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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1857.

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88.
Das singende springende Löweneckerchen.

Es war einmal ein Mann, der hatte eine große Reise vor, und beim Abschied fragte er seine drei Töchter was er ihnen mitbringen sollte. Da wollte die älteste Perlen, die zweite wollte Diamanten, die dritte aber sprach 'lieber Vater, ich wünsche mir ein singendes springendes Löweneckerchen (Lerche).' Der Vater sagte 'ja, wenn ich es kriegen kann, sollst du es haben,' küßte alle drei und zog fort. Als nun die Zeit kam, daß er wieder auf dem Heimweg war, so hatte er Perlen und Diamanten für die zwei ältesten gekauft, aber das singende springende Löweneckerchen für die jüngste hatte er umsonst aller Orten gesucht, und das that ihm leid, denn sie war sein liebstes Kind. Da führte ihn der Weg durch einen Wald, und mitten darin war ein prächtiges Schloß, und nah am Schloß stand ein Baum, ganz oben auf der Spitze des Baums aber sah er ein Löweneckerchen singen und springen. 'Ei, du kommst mir gerade recht' sagte er ganz vergnügt und rief seinem Diener, er sollte hinauf steigen und das Thierchen fangen. Wie er aber zu dem Baum trat, sprang ein Löwe darunter auf, schüttelte sich und brüllte, daß das Laub an den Bäumen zitterte. 'Wer mir mein singendes springendes Löweneckerchen stehlen will,' rief er, 'den fresse ich auf.' Da sagte der Mann 'ich habe nicht gewußt, daß der Vogel dir gehört: ich will mein Unrecht wieder gut machen, und mich mit schwerem Golde loskaufen, laß mir nur das Leben.' Der Löwe sprach 'dich kann nichts retten, als wenn du mir zu eigen versprichst, was dir daheim zuerst begegnet;

88.
Das singende springende Löweneckerchen.

Es war einmal ein Mann, der hatte eine große Reise vor, und beim Abschied fragte er seine drei Töchter was er ihnen mitbringen sollte. Da wollte die älteste Perlen, die zweite wollte Diamanten, die dritte aber sprach ‘lieber Vater, ich wünsche mir ein singendes springendes Löweneckerchen (Lerche).’ Der Vater sagte ‘ja, wenn ich es kriegen kann, sollst du es haben,’ küßte alle drei und zog fort. Als nun die Zeit kam, daß er wieder auf dem Heimweg war, so hatte er Perlen und Diamanten für die zwei ältesten gekauft, aber das singende springende Löweneckerchen für die jüngste hatte er umsonst aller Orten gesucht, und das that ihm leid, denn sie war sein liebstes Kind. Da führte ihn der Weg durch einen Wald, und mitten darin war ein prächtiges Schloß, und nah am Schloß stand ein Baum, ganz oben auf der Spitze des Baums aber sah er ein Löweneckerchen singen und springen. ‘Ei, du kommst mir gerade recht’ sagte er ganz vergnügt und rief seinem Diener, er sollte hinauf steigen und das Thierchen fangen. Wie er aber zu dem Baum trat, sprang ein Löwe darunter auf, schüttelte sich und brüllte, daß das Laub an den Bäumen zitterte. ‘Wer mir mein singendes springendes Löweneckerchen stehlen will,’ rief er, ‘den fresse ich auf.’ Da sagte der Mann ‘ich habe nicht gewußt, daß der Vogel dir gehört: ich will mein Unrecht wieder gut machen, und mich mit schwerem Golde loskaufen, laß mir nur das Leben.’ Der Löwe sprach ‘dich kann nichts retten, als wenn du mir zu eigen versprichst, was dir daheim zuerst begegnet;

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[6/0018] 88. Das singende springende Löweneckerchen. Es war einmal ein Mann, der hatte eine große Reise vor, und beim Abschied fragte er seine drei Töchter was er ihnen mitbringen sollte. Da wollte die älteste Perlen, die zweite wollte Diamanten, die dritte aber sprach ‘lieber Vater, ich wünsche mir ein singendes springendes Löweneckerchen (Lerche).’ Der Vater sagte ‘ja, wenn ich es kriegen kann, sollst du es haben,’ küßte alle drei und zog fort. Als nun die Zeit kam, daß er wieder auf dem Heimweg war, so hatte er Perlen und Diamanten für die zwei ältesten gekauft, aber das singende springende Löweneckerchen für die jüngste hatte er umsonst aller Orten gesucht, und das that ihm leid, denn sie war sein liebstes Kind. Da führte ihn der Weg durch einen Wald, und mitten darin war ein prächtiges Schloß, und nah am Schloß stand ein Baum, ganz oben auf der Spitze des Baums aber sah er ein Löweneckerchen singen und springen. ‘Ei, du kommst mir gerade recht’ sagte er ganz vergnügt und rief seinem Diener, er sollte hinauf steigen und das Thierchen fangen. Wie er aber zu dem Baum trat, sprang ein Löwe darunter auf, schüttelte sich und brüllte, daß das Laub an den Bäumen zitterte. ‘Wer mir mein singendes springendes Löweneckerchen stehlen will,’ rief er, ‘den fresse ich auf.’ Da sagte der Mann ‘ich habe nicht gewußt, daß der Vogel dir gehört: ich will mein Unrecht wieder gut machen, und mich mit schwerem Golde loskaufen, laß mir nur das Leben.’ Der Löwe sprach ‘dich kann nichts retten, als wenn du mir zu eigen versprichst, was dir daheim zuerst begegnet;

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1857, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1857/18>, abgerufen am 24.11.2024.