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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 6. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1850.

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Prinz ganz stolz 'das brauchst du nicht zu wissen,' und ritt weiter. Das kleine Männchen aber war zornig geworden und hatte einen bösen Wunsch gethan. Der Prinz gerieth bald hernach in eine Bergschlucht, und je weiter er ritt, je enger thaten sich die Berge zusammen, und endlich ward der Weg so eng, daß er keinen Schritt weiter konnte: es war nicht möglich das Pferd zu wenden oder aus dem Sattel zu steigen, und er saß da wie eingesperrt. Der kranke König wartete lange Zeit auf ihn, aber er kam nicht. Da sagte der zweite Sohn 'Vater, laßt mich ausziehen und das Wasser suchen,' und dachte bei sich 'ist mein Bruder todt, so fällt das Reich mir zu.' Der König wollt ihn anfangs auch nicht ziehen lassen, endlich gab er nach. Der Prinz zog also auf demselben Weg fort, den sein Bruder eingeschlagen hatte, und begegnete auch dem Zwerg, der ihn anhielt und fragte wohin er so eilig wollte. 'Kleiner Knirps,' sagte der Prinz 'das brauchst du nicht zu wissen' und ritt fort ohne sich weiter umzusehen. Aber der Zwerg verwünschte ihn, und er gerieth wie der andere in eine Bergschlucht und konnte nicht vorwärts und rückwärts. So gehts aber den Hochmüthigen.

Als auch der zweite Sohn ausblieb, so erbot sich der jüngste auszuziehen und das Wasser zu holen, und der König mußte ihn endlich auch ziehen lassen. Als er dem Zwerg begegnete, und dieser fragte wohin er so eilig wolle, so hielt er an, gab ihm Rede und Antwort und sagte 'ich suche das Wasser des Lebens, denn mein Vater ist sterbenskrank.' 'Weißt du auch wo das zu finden ist? 'Nein' sagte der Prinz. 'Weil du dich betragen hast, wie sichs geziemt, nicht übermüthig wie deine falschen Brüder, so will ich dir

Prinz ganz stolz ‘das brauchst du nicht zu wissen,’ und ritt weiter. Das kleine Männchen aber war zornig geworden und hatte einen bösen Wunsch gethan. Der Prinz gerieth bald hernach in eine Bergschlucht, und je weiter er ritt, je enger thaten sich die Berge zusammen, und endlich ward der Weg so eng, daß er keinen Schritt weiter konnte: es war nicht möglich das Pferd zu wenden oder aus dem Sattel zu steigen, und er saß da wie eingesperrt. Der kranke König wartete lange Zeit auf ihn, aber er kam nicht. Da sagte der zweite Sohn ‘Vater, laßt mich ausziehen und das Wasser suchen,’ und dachte bei sich ‘ist mein Bruder todt, so fällt das Reich mir zu.’ Der König wollt ihn anfangs auch nicht ziehen lassen, endlich gab er nach. Der Prinz zog also auf demselben Weg fort, den sein Bruder eingeschlagen hatte, und begegnete auch dem Zwerg, der ihn anhielt und fragte wohin er so eilig wollte. ‘Kleiner Knirps,’ sagte der Prinz ‘das brauchst du nicht zu wissen’ und ritt fort ohne sich weiter umzusehen. Aber der Zwerg verwünschte ihn, und er gerieth wie der andere in eine Bergschlucht und konnte nicht vorwärts und rückwärts. So gehts aber den Hochmüthigen.

Als auch der zweite Sohn ausblieb, so erbot sich der jüngste auszuziehen und das Wasser zu holen, und der König mußte ihn endlich auch ziehen lassen. Als er dem Zwerg begegnete, und dieser fragte wohin er so eilig wolle, so hielt er an, gab ihm Rede und Antwort und sagte ‘ich suche das Wasser des Lebens, denn mein Vater ist sterbenskrank.’ ‘Weißt du auch wo das zu finden ist? ‘Nein’ sagte der Prinz. ‘Weil du dich betragen hast, wie sichs geziemt, nicht übermüthig wie deine falschen Brüder, so will ich dir

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[72/0084] Prinz ganz stolz ‘das brauchst du nicht zu wissen,’ und ritt weiter. Das kleine Männchen aber war zornig geworden und hatte einen bösen Wunsch gethan. Der Prinz gerieth bald hernach in eine Bergschlucht, und je weiter er ritt, je enger thaten sich die Berge zusammen, und endlich ward der Weg so eng, daß er keinen Schritt weiter konnte: es war nicht möglich das Pferd zu wenden oder aus dem Sattel zu steigen, und er saß da wie eingesperrt. Der kranke König wartete lange Zeit auf ihn, aber er kam nicht. Da sagte der zweite Sohn ‘Vater, laßt mich ausziehen und das Wasser suchen,’ und dachte bei sich ‘ist mein Bruder todt, so fällt das Reich mir zu.’ Der König wollt ihn anfangs auch nicht ziehen lassen, endlich gab er nach. Der Prinz zog also auf demselben Weg fort, den sein Bruder eingeschlagen hatte, und begegnete auch dem Zwerg, der ihn anhielt und fragte wohin er so eilig wollte. ‘Kleiner Knirps,’ sagte der Prinz ‘das brauchst du nicht zu wissen’ und ritt fort ohne sich weiter umzusehen. Aber der Zwerg verwünschte ihn, und er gerieth wie der andere in eine Bergschlucht und konnte nicht vorwärts und rückwärts. So gehts aber den Hochmüthigen. Als auch der zweite Sohn ausblieb, so erbot sich der jüngste auszuziehen und das Wasser zu holen, und der König mußte ihn endlich auch ziehen lassen. Als er dem Zwerg begegnete, und dieser fragte wohin er so eilig wolle, so hielt er an, gab ihm Rede und Antwort und sagte ‘ich suche das Wasser des Lebens, denn mein Vater ist sterbenskrank.’ ‘Weißt du auch wo das zu finden ist? ‘Nein’ sagte der Prinz. ‘Weil du dich betragen hast, wie sichs geziemt, nicht übermüthig wie deine falschen Brüder, so will ich dir

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 6. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1850, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1850/84>, abgerufen am 28.03.2024.