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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1857.

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176.
Die Lebenszeit.

Als Gott die Welt geschaffen hatte und allen Creaturen ihre Lebenszeit bestimmen wollte, kam der Esel und fragte 'Herr, wie lange soll ich leben?' 'Dreißig Jahre,' antwortete Gott, 'ist dir das recht?' 'Ach Herr,' erwiederte der Esel, 'das ist eine lange Zeit. Bedenke mein mühseliges Dasein: von Morgen bis in die Nacht schwere Lasten tragen, Kornsäcke in die Mühle schleppen, damit andere das Brot essen, mit nichts als mit Schlägen und Fußtritten ermuntert und aufgefrischt zu werden! erlaß mir einen Theil der langen Zeit.' Da erbarmte sich Gott und schenkte ihm achtzehn Jahre. Der Esel gieng getröstet weg und der Hund erschien. 'Wie lange willst du leben?' sprach Gott zu ihm, 'dem Esel sind dreißig Jahre zu viel, du aber wirst damit zufrieden sein.' 'Herr,' antwortete der Hund, 'ist das dein Wille? bedenke was ich laufen muß, das halten meine Füße so lange nicht aus; und habe ich erst die Stimme zum Bellen verloren und die Zähne zum Beißen, was bleibt mir übrig als aus einer Ecke in die andere zu laufen und zu knurren?' Gott sah daß er recht hatte und erließ ihm zwölf Jahre. Darauf kam der Affe. 'Du willst wohl gerne dreißig Jahre leben?' sprach der Herr zu ihm, 'du brauchst nicht zu arbeiten, wie der Esel und der Hund, und bist immer guter Dinge.' 'Ach Herr,' antwortete er, 'das sieht so aus, ist aber anders. Wenns Hirsenbrei regnet, habe ich keinen Löffel. Jch soll immer lustige Streiche machen, Gesichter schneiden damit die Leute lachen, und wenn sie mir einen Apfel reichen und ich beiße hinein, so ist

176.
Die Lebenszeit.

Als Gott die Welt geschaffen hatte und allen Creaturen ihre Lebenszeit bestimmen wollte, kam der Esel und fragte ‘Herr, wie lange soll ich leben?’ ‘Dreißig Jahre,’ antwortete Gott, ‘ist dir das recht?’ ‘Ach Herr,’ erwiederte der Esel, ‘das ist eine lange Zeit. Bedenke mein mühseliges Dasein: von Morgen bis in die Nacht schwere Lasten tragen, Kornsäcke in die Mühle schleppen, damit andere das Brot essen, mit nichts als mit Schlägen und Fußtritten ermuntert und aufgefrischt zu werden! erlaß mir einen Theil der langen Zeit.’ Da erbarmte sich Gott und schenkte ihm achtzehn Jahre. Der Esel gieng getröstet weg und der Hund erschien. ‘Wie lange willst du leben?’ sprach Gott zu ihm, ‘dem Esel sind dreißig Jahre zu viel, du aber wirst damit zufrieden sein.’ ‘Herr,’ antwortete der Hund, ‘ist das dein Wille? bedenke was ich laufen muß, das halten meine Füße so lange nicht aus; und habe ich erst die Stimme zum Bellen verloren und die Zähne zum Beißen, was bleibt mir übrig als aus einer Ecke in die andere zu laufen und zu knurren?’ Gott sah daß er recht hatte und erließ ihm zwölf Jahre. Darauf kam der Affe. ‘Du willst wohl gerne dreißig Jahre leben?’ sprach der Herr zu ihm, ‘du brauchst nicht zu arbeiten, wie der Esel und der Hund, und bist immer guter Dinge.’ ‘Ach Herr,’ antwortete er, ‘das sieht so aus, ist aber anders. Wenns Hirsenbrei regnet, habe ich keinen Löffel. Jch soll immer lustige Streiche machen, Gesichter schneiden damit die Leute lachen, und wenn sie mir einen Apfel reichen und ich beiße hinein, so ist

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[354/0366] 176. Die Lebenszeit. Als Gott die Welt geschaffen hatte und allen Creaturen ihre Lebenszeit bestimmen wollte, kam der Esel und fragte ‘Herr, wie lange soll ich leben?’ ‘Dreißig Jahre,’ antwortete Gott, ‘ist dir das recht?’ ‘Ach Herr,’ erwiederte der Esel, ‘das ist eine lange Zeit. Bedenke mein mühseliges Dasein: von Morgen bis in die Nacht schwere Lasten tragen, Kornsäcke in die Mühle schleppen, damit andere das Brot essen, mit nichts als mit Schlägen und Fußtritten ermuntert und aufgefrischt zu werden! erlaß mir einen Theil der langen Zeit.’ Da erbarmte sich Gott und schenkte ihm achtzehn Jahre. Der Esel gieng getröstet weg und der Hund erschien. ‘Wie lange willst du leben?’ sprach Gott zu ihm, ‘dem Esel sind dreißig Jahre zu viel, du aber wirst damit zufrieden sein.’ ‘Herr,’ antwortete der Hund, ‘ist das dein Wille? bedenke was ich laufen muß, das halten meine Füße so lange nicht aus; und habe ich erst die Stimme zum Bellen verloren und die Zähne zum Beißen, was bleibt mir übrig als aus einer Ecke in die andere zu laufen und zu knurren?’ Gott sah daß er recht hatte und erließ ihm zwölf Jahre. Darauf kam der Affe. ‘Du willst wohl gerne dreißig Jahre leben?’ sprach der Herr zu ihm, ‘du brauchst nicht zu arbeiten, wie der Esel und der Hund, und bist immer guter Dinge.’ ‘Ach Herr,’ antwortete er, ‘das sieht so aus, ist aber anders. Wenns Hirsenbrei regnet, habe ich keinen Löffel. Jch soll immer lustige Streiche machen, Gesichter schneiden damit die Leute lachen, und wenn sie mir einen Apfel reichen und ich beiße hinein, so ist

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1857, S. 354. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1857/366>, abgerufen am 25.11.2024.