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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1857.

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Strafe nicht entgehen.' Aber das Feuer brannte auf dem Herd, in den Töpfen kochten die Speisen, Kluft und Schippe waren angelehnt, und an den Wänden das blanke Geschirr von Messing aufgestellt. Nichts fehlte, selbst nicht der Kohlenkasten und die Wassereimer. 'Wo ist der Eingang zum Keller?' rief sie, 'wo der nicht mit Weinfässern reichlich angefüllt ist, so wird dirs schlimm ergehen.' Sie hob selbst die Fallthüre auf und stieg die Treppe hinab, aber kaum hatte sie zwei Schritte gethan, so stürzte die schwere Fallthüre, die nur angelehnt war, nieder. Das Mädchen hörte einen Schrei, hob die Thüre schnell auf, um ihr zu Hilfe zu kommen, aber sie war hinabgestürzt und es fand sie entseelt auf dem Boden liegen.

Nun gehörte das prächtige Schloß dem Mädchen ganz allein. Es wußte sich in der ersten Zeit gar nicht in seinem Glück zu finden, schöne Kleider hiengen in den Schränken, die Truhen waren mit Gold und Silber oder mit Perlen und Edelsteinen angefüllt, und es hatte keinen Wunsch, den es nicht erfüllen konnte. Bald gieng der Ruf von der Schönheit und dem Reichthum des Mädchens durch die ganze Welt. Alle Tage meldeten sich Freier, aber keiner gefiel ihr. Endlich kam auch der Sohn eines Königs, der ihr Herz zu rühren wußte, und sie verlobte sich mit ihm. Jn dem Schloßgarten stand eine grüne Linde, darunter saßen sie eines Tages vertraulich zusammen, da sagte er zu ihr 'ich will heimziehen und die Einwilligung meines Vaters zu unserer Vermählung holen; ich bitte dich harre mein hier unter dieser Linde, in wenigen Stunden bin ich wieder zurück.' Das Mädchen küßte ihn auf den linken Backen und sprach 'bleib mir treu, und laß dich von keiner andern auf diesen Backen küssen. Jch will hier unter der Linde warten bis du wieder zurückkommst.'

Das Mädchen blieb unter der Linde sitzen, bis die Sonne untergieng, aber er kam nicht wieder zurück. Sie saß drei Tage von

Strafe nicht entgehen.’ Aber das Feuer brannte auf dem Herd, in den Töpfen kochten die Speisen, Kluft und Schippe waren angelehnt, und an den Wänden das blanke Geschirr von Messing aufgestellt. Nichts fehlte, selbst nicht der Kohlenkasten und die Wassereimer. ‘Wo ist der Eingang zum Keller?’ rief sie, ‘wo der nicht mit Weinfässern reichlich angefüllt ist, so wird dirs schlimm ergehen.’ Sie hob selbst die Fallthüre auf und stieg die Treppe hinab, aber kaum hatte sie zwei Schritte gethan, so stürzte die schwere Fallthüre, die nur angelehnt war, nieder. Das Mädchen hörte einen Schrei, hob die Thüre schnell auf, um ihr zu Hilfe zu kommen, aber sie war hinabgestürzt und es fand sie entseelt auf dem Boden liegen.

Nun gehörte das prächtige Schloß dem Mädchen ganz allein. Es wußte sich in der ersten Zeit gar nicht in seinem Glück zu finden, schöne Kleider hiengen in den Schränken, die Truhen waren mit Gold und Silber oder mit Perlen und Edelsteinen angefüllt, und es hatte keinen Wunsch, den es nicht erfüllen konnte. Bald gieng der Ruf von der Schönheit und dem Reichthum des Mädchens durch die ganze Welt. Alle Tage meldeten sich Freier, aber keiner gefiel ihr. Endlich kam auch der Sohn eines Königs, der ihr Herz zu rühren wußte, und sie verlobte sich mit ihm. Jn dem Schloßgarten stand eine grüne Linde, darunter saßen sie eines Tages vertraulich zusammen, da sagte er zu ihr ‘ich will heimziehen und die Einwilligung meines Vaters zu unserer Vermählung holen; ich bitte dich harre mein hier unter dieser Linde, in wenigen Stunden bin ich wieder zurück.’ Das Mädchen küßte ihn auf den linken Backen und sprach ‘bleib mir treu, und laß dich von keiner andern auf diesen Backen küssen. Jch will hier unter der Linde warten bis du wieder zurückkommst.’

Das Mädchen blieb unter der Linde sitzen, bis die Sonne untergieng, aber er kam nicht wieder zurück. Sie saß drei Tage von

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[399/0411] Strafe nicht entgehen.’ Aber das Feuer brannte auf dem Herd, in den Töpfen kochten die Speisen, Kluft und Schippe waren angelehnt, und an den Wänden das blanke Geschirr von Messing aufgestellt. Nichts fehlte, selbst nicht der Kohlenkasten und die Wassereimer. ‘Wo ist der Eingang zum Keller?’ rief sie, ‘wo der nicht mit Weinfässern reichlich angefüllt ist, so wird dirs schlimm ergehen.’ Sie hob selbst die Fallthüre auf und stieg die Treppe hinab, aber kaum hatte sie zwei Schritte gethan, so stürzte die schwere Fallthüre, die nur angelehnt war, nieder. Das Mädchen hörte einen Schrei, hob die Thüre schnell auf, um ihr zu Hilfe zu kommen, aber sie war hinabgestürzt und es fand sie entseelt auf dem Boden liegen. Nun gehörte das prächtige Schloß dem Mädchen ganz allein. Es wußte sich in der ersten Zeit gar nicht in seinem Glück zu finden, schöne Kleider hiengen in den Schränken, die Truhen waren mit Gold und Silber oder mit Perlen und Edelsteinen angefüllt, und es hatte keinen Wunsch, den es nicht erfüllen konnte. Bald gieng der Ruf von der Schönheit und dem Reichthum des Mädchens durch die ganze Welt. Alle Tage meldeten sich Freier, aber keiner gefiel ihr. Endlich kam auch der Sohn eines Königs, der ihr Herz zu rühren wußte, und sie verlobte sich mit ihm. Jn dem Schloßgarten stand eine grüne Linde, darunter saßen sie eines Tages vertraulich zusammen, da sagte er zu ihr ‘ich will heimziehen und die Einwilligung meines Vaters zu unserer Vermählung holen; ich bitte dich harre mein hier unter dieser Linde, in wenigen Stunden bin ich wieder zurück.’ Das Mädchen küßte ihn auf den linken Backen und sprach ‘bleib mir treu, und laß dich von keiner andern auf diesen Backen küssen. Jch will hier unter der Linde warten bis du wieder zurückkommst.’ Das Mädchen blieb unter der Linde sitzen, bis die Sonne untergieng, aber er kam nicht wieder zurück. Sie saß drei Tage von

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1857, S. 399. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1857/411>, abgerufen am 27.11.2024.