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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 6. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1850.

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ein, so will ichs glauben, und dann magst du mit mir anfangen. was du willst.' Der Geist sprach voll Hochmuth 'das ist eine geringe Kunst,' zog sich zusammen und machte sich so dünn und klein, wie er anfangs gewesen war, also daß er durch dieselbe Öffnung und durch den Hals der Flasche wieder hinein kroch. Kaum aber war er darin, so drückte der Schüler den abgezogenen Pfropfen wieder auf und warf die Flasche unter die Eichwurzeln an ihren alten Platz, und der Geist war betrogen.

Nun wollte der Schüler zu seinem Vater zurückgehen, aber der Geist rief ganz kläglich 'ach, laß mich doch heraus, laß mich doch heraus.' 'Nein,' antwortete der Schüler, 'zum zweitenmale nicht: wer mir einmal nach dem Leben gestrebt hat, den laß ich nicht los, wenn ich ihn wieder eingefangen habe.' 'Wenn du mich frei machst,' rief der Geist, 'so will ich dir so viel geben, daß du dein Lebtag genug hast.' 'Nein,' antwortete der Schüler, 'du würdest mich betriegen wie das erstemal.' 'Du verscherzest dein Glück,' sprach der Geist, 'ich will dir nichts thun, sondern dich reichlich belohnen.' Der Schüler dachte 'ich wills wagen, vielleicht hält er Wort, und anhaben soll er mir doch nichts.' Da nahm er den Pfropfen ab, und der Geist stieg wie das vorigemal heraus, dehnte sich auseinander, und ward groß wie ein Riese. 'Nun sollst du deinen Lohn haben,' sprach er, und reichte dem Schüler einen kleinen Lappen, ganz wie ein Pflaster, und sagte 'wenn du mit dem einen Ende eine Wunde bestreichst, so heilt sie: und wenn du mit dem andern Ende Stahl und Eisen bestreichst, so wird es in Silber verwandelt.' 'Das muß ich erst versuchen,'

ein, so will ichs glauben, und dann magst du mit mir anfangen. was du willst.’ Der Geist sprach voll Hochmuth ‘das ist eine geringe Kunst,’ zog sich zusammen und machte sich so dünn und klein, wie er anfangs gewesen war, also daß er durch dieselbe Öffnung und durch den Hals der Flasche wieder hinein kroch. Kaum aber war er darin, so drückte der Schüler den abgezogenen Pfropfen wieder auf und warf die Flasche unter die Eichwurzeln an ihren alten Platz, und der Geist war betrogen.

Nun wollte der Schüler zu seinem Vater zurückgehen, aber der Geist rief ganz kläglich ‘ach, laß mich doch heraus, laß mich doch heraus.’ ‘Nein,’ antwortete der Schüler, ‘zum zweitenmale nicht: wer mir einmal nach dem Leben gestrebt hat, den laß ich nicht los, wenn ich ihn wieder eingefangen habe.’ ‘Wenn du mich frei machst,’ rief der Geist, ‘so will ich dir so viel geben, daß du dein Lebtag genug hast.’ ‘Nein,’ antwortete der Schüler, ‘du würdest mich betriegen wie das erstemal.’ ‘Du verscherzest dein Glück,’ sprach der Geist, ‘ich will dir nichts thun, sondern dich reichlich belohnen.’ Der Schüler dachte ‘ich wills wagen, vielleicht hält er Wort, und anhaben soll er mir doch nichts.’ Da nahm er den Pfropfen ab, und der Geist stieg wie das vorigemal heraus, dehnte sich auseinander, und ward groß wie ein Riese. ‘Nun sollst du deinen Lohn haben,’ sprach er, und reichte dem Schüler einen kleinen Lappen, ganz wie ein Pflaster, und sagte ‘wenn du mit dem einen Ende eine Wunde bestreichst, so heilt sie: und wenn du mit dem andern Ende Stahl und Eisen bestreichst, so wird es in Silber verwandelt.’ ‘Das muß ich erst versuchen,’

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 6. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1850, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1850/97>, abgerufen am 28.03.2024.