Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1857.wollt ihr Gevatter,' sagte die Frau zu ihm, 'ich kenne euch nicht, von wo kommt Jhr her?' 'Jch bin von dem Himmel gefallen,' antwortete der Mann, 'und weiß nicht wie ich wieder hin kommen soll; könnt ihr mich nicht hinauf fahren?' 'Nein,' sagte die Frau, 'ich weiß den Weg nicht. Aber wenn Jhr aus dem Himmel kommt, so könnt Jhr mir wohl sagen wie es meinem Mann geht, der schon seit drei Jahren dort ist: Jhr habt ihn gewis gesehen?' 'Jch habe ihn wohl gesehen, aber es kann nicht allen Menschen gut gehen. Er hütet die Schafe, und das liebe Vieh macht ihm viel zu schaffen, das springt auf die Berge und verirrt sich in der Wildnis, und da muß er hinterher laufen und es wieder zusammen treiben. Abgerissen ist er auch, und die Kleider werden ihm bald vom Leib fallen. Schneider gibt es dort nicht, der heil. Petrus läßt keinen hinein, wie Jhr aus dem Märchen wißt.' 'Wer hätte sich das gedacht!' rief die Frau, 'wißt Jhr was? ich will seinen Sonntagsrock holen, der noch daheim im Schrank hängt, den kann er dort mit Ehren tragen. Jhr seid so gut und nehmt ihn mit.' 'Das geht nicht wohl,' antwortete der Bauer, 'Kleider darf man nicht in den Himmel bringen, die werden einem vor dem Thor abgenommen.' 'Hört mich an,' sprach die Frau, 'ich habe gestern meinen schönen Weizen verkauft und ein hübsches Geld dafür bekommen, das will ich ihm schicken. Wenn Jhr den Beutel in die Tasche steckt, so wirds kein Mensch gewahr.' 'Kanns nicht anders sein,' erwiderte der Bauer, 'so will ich Euch wohl den Gefallen thun.' 'Bleibt nur da sitzen,' sagte sie, 'ich will heim fahren und den Beutel holen; ich bin bald wieder hier. Jch setze mich nicht auf das Bund Stroh, sondern stehe auf dem Wagen, so hats das Vieh leichter.' Sie trieb ihre Ochsen an, und der Bauer dachte, 'die hat Anlage zur Narrheit, bringt sie das Geld wirklich, so kann meine Frau von Glück sagen, denn sie kriegt keine Schläge.' Es dauerte nicht lange, so kam sie gelaufen, wollt ihr Gevatter,’ sagte die Frau zu ihm, ‘ich kenne euch nicht, von wo kommt Jhr her?’ ‘Jch bin von dem Himmel gefallen,’ antwortete der Mann, ‘und weiß nicht wie ich wieder hin kommen soll; könnt ihr mich nicht hinauf fahren?’ ‘Nein,’ sagte die Frau, ‘ich weiß den Weg nicht. Aber wenn Jhr aus dem Himmel kommt, so könnt Jhr mir wohl sagen wie es meinem Mann geht, der schon seit drei Jahren dort ist: Jhr habt ihn gewis gesehen?’ ‘Jch habe ihn wohl gesehen, aber es kann nicht allen Menschen gut gehen. Er hütet die Schafe, und das liebe Vieh macht ihm viel zu schaffen, das springt auf die Berge und verirrt sich in der Wildnis, und da muß er hinterher laufen und es wieder zusammen treiben. Abgerissen ist er auch, und die Kleider werden ihm bald vom Leib fallen. Schneider gibt es dort nicht, der heil. Petrus läßt keinen hinein, wie Jhr aus dem Märchen wißt.’ ‘Wer hätte sich das gedacht!’ rief die Frau, ‘wißt Jhr was? ich will seinen Sonntagsrock holen, der noch daheim im Schrank hängt, den kann er dort mit Ehren tragen. Jhr seid so gut und nehmt ihn mit.’ ‘Das geht nicht wohl,’ antwortete der Bauer, ‘Kleider darf man nicht in den Himmel bringen, die werden einem vor dem Thor abgenommen.’ ‘Hört mich an,’ sprach die Frau, ‘ich habe gestern meinen schönen Weizen verkauft und ein hübsches Geld dafür bekommen, das will ich ihm schicken. Wenn Jhr den Beutel in die Tasche steckt, so wirds kein Mensch gewahr.’ ‘Kanns nicht anders sein,’ erwiderte der Bauer, ‘so will ich Euch wohl den Gefallen thun.’ ‘Bleibt nur da sitzen,’ sagte sie, ‘ich will heim fahren und den Beutel holen; ich bin bald wieder hier. Jch setze mich nicht auf das Bund Stroh, sondern stehe auf dem Wagen, so hats das Vieh leichter.’ Sie trieb ihre Ochsen an, und der Bauer dachte, ‘die hat Anlage zur Narrheit, bringt sie das Geld wirklich, so kann meine Frau von Glück sagen, denn sie kriegt keine Schläge.’ Es dauerte nicht lange, so kam sie gelaufen, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0105" n="93"/> wollt ihr Gevatter,’ sagte die Frau zu ihm, ‘ich kenne euch nicht, von wo kommt Jhr her?’ ‘Jch bin von dem Himmel gefallen,’ antwortete der Mann, ‘und weiß nicht wie ich wieder hin kommen soll; könnt ihr mich nicht hinauf fahren?’ ‘Nein,’ sagte die Frau, ‘ich weiß den Weg nicht. Aber wenn Jhr aus dem Himmel kommt, so könnt Jhr mir wohl sagen wie es meinem Mann geht, der schon seit drei Jahren dort ist: Jhr habt ihn gewis gesehen?’ ‘Jch habe ihn wohl gesehen, aber es kann nicht allen Menschen gut gehen. Er hütet die Schafe, und das liebe Vieh macht ihm viel zu schaffen, das springt auf die Berge und verirrt sich in der Wildnis, und da muß er hinterher laufen und es wieder zusammen treiben. Abgerissen ist er auch, und die Kleider werden ihm bald vom Leib fallen. Schneider gibt es dort nicht, der heil. Petrus läßt keinen hinein, wie Jhr aus dem Märchen wißt.’ ‘Wer hätte sich das gedacht!’ rief die Frau, ‘wißt Jhr was? ich will seinen Sonntagsrock holen, der noch daheim im Schrank hängt, den kann er dort mit Ehren tragen. Jhr seid so gut und nehmt ihn mit.’ ‘Das geht nicht wohl,’ antwortete der Bauer, ‘Kleider darf man nicht in den Himmel bringen, die werden einem vor dem Thor abgenommen.’ ‘Hört mich an,’ sprach die Frau, ‘ich habe gestern meinen schönen Weizen verkauft und ein hübsches Geld dafür bekommen, das will ich ihm schicken. Wenn Jhr den Beutel in die Tasche steckt, so wirds kein Mensch gewahr.’ ‘Kanns nicht anders sein,’ erwiderte der Bauer, ‘so will ich Euch wohl den Gefallen thun.’ ‘Bleibt nur da sitzen,’ sagte sie, ‘ich will heim fahren und den Beutel holen; ich bin bald wieder hier. Jch setze mich nicht auf das Bund Stroh, sondern stehe auf dem Wagen, so hats das Vieh leichter.’ Sie trieb ihre Ochsen an, und der Bauer dachte, ‘die hat Anlage zur Narrheit, bringt sie das Geld wirklich, so kann meine Frau von Glück sagen, denn sie kriegt keine Schläge.’ Es dauerte nicht lange, so kam sie gelaufen, </p> </div> </body> </text> </TEI> [93/0105]
wollt ihr Gevatter,’ sagte die Frau zu ihm, ‘ich kenne euch nicht, von wo kommt Jhr her?’ ‘Jch bin von dem Himmel gefallen,’ antwortete der Mann, ‘und weiß nicht wie ich wieder hin kommen soll; könnt ihr mich nicht hinauf fahren?’ ‘Nein,’ sagte die Frau, ‘ich weiß den Weg nicht. Aber wenn Jhr aus dem Himmel kommt, so könnt Jhr mir wohl sagen wie es meinem Mann geht, der schon seit drei Jahren dort ist: Jhr habt ihn gewis gesehen?’ ‘Jch habe ihn wohl gesehen, aber es kann nicht allen Menschen gut gehen. Er hütet die Schafe, und das liebe Vieh macht ihm viel zu schaffen, das springt auf die Berge und verirrt sich in der Wildnis, und da muß er hinterher laufen und es wieder zusammen treiben. Abgerissen ist er auch, und die Kleider werden ihm bald vom Leib fallen. Schneider gibt es dort nicht, der heil. Petrus läßt keinen hinein, wie Jhr aus dem Märchen wißt.’ ‘Wer hätte sich das gedacht!’ rief die Frau, ‘wißt Jhr was? ich will seinen Sonntagsrock holen, der noch daheim im Schrank hängt, den kann er dort mit Ehren tragen. Jhr seid so gut und nehmt ihn mit.’ ‘Das geht nicht wohl,’ antwortete der Bauer, ‘Kleider darf man nicht in den Himmel bringen, die werden einem vor dem Thor abgenommen.’ ‘Hört mich an,’ sprach die Frau, ‘ich habe gestern meinen schönen Weizen verkauft und ein hübsches Geld dafür bekommen, das will ich ihm schicken. Wenn Jhr den Beutel in die Tasche steckt, so wirds kein Mensch gewahr.’ ‘Kanns nicht anders sein,’ erwiderte der Bauer, ‘so will ich Euch wohl den Gefallen thun.’ ‘Bleibt nur da sitzen,’ sagte sie, ‘ich will heim fahren und den Beutel holen; ich bin bald wieder hier. Jch setze mich nicht auf das Bund Stroh, sondern stehe auf dem Wagen, so hats das Vieh leichter.’ Sie trieb ihre Ochsen an, und der Bauer dachte, ‘die hat Anlage zur Narrheit, bringt sie das Geld wirklich, so kann meine Frau von Glück sagen, denn sie kriegt keine Schläge.’ Es dauerte nicht lange, so kam sie gelaufen,
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