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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1857.

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Als das Frühjahr herangekommen und draußen alles grün war, sagte der Bär eines Morgens zu Schneeweißchen 'nun muß ich fort und darf den ganzen Sommer nicht wieder kommen.' 'Wo gehst du denn hin, lieber Bär?' fragte Schneeweißchen. 'Jch muß in den Wald und meine Schätze vor den bösen Zwergen hüten: im Winter, wenn die Erde hart gefroren ist, müssen sie wohl unten bleiben und können sich nicht durcharbeiten, aber jetzt, wenn die Sonne die Erde aufgethaut und erwärmt hat, da brechen sie durch, steigen herauf, suchen und stehlen; was einmal in ihren Händen ist und in ihren Höhlen liegt, das kommt so leicht nicht wieder an des Tages Licht.' Schneeweißchen war ganz traurig über den Abschied und als es ihm die Thüre aufriegelte, und der Bär sich hinaus drängte, blieb er an dem Thürhaken hängen und ein Stück seiner Haut riß auf, und da war es Schneeweißchen, als hätte es Gold durchschimmern gesehen: aber es war seiner Sache nicht gewis. Der Bär lief eilig fort und war bald hinter den Bäumen verschwunden.

Nach einiger Zeit schickte die Mutter die Kinder in den Wald, Reisig zu sammeln. Da fanden sie draußen einen großen Baum, der lag gefällt auf dem Boden, und an dem Stamme sprang zwischen dem Gras etwas auf und ab, sie konnten aber nicht unterscheiden was es war. Als sie näher kamen, sahen sie einen Zwerg mit einem alten verwelkten Gesicht und einem ellenlangen schneeweißen Bart. Das Ende des Bartes war in eine Spalte des Baums eingeklemmt, und der Kleine sprang hin und her wie ein Hündchen an einem Seil und wußte nicht wie er sich helfen sollte. Er glotzte die Mädchen mit seinen rothen feurigen Augen an und schrie 'was steht ihr da! könnt ihr nicht herbei gehen und mir Beistand leisten?' 'Was hast du angefangen, kleines Männchen?' fragte Rosenroth. 'Dumme neugierige Gans,' antwortete der Zwerg, 'den Baum habe ich mir spalten wollen, um kleines Holz

Als das Frühjahr herangekommen und draußen alles grün war, sagte der Bär eines Morgens zu Schneeweißchen ‘nun muß ich fort und darf den ganzen Sommer nicht wieder kommen.’ ‘Wo gehst du denn hin, lieber Bär?’ fragte Schneeweißchen. ‘Jch muß in den Wald und meine Schätze vor den bösen Zwergen hüten: im Winter, wenn die Erde hart gefroren ist, müssen sie wohl unten bleiben und können sich nicht durcharbeiten, aber jetzt, wenn die Sonne die Erde aufgethaut und erwärmt hat, da brechen sie durch, steigen herauf, suchen und stehlen; was einmal in ihren Händen ist und in ihren Höhlen liegt, das kommt so leicht nicht wieder an des Tages Licht.’ Schneeweißchen war ganz traurig über den Abschied und als es ihm die Thüre aufriegelte, und der Bär sich hinaus drängte, blieb er an dem Thürhaken hängen und ein Stück seiner Haut riß auf, und da war es Schneeweißchen, als hätte es Gold durchschimmern gesehen: aber es war seiner Sache nicht gewis. Der Bär lief eilig fort und war bald hinter den Bäumen verschwunden.

Nach einiger Zeit schickte die Mutter die Kinder in den Wald, Reisig zu sammeln. Da fanden sie draußen einen großen Baum, der lag gefällt auf dem Boden, und an dem Stamme sprang zwischen dem Gras etwas auf und ab, sie konnten aber nicht unterscheiden was es war. Als sie näher kamen, sahen sie einen Zwerg mit einem alten verwelkten Gesicht und einem ellenlangen schneeweißen Bart. Das Ende des Bartes war in eine Spalte des Baums eingeklemmt, und der Kleine sprang hin und her wie ein Hündchen an einem Seil und wußte nicht wie er sich helfen sollte. Er glotzte die Mädchen mit seinen rothen feurigen Augen an und schrie ‘was steht ihr da! könnt ihr nicht herbei gehen und mir Beistand leisten?’ ‘Was hast du angefangen, kleines Männchen?’ fragte Rosenroth. ‘Dumme neugierige Gans,’ antwortete der Zwerg, ‘den Baum habe ich mir spalten wollen, um kleines Holz

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[299/0311] Als das Frühjahr herangekommen und draußen alles grün war, sagte der Bär eines Morgens zu Schneeweißchen ‘nun muß ich fort und darf den ganzen Sommer nicht wieder kommen.’ ‘Wo gehst du denn hin, lieber Bär?’ fragte Schneeweißchen. ‘Jch muß in den Wald und meine Schätze vor den bösen Zwergen hüten: im Winter, wenn die Erde hart gefroren ist, müssen sie wohl unten bleiben und können sich nicht durcharbeiten, aber jetzt, wenn die Sonne die Erde aufgethaut und erwärmt hat, da brechen sie durch, steigen herauf, suchen und stehlen; was einmal in ihren Händen ist und in ihren Höhlen liegt, das kommt so leicht nicht wieder an des Tages Licht.’ Schneeweißchen war ganz traurig über den Abschied und als es ihm die Thüre aufriegelte, und der Bär sich hinaus drängte, blieb er an dem Thürhaken hängen und ein Stück seiner Haut riß auf, und da war es Schneeweißchen, als hätte es Gold durchschimmern gesehen: aber es war seiner Sache nicht gewis. Der Bär lief eilig fort und war bald hinter den Bäumen verschwunden. Nach einiger Zeit schickte die Mutter die Kinder in den Wald, Reisig zu sammeln. Da fanden sie draußen einen großen Baum, der lag gefällt auf dem Boden, und an dem Stamme sprang zwischen dem Gras etwas auf und ab, sie konnten aber nicht unterscheiden was es war. Als sie näher kamen, sahen sie einen Zwerg mit einem alten verwelkten Gesicht und einem ellenlangen schneeweißen Bart. Das Ende des Bartes war in eine Spalte des Baums eingeklemmt, und der Kleine sprang hin und her wie ein Hündchen an einem Seil und wußte nicht wie er sich helfen sollte. Er glotzte die Mädchen mit seinen rothen feurigen Augen an und schrie ‘was steht ihr da! könnt ihr nicht herbei gehen und mir Beistand leisten?’ ‘Was hast du angefangen, kleines Männchen?’ fragte Rosenroth. ‘Dumme neugierige Gans,’ antwortete der Zwerg, ‘den Baum habe ich mir spalten wollen, um kleines Holz

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1857, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1857/311>, abgerufen am 19.12.2024.