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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1857.

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können. Sie zog eine Haut ab, die auf ihrem Gesicht lag, bückte sich dann zu dem Brunnen und fieng an sich zu waschen. Als sie fertig war, tauchte sie auch die Haut in das Wasser, und legte sie dann auf die Wiese, damit sie wieder im Mondschein bleichen und trocknen sollte. Aber wie war das Mädchen verwandelt! So was habt ihr nie gesehen! Als der graue Zopf abfiel, da quollen die goldenen Haare wie Sonnenstrahlen hervor und breiteten sich, als wärs ein Mantel, über ihre ganze Gestalt. Nur die Augen blitzten heraus so glänzend wie die Sterne am Himmel, und die Wangen schimmerten in sanfter Röthe wie die Äpfelblüthe.

Aber das schöne Mädchen war traurig. Es setzte sich nieder und weinte bitterlich. Eine Thräne nach der andern drang aus seinen Augen und rollte zwischen den langen Haaren auf den Boden. So saß es da und wäre lange sitzen geblieben, wenn es nicht in den Ästen des nahestehenden Baumes geknittert und gerauscht hätte. Sie sprang auf wie ein Reh, das den Schuß des Jägers vernimmt. Der Mond ward gerade von einer schwarzen Wolke bedeckt, und im Augenblick war das Mädchen wieder in die alte Haut geschlüpft, und verschwand wie ein Licht, das der Wind ausbläst.

Zitternd wie ein Espenlaub lief sie zu dem Haus zurück. Die Alte stand vor der Thüre, und das Mädchen wollte ihr erzählen was ihm begegnet war, aber die Alte lachte freundlich und sagte 'ich weiß schon alles.' Sie führte es in die Stube und zündete einen neuen Span an. Aber sie setzte sich nicht wieder zu dem Spinnrad, sondern sie holte einen Besen, und fieng an zu kehren und zu scheuern. 'Es muß alles rein und sauber sein' sagte sie zu dem Mädchen. 'Aber, Mutter,' sprach das Mädchen, 'warum fangt ihr in so später Stunde die Arbeit an? was habt ihr vor?' 'Weißt du denn welche Stunde es ist?' fragte die Alte. 'Noch nicht Mitternacht,' antwortete das Mädchen, 'aber schon elf Uhr

können. Sie zog eine Haut ab, die auf ihrem Gesicht lag, bückte sich dann zu dem Brunnen und fieng an sich zu waschen. Als sie fertig war, tauchte sie auch die Haut in das Wasser, und legte sie dann auf die Wiese, damit sie wieder im Mondschein bleichen und trocknen sollte. Aber wie war das Mädchen verwandelt! So was habt ihr nie gesehen! Als der graue Zopf abfiel, da quollen die goldenen Haare wie Sonnenstrahlen hervor und breiteten sich, als wärs ein Mantel, über ihre ganze Gestalt. Nur die Augen blitzten heraus so glänzend wie die Sterne am Himmel, und die Wangen schimmerten in sanfter Röthe wie die Äpfelblüthe.

Aber das schöne Mädchen war traurig. Es setzte sich nieder und weinte bitterlich. Eine Thräne nach der andern drang aus seinen Augen und rollte zwischen den langen Haaren auf den Boden. So saß es da und wäre lange sitzen geblieben, wenn es nicht in den Ästen des nahestehenden Baumes geknittert und gerauscht hätte. Sie sprang auf wie ein Reh, das den Schuß des Jägers vernimmt. Der Mond ward gerade von einer schwarzen Wolke bedeckt, und im Augenblick war das Mädchen wieder in die alte Haut geschlüpft, und verschwand wie ein Licht, das der Wind ausbläst.

Zitternd wie ein Espenlaub lief sie zu dem Haus zurück. Die Alte stand vor der Thüre, und das Mädchen wollte ihr erzählen was ihm begegnet war, aber die Alte lachte freundlich und sagte ‘ich weiß schon alles.’ Sie führte es in die Stube und zündete einen neuen Span an. Aber sie setzte sich nicht wieder zu dem Spinnrad, sondern sie holte einen Besen, und fieng an zu kehren und zu scheuern. ‘Es muß alles rein und sauber sein’ sagte sie zu dem Mädchen. ‘Aber, Mutter,’ sprach das Mädchen, ‘warum fangt ihr in so später Stunde die Arbeit an? was habt ihr vor?’ ‘Weißt du denn welche Stunde es ist?’ fragte die Alte. ‘Noch nicht Mitternacht,’ antwortete das Mädchen, ‘aber schon elf Uhr

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[369/0381] können. Sie zog eine Haut ab, die auf ihrem Gesicht lag, bückte sich dann zu dem Brunnen und fieng an sich zu waschen. Als sie fertig war, tauchte sie auch die Haut in das Wasser, und legte sie dann auf die Wiese, damit sie wieder im Mondschein bleichen und trocknen sollte. Aber wie war das Mädchen verwandelt! So was habt ihr nie gesehen! Als der graue Zopf abfiel, da quollen die goldenen Haare wie Sonnenstrahlen hervor und breiteten sich, als wärs ein Mantel, über ihre ganze Gestalt. Nur die Augen blitzten heraus so glänzend wie die Sterne am Himmel, und die Wangen schimmerten in sanfter Röthe wie die Äpfelblüthe. Aber das schöne Mädchen war traurig. Es setzte sich nieder und weinte bitterlich. Eine Thräne nach der andern drang aus seinen Augen und rollte zwischen den langen Haaren auf den Boden. So saß es da und wäre lange sitzen geblieben, wenn es nicht in den Ästen des nahestehenden Baumes geknittert und gerauscht hätte. Sie sprang auf wie ein Reh, das den Schuß des Jägers vernimmt. Der Mond ward gerade von einer schwarzen Wolke bedeckt, und im Augenblick war das Mädchen wieder in die alte Haut geschlüpft, und verschwand wie ein Licht, das der Wind ausbläst. Zitternd wie ein Espenlaub lief sie zu dem Haus zurück. Die Alte stand vor der Thüre, und das Mädchen wollte ihr erzählen was ihm begegnet war, aber die Alte lachte freundlich und sagte ‘ich weiß schon alles.’ Sie führte es in die Stube und zündete einen neuen Span an. Aber sie setzte sich nicht wieder zu dem Spinnrad, sondern sie holte einen Besen, und fieng an zu kehren und zu scheuern. ‘Es muß alles rein und sauber sein’ sagte sie zu dem Mädchen. ‘Aber, Mutter,’ sprach das Mädchen, ‘warum fangt ihr in so später Stunde die Arbeit an? was habt ihr vor?’ ‘Weißt du denn welche Stunde es ist?’ fragte die Alte. ‘Noch nicht Mitternacht,’ antwortete das Mädchen, ‘aber schon elf Uhr

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1857, S. 369. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1857/381>, abgerufen am 22.11.2024.