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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1857.

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sich aufschwingen und in die Stadt reiten. Das Füllen aber bat um seine Freiheit: 'ich bin noch zu jung,' sprach es, 'auch ein leichter Schneider wie du bricht mir den Rücken entzwei, laß mich laufen bis ich stark geworden bin. Es kommt vielleicht eine Zeit, wo ich dirs lohnen kann.' 'Lauf hin,' sagte der Schneider, 'ich sehe du bist auch so ein Springinsfeld.' Er gab ihm noch einen Hieb mit der Gerte über den Rücken, daß es vor Freude mit den Hinterbeinen ausschlug, über Hecken und Gräben setzte und in das Feld hineinjagte.

Aber das Schneiderlein hatte seit gestern nichts gegessen. 'Die Sonne,' sprach er, 'füllt mir zwar die Augen, aber das Brot nicht den Mund. Das erste was mir begegnet und halbweg genießbar ist, das muß herhalten.' Jndem schritt ein Storch ganz ernsthaft über die Wiese daher. 'Halt, halt,' rief der Schneider und packte ihn am Bein, 'ich weiß nicht ob du zu genießen bist, aber mein Hunger erlaubt mir keine lange Wahl, ich muß dir den Kopf abschneiden und dich braten.' 'Thue das nicht,' antwortete der Storch, 'ich bin ein heiliger Vogel, dem niemand ein Leid zufügt, und der den Menschen großen Nutzen bringt. Läßt du mir mein Leben, so kann ich dirs ein andermal vergelten.' 'So zieh ab, Vetter Langbein' sagte der Schneider. Der Storch erhob sich, ließ die langen Beine hängen und flog gemächlich fort.

'Was soll daraus werden?' sagte der Schneider zu sich selbst, 'mein Hunger wird immer größer und mein Magen immer leerer. Was mir jetzt in den Weg kommt, das ist verloren.' Jndem sah er auf einem Teich ein paar junge Enten daher schwimmen. 'Jhr kommt ja wie gerufen,' sagte er, packte eine davon, und wollte ihr den Hals umdrehen. Da fieng eine alte Ente, die in dem Schilf steckte, laut an zu kreischen, schwamm mit aufgesperrtem Schnabel herbei und bat ihn flehentlich sich ihrer lieben Kinder zu erbarmen. 'Denkst du nicht,' sagte sie, 'wie deine Mutter jammern

sich aufschwingen und in die Stadt reiten. Das Füllen aber bat um seine Freiheit: ‘ich bin noch zu jung,’ sprach es, ‘auch ein leichter Schneider wie du bricht mir den Rücken entzwei, laß mich laufen bis ich stark geworden bin. Es kommt vielleicht eine Zeit, wo ich dirs lohnen kann.’ ‘Lauf hin,’ sagte der Schneider, ‘ich sehe du bist auch so ein Springinsfeld.’ Er gab ihm noch einen Hieb mit der Gerte über den Rücken, daß es vor Freude mit den Hinterbeinen ausschlug, über Hecken und Gräben setzte und in das Feld hineinjagte.

Aber das Schneiderlein hatte seit gestern nichts gegessen. ‘Die Sonne,’ sprach er, ‘füllt mir zwar die Augen, aber das Brot nicht den Mund. Das erste was mir begegnet und halbweg genießbar ist, das muß herhalten.’ Jndem schritt ein Storch ganz ernsthaft über die Wiese daher. ‘Halt, halt,’ rief der Schneider und packte ihn am Bein, ‘ich weiß nicht ob du zu genießen bist, aber mein Hunger erlaubt mir keine lange Wahl, ich muß dir den Kopf abschneiden und dich braten.’ ‘Thue das nicht,’ antwortete der Storch, ‘ich bin ein heiliger Vogel, dem niemand ein Leid zufügt, und der den Menschen großen Nutzen bringt. Läßt du mir mein Leben, so kann ich dirs ein andermal vergelten.’ ‘So zieh ab, Vetter Langbein’ sagte der Schneider. Der Storch erhob sich, ließ die langen Beine hängen und flog gemächlich fort.

‘Was soll daraus werden?’ sagte der Schneider zu sich selbst, ‘mein Hunger wird immer größer und mein Magen immer leerer. Was mir jetzt in den Weg kommt, das ist verloren.’ Jndem sah er auf einem Teich ein paar junge Enten daher schwimmen. ‘Jhr kommt ja wie gerufen,’ sagte er, packte eine davon, und wollte ihr den Hals umdrehen. Da fieng eine alte Ente, die in dem Schilf steckte, laut an zu kreischen, schwamm mit aufgesperrtem Schnabel herbei und bat ihn flehentlich sich ihrer lieben Kinder zu erbarmen. ‘Denkst du nicht,’ sagte sie, ‘wie deine Mutter jammern

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[107/0119] sich aufschwingen und in die Stadt reiten. Das Füllen aber bat um seine Freiheit: ‘ich bin noch zu jung,’ sprach es, ‘auch ein leichter Schneider wie du bricht mir den Rücken entzwei, laß mich laufen bis ich stark geworden bin. Es kommt vielleicht eine Zeit, wo ich dirs lohnen kann.’ ‘Lauf hin,’ sagte der Schneider, ‘ich sehe du bist auch so ein Springinsfeld.’ Er gab ihm noch einen Hieb mit der Gerte über den Rücken, daß es vor Freude mit den Hinterbeinen ausschlug, über Hecken und Gräben setzte und in das Feld hineinjagte. Aber das Schneiderlein hatte seit gestern nichts gegessen. ‘Die Sonne,’ sprach er, ‘füllt mir zwar die Augen, aber das Brot nicht den Mund. Das erste was mir begegnet und halbweg genießbar ist, das muß herhalten.’ Jndem schritt ein Storch ganz ernsthaft über die Wiese daher. ‘Halt, halt,’ rief der Schneider und packte ihn am Bein, ‘ich weiß nicht ob du zu genießen bist, aber mein Hunger erlaubt mir keine lange Wahl, ich muß dir den Kopf abschneiden und dich braten.’ ‘Thue das nicht,’ antwortete der Storch, ‘ich bin ein heiliger Vogel, dem niemand ein Leid zufügt, und der den Menschen großen Nutzen bringt. Läßt du mir mein Leben, so kann ich dirs ein andermal vergelten.’ ‘So zieh ab, Vetter Langbein’ sagte der Schneider. Der Storch erhob sich, ließ die langen Beine hängen und flog gemächlich fort. ‘Was soll daraus werden?’ sagte der Schneider zu sich selbst, ‘mein Hunger wird immer größer und mein Magen immer leerer. Was mir jetzt in den Weg kommt, das ist verloren.’ Jndem sah er auf einem Teich ein paar junge Enten daher schwimmen. ‘Jhr kommt ja wie gerufen,’ sagte er, packte eine davon, und wollte ihr den Hals umdrehen. Da fieng eine alte Ente, die in dem Schilf steckte, laut an zu kreischen, schwamm mit aufgesperrtem Schnabel herbei und bat ihn flehentlich sich ihrer lieben Kinder zu erbarmen. ‘Denkst du nicht,’ sagte sie, ‘wie deine Mutter jammern

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1857, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1857/119>, abgerufen am 25.11.2024.