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Grimm, Jacob: Über den altdeutschen Meistergesang. Göttingen, 1811.

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liche Bemerkung vermengt, oder er würde stillschweigende Son-
derung unternommen haben. Allein hier dachte niemand das
zu scheiden, was noch dazu östers aus dem Mund eines näm-
lichen Dichters geflossen war. Nur einige Beispiele. Mitten
unter fast lauter Minneliedern Reinmars des Alten erblicken
wir 1. 80. eine Strophe (blatte und krone etc. etc.), die in je-
nem beschränkten Sinne für allein meistermäßig gehalten wer-
den müßte, während der Meister selbst in den zwei folgenden
Strophen, die politische Klage fahren lassend, sich zu einem
minnichlichen Wunder wendet, den Ton aber genau hält. Der
Minnesinger von Singenberg hat 1. 156. gleichfalls ein recht
ernstes Wort von der betrogenen Welt mit unterlaufen lassen;
ja Johannes von Ringenberg würde ohne seinen adlichen Na-
men für einen jener eigentlichen Meister gelten, ob ihn schon
die späten Schulen, gleich vielen andern, vergessen haben.
Gehört das Lied: Lute und Lant 2. 45., wie es scheint, dem
Gottfried, so ist immer bedenklich, wie es der Sammler dem
anmuthigen Lichtenstein nur zumuthen können; aber auch der
Adliche von Wengen hat sich an dergleichen Gegenständen ge-
übt. Andrerseits schen wir einige Erzmeister Minnelieder un-
ter ihre übrigen mischen, als wie den Reimar von Zweter
(2. 125. 126. 142. 143. 145. 150.), und alles zwar in dersel-
ben Tonart. Zwei Liebeslieder schließen die des jungen Misners,
vom Marne[r] stehen 2. 166 -- 169. viel Minne- und Tanz-
lieder, und 2. 177. noch eine Strophe (do minne manigen etc.)
Conrad von Wirzb. auf einen weltlichen Leich, läßt einen geist-
lichen folgen, hernach in den Liedern wechseln Betrachtung und
Liebesgedanken ab. (2. 203 -- 205.) In einem Lied spricht
es der Meisiter aufs deutlichste aus, daß er eigentlich von Ro-
sen und der Maienblüte singen wolle, aber dießmal sich an
einen ernsteren Gegenstand kehren müsse. (2. 202. ich solt aber
singen etc.) Bei einem Meister herrschen die Minnelieder, bei
einem anderm die moralischen vor, in der ganzen Sammlung

liche Bemerkung vermengt, oder er wuͤrde ſtillſchweigende Son-
derung unternommen haben. Allein hier dachte niemand das
zu ſcheiden, was noch dazu oͤſters aus dem Mund eines naͤm-
lichen Dichters gefloſſen war. Nur einige Beiſpiele. Mitten
unter faſt lauter Minneliedern Reinmars des Alten erblicken
wir 1. 80. eine Strophe (blatte und krone ꝛc. ꝛc.), die in je-
nem beſchraͤnkten Sinne fuͤr allein meiſtermaͤßig gehalten wer-
den muͤßte, waͤhrend der Meiſter ſelbſt in den zwei folgenden
Strophen, die politiſche Klage fahren laſſend, ſich zu einem
minnichlichen Wunder wendet, den Ton aber genau haͤlt. Der
Minneſinger von Singenberg hat 1. 156. gleichfalls ein recht
ernſtes Wort von der betrogenen Welt mit unterlaufen laſſen;
ja Johannes von Ringenberg wuͤrde ohne ſeinen adlichen Na-
men fuͤr einen jener eigentlichen Meiſter gelten, ob ihn ſchon
die ſpaͤten Schulen, gleich vielen andern, vergeſſen haben.
Gehoͤrt das Lied: Lute und Lant 2. 45., wie es ſcheint, dem
Gottfried, ſo iſt immer bedenklich, wie es der Sammler dem
anmuthigen Lichtenſtein nur zumuthen koͤnnen; aber auch der
Adliche von Wengen hat ſich an dergleichen Gegenſtaͤnden ge-
uͤbt. Andrerſeits ſchen wir einige Erzmeiſter Minnelieder un-
ter ihre uͤbrigen miſchen, als wie den Reimar von Zweter
(2. 125. 126. 142. 143. 145. 150.), und alles zwar in derſel-
ben Tonart. Zwei Liebeslieder ſchließen die des jungen Miſners,
vom Marne[r] ſtehen 2. 166 — 169. viel Minne- und Tanz-
lieder, und 2. 177. noch eine Strophe (do minne manigen ꝛc.)
Conrad von Wirzb. auf einen weltlichen Leich, laͤßt einen geiſt-
lichen folgen, hernach in den Liedern wechſeln Betrachtung und
Liebesgedanken ab. (2. 203 — 205.) In einem Lied ſpricht
es der Meiſiter aufs deutlichſte aus, daß er eigentlich von Ro-
ſen und der Maienbluͤte ſingen wolle, aber dießmal ſich an
einen ernſteren Gegenſtand kehren muͤſſe. (2. 202. ich ſolt aber
ſingen ꝛc.) Bei einem Meiſter herrſchen die Minnelieder, bei
einem anderm die moraliſchen vor, in der ganzen Sammlung

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[124/0134] liche Bemerkung vermengt, oder er wuͤrde ſtillſchweigende Son- derung unternommen haben. Allein hier dachte niemand das zu ſcheiden, was noch dazu oͤſters aus dem Mund eines naͤm- lichen Dichters gefloſſen war. Nur einige Beiſpiele. Mitten unter faſt lauter Minneliedern Reinmars des Alten erblicken wir 1. 80. eine Strophe (blatte und krone ꝛc. ꝛc.), die in je- nem beſchraͤnkten Sinne fuͤr allein meiſtermaͤßig gehalten wer- den muͤßte, waͤhrend der Meiſter ſelbſt in den zwei folgenden Strophen, die politiſche Klage fahren laſſend, ſich zu einem minnichlichen Wunder wendet, den Ton aber genau haͤlt. Der Minneſinger von Singenberg hat 1. 156. gleichfalls ein recht ernſtes Wort von der betrogenen Welt mit unterlaufen laſſen; ja Johannes von Ringenberg wuͤrde ohne ſeinen adlichen Na- men fuͤr einen jener eigentlichen Meiſter gelten, ob ihn ſchon die ſpaͤten Schulen, gleich vielen andern, vergeſſen haben. Gehoͤrt das Lied: Lute und Lant 2. 45., wie es ſcheint, dem Gottfried, ſo iſt immer bedenklich, wie es der Sammler dem anmuthigen Lichtenſtein nur zumuthen koͤnnen; aber auch der Adliche von Wengen hat ſich an dergleichen Gegenſtaͤnden ge- uͤbt. Andrerſeits ſchen wir einige Erzmeiſter Minnelieder un- ter ihre uͤbrigen miſchen, als wie den Reimar von Zweter (2. 125. 126. 142. 143. 145. 150.), und alles zwar in derſel- ben Tonart. Zwei Liebeslieder ſchließen die des jungen Miſners, vom Marner ſtehen 2. 166 — 169. viel Minne- und Tanz- lieder, und 2. 177. noch eine Strophe (do minne manigen ꝛc.) Conrad von Wirzb. auf einen weltlichen Leich, laͤßt einen geiſt- lichen folgen, hernach in den Liedern wechſeln Betrachtung und Liebesgedanken ab. (2. 203 — 205.) In einem Lied ſpricht es der Meiſiter aufs deutlichſte aus, daß er eigentlich von Ro- ſen und der Maienbluͤte ſingen wolle, aber dießmal ſich an einen ernſteren Gegenſtand kehren muͤſſe. (2. 202. ich ſolt aber ſingen ꝛc.) Bei einem Meiſter herrſchen die Minnelieder, bei einem anderm die moraliſchen vor, in der ganzen Sammlung

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Über den altdeutschen Meistergesang. Göttingen, 1811, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_meistergesang_1811/134>, abgerufen am 21.11.2024.