb/> man dann die alten Meiſterlieder einmal feſter und ſtrenger,<lb/> dann auch freier und gewandter als den Volksgeſang erkennen<lb/> muß. Andrerſeits blieb die perſoͤnliche Sitte beſtehen, die Mei-<lb/> ſterſinger lebten an den Hoͤfen, und wandten ihre Kunſt auf<lb/> den Lohn der Fuͤrſten, nur iſt hier wieder entſcheidend, daß<lb/> ſich die Dichter eben ihres Kunſtmaͤßigen, Eigenthuͤmlichen be-<lb/> wußt werden und ſich darum auf einer hoͤhern Stufe glauben<lb/> mußten, um ſo mehr als vermuthlich ſchon damals die Le-<lb/> bensart der Volksſinger in der oͤffentlichen Achtung geſunken<lb/> war <note place="foot" n="18)">Wenn <hi rendition="#g">Docen</hi> aus irgend einem bloßen Minneſaͤnger eine der<lb/> nachſtehenden aͤhnliche Stelle beibraͤchte, ſo wuͤrde er damit um<lb/> ſo weniger gegen mich beweiſen, als dieſe ſelbſt von einent un-<lb/> beſtrittenen Meiſter herruͤhrt. Conrad von Wirzburg ſingt 2.<lb/> 207 <hi rendition="#sup"><hi rendition="#i">a</hi></hi>: 〟Edelſang ſey eine innerliche Kunſt, die nicht gelchrt<lb/> werden koͤnne, ſondern von ſelber kommen muͤſſe. 〟enſelben<lb/> Gedanken mit andern Worten im troj. Krieg: Der Meiſter,<lb/> dem die Kunſtregel nicht verborgen geweſen ſeyn kann, erkennt<lb/> die hoͤhere Nothwendigkeit innerliches Berufs. In aͤhnlichent<lb/> Sinn ſagt auch der von Morungen 1. 53, daß er durch Sang<lb/> zur Welt geboren worden.</note>.</p><lb/> <p>Beides nun, das Verfeinern der Form und die Wiederer-<lb/> hebung des Standes wurde befoͤrdert und veranlaßt durch ei-<lb/> nen uͤberwiegenden, aber laͤngſt zeitigen Hang zu dem ſubjecti-<lb/> ven, lyriſchen Princip. Die Zeit ſtand mitten in zwiſchen der<lb/> raſtloſen Heldenthaͤtigkeit und dem ernſten Niederſetzen und<lb/> Arbeiten des Geiſtes; es war eine ſehnende ſeelige Bewegung<lb/> des Gemuͤths, das ſich uͤber ſich ſelbſt zu beſinnen anfing und<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [29/0039]
Name ſelber weiſt (mehr davon unten) und wie es faſt uͤberall
geſchieht. Was erſt allgemein geweſen, trat in ein charakteri-
ſtiſches uͤber und nahm mit der vorher nicht dageweſenen Schaͤrfe
eine eigentliche Differenz an. Die Anwendung iſt leicht zu
machen: der innere Grundbau der Lieder wurde hervorgehoben,
und ihnen zugleich eine Fuͤlle der Entfaltung gelaſſen, weßhalb
man dann die alten Meiſterlieder einmal feſter und ſtrenger,
dann auch freier und gewandter als den Volksgeſang erkennen
muß. Andrerſeits blieb die perſoͤnliche Sitte beſtehen, die Mei-
ſterſinger lebten an den Hoͤfen, und wandten ihre Kunſt auf
den Lohn der Fuͤrſten, nur iſt hier wieder entſcheidend, daß
ſich die Dichter eben ihres Kunſtmaͤßigen, Eigenthuͤmlichen be-
wußt werden und ſich darum auf einer hoͤhern Stufe glauben
mußten, um ſo mehr als vermuthlich ſchon damals die Le-
bensart der Volksſinger in der oͤffentlichen Achtung geſunken
war 18).
Beides nun, das Verfeinern der Form und die Wiederer-
hebung des Standes wurde befoͤrdert und veranlaßt durch ei-
nen uͤberwiegenden, aber laͤngſt zeitigen Hang zu dem ſubjecti-
ven, lyriſchen Princip. Die Zeit ſtand mitten in zwiſchen der
raſtloſen Heldenthaͤtigkeit und dem ernſten Niederſetzen und
Arbeiten des Geiſtes; es war eine ſehnende ſeelige Bewegung
des Gemuͤths, das ſich uͤber ſich ſelbſt zu beſinnen anfing und
18) Wenn Docen aus irgend einem bloßen Minneſaͤnger eine der
nachſtehenden aͤhnliche Stelle beibraͤchte, ſo wuͤrde er damit um
ſo weniger gegen mich beweiſen, als dieſe ſelbſt von einent un-
beſtrittenen Meiſter herruͤhrt. Conrad von Wirzburg ſingt 2.
207 a: 〟Edelſang ſey eine innerliche Kunſt, die nicht gelchrt
werden koͤnne, ſondern von ſelber kommen muͤſſe. 〟enſelben
Gedanken mit andern Worten im troj. Krieg: Der Meiſter,
dem die Kunſtregel nicht verborgen geweſen ſeyn kann, erkennt
die hoͤhere Nothwendigkeit innerliches Berufs. In aͤhnlichent
Sinn ſagt auch der von Morungen 1. 53, daß er durch Sang
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