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Grimm, Jacob: Über den altdeutschen Meistergesang. Göttingen, 1811.

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In anderen mir bekannt gewordenen Sammlungen des 16ten
und 17ten Jahrhunderts, z. B. in einigen von H. Sachs und
der des Ambr. Metzger 110b), ist eine gleiche Vermischung
geistlicher und weltlicher Gegenstände zu finden.

Einen Einwurf kann man mir freilich auch aus der Ein-
richtung der H. SS. machen. Es gibt einige, besonders
aus dem 15ten Jahrhundert, welche Gesänge in Meistertönen
unter andern volksmäßigen Liedern und dann wieder unter
Sprüchen und Fabliaux bewahren. Dahin gehört beson-
ders ein Codex in Brentanos Besitz und auch der vaticani-
sche Num 329. So gut also diese Volkslieder und Sprüche
unter Meisterliedern stehen, eben so können auch alte Minne-
lieder dazwischen geschrieben worden seyn? Allein hier darf
nicht außer Acht gelassen werden, daß diese alten Minne- und
Meisterlieder durchaus dieselbe Form an sich haben, daß sie
von den nämlichen Dichtern herrühren, folglich die erstern
nicht als etwas besonderes gesetzt und etwa aus dem Volkslied
erklärt werden können, mit dem sie wohl der tieferen Grund-
lage, nicht aber dem Character nach verwandt sind. Dahin-
gegen späterhin die Volkssänger vieles aus den Tönen der
Meister angenommen haben (wovon nachher). Wenn also in
einer solchen H. S. allerlei Lieder von einer Menge ungenann-
ter Dichter unter einander gesammelt sind, so ist der Fall al-
lerdings verschieden von dem der älteren Sammlungen.

Noch unschicklicher würde man daraus eine Einwendung
entnehmen, daß die früheren H. S. die äußere Einrichtung
späterer Meisterbücher nicht an sich haben, namentlich die Ab-

110b) Diese ist betitelt: geistl. und weltl. Historien, auch kurzwei-
lige Reden und dergl. in Meisterthön gebracht durch M. A. M. etc.
Unter andern habe ich ein Frühlingslied darin gefunden, das
gleichen Inhalt mit so vielen alten Minneliedern hat, aber lange
nicht gleiche Zartheit.

In anderen mir bekannt gewordenen Sammlungen des 16ten
und 17ten Jahrhunderts, z. B. in einigen von H. Sachs und
der des Ambr. Metzger 110b), iſt eine gleiche Vermiſchung
geiſtlicher und weltlicher Gegenſtaͤnde zu finden.

Einen Einwurf kann man mir freilich auch aus der Ein-
richtung der H. SS. machen. Es gibt einige, beſonders
aus dem 15ten Jahrhundert, welche Geſaͤnge in Meiſtertoͤnen
unter andern volksmaͤßigen Liedern und dann wieder unter
Spruͤchen und Fabliaux bewahren. Dahin gehoͤrt beſon-
ders ein Codex in Brentanos Beſitz und auch der vaticani-
ſche Num 329. So gut alſo dieſe Volkslieder und Spruͤche
unter Meiſterliedern ſtehen, eben ſo koͤnnen auch alte Minne-
lieder dazwiſchen geſchrieben worden ſeyn? Allein hier darf
nicht außer Acht gelaſſen werden, daß dieſe alten Minne- und
Meiſterlieder durchaus dieſelbe Form an ſich haben, daß ſie
von den naͤmlichen Dichtern herruͤhren, folglich die erſtern
nicht als etwas beſonderes geſetzt und etwa aus dem Volkslied
erklaͤrt werden koͤnnen, mit dem ſie wohl der tieferen Grund-
lage, nicht aber dem Character nach verwandt ſind. Dahin-
gegen ſpaͤterhin die Volksſaͤnger vieles aus den Toͤnen der
Meiſter angenommen haben (wovon nachher). Wenn alſo in
einer ſolchen H. S. allerlei Lieder von einer Menge ungenann-
ter Dichter unter einander geſammelt ſind, ſo iſt der Fall al-
lerdings verſchieden von dem der aͤlteren Sammlungen.

Noch unſchicklicher wuͤrde man daraus eine Einwendung
entnehmen, daß die fruͤheren H. S. die aͤußere Einrichtung
ſpaͤterer Meiſterbuͤcher nicht an ſich haben, namentlich die Ab-

110b) Dieſe iſt betitelt: geiſtl. und weltl. Hiſtorien, auch kurzwei-
lige Reden und dergl. in Meiſterthoͤn gebracht durch M. A. M. ꝛc.
Unter andern habe ich ein Fruͤhlingslied darin gefunden, das
gleichen Inhalt mit ſo vielen alten Minneliedern hat, aber lange
nicht gleiche Zartheit.
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[126/0136] In anderen mir bekannt gewordenen Sammlungen des 16ten und 17ten Jahrhunderts, z. B. in einigen von H. Sachs und der des Ambr. Metzger 110b), iſt eine gleiche Vermiſchung geiſtlicher und weltlicher Gegenſtaͤnde zu finden. Einen Einwurf kann man mir freilich auch aus der Ein- richtung der H. SS. machen. Es gibt einige, beſonders aus dem 15ten Jahrhundert, welche Geſaͤnge in Meiſtertoͤnen unter andern volksmaͤßigen Liedern und dann wieder unter Spruͤchen und Fabliaux bewahren. Dahin gehoͤrt beſon- ders ein Codex in Brentanos Beſitz und auch der vaticani- ſche Num 329. So gut alſo dieſe Volkslieder und Spruͤche unter Meiſterliedern ſtehen, eben ſo koͤnnen auch alte Minne- lieder dazwiſchen geſchrieben worden ſeyn? Allein hier darf nicht außer Acht gelaſſen werden, daß dieſe alten Minne- und Meiſterlieder durchaus dieſelbe Form an ſich haben, daß ſie von den naͤmlichen Dichtern herruͤhren, folglich die erſtern nicht als etwas beſonderes geſetzt und etwa aus dem Volkslied erklaͤrt werden koͤnnen, mit dem ſie wohl der tieferen Grund- lage, nicht aber dem Character nach verwandt ſind. Dahin- gegen ſpaͤterhin die Volksſaͤnger vieles aus den Toͤnen der Meiſter angenommen haben (wovon nachher). Wenn alſo in einer ſolchen H. S. allerlei Lieder von einer Menge ungenann- ter Dichter unter einander geſammelt ſind, ſo iſt der Fall al- lerdings verſchieden von dem der aͤlteren Sammlungen. Noch unſchicklicher wuͤrde man daraus eine Einwendung entnehmen, daß die fruͤheren H. S. die aͤußere Einrichtung ſpaͤterer Meiſterbuͤcher nicht an ſich haben, namentlich die Ab- 110b) Dieſe iſt betitelt: geiſtl. und weltl. Hiſtorien, auch kurzwei- lige Reden und dergl. in Meiſterthoͤn gebracht durch M. A. M. ꝛc. Unter andern habe ich ein Fruͤhlingslied darin gefunden, das gleichen Inhalt mit ſo vielen alten Minneliedern hat, aber lange nicht gleiche Zartheit.

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Über den altdeutschen Meistergesang. Göttingen, 1811, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_meistergesang_1811/136>, abgerufen am 18.12.2024.