Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 6. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1850.

Bild:
<< vorherige Seite

mich in dem Walde verirrt.' 'So geht dirs ja, wie mir' sprach der Soldat, 'gleich und gleich gesellt sich gern, wir wollen bei einander bleiben und den Weg suchen.' Der Jäger lächelte ein wenig, und sie giengen zusammen fort immer weiter, bis die Nacht einbrach. 'Wir kommen aus dem Wald nicht heraus' sprach der Soldat, 'aber ich sehe dort in der Ferne ein Licht schimmern, da wirds etwas zu essen geben. Sie fanden ein Steinhaus, klopften an die Thüre und ein altes Weib öffnete. 'Wir suchen ein Nachtquartier' sprach der Soldat, 'und etwas Unterfutter für den Magen, denn der meinige ist so leer wie der Geldbeutel.' 'Hier könnt ihr nicht bleiben,' antwortete die Alte, 'das ist ein Räuberhaus, und ihr thut am klügsten daß ihr euch fortmacht, bevor sie heim kommen, denn finden sie euch, so seid ihr verloren.' 'Es wird so schlimm nicht sein,' antwortete der Soldat, 'ich habe seit zwei Tagen keinen Bissen genossen, und es ist mir einerlei ob ich hier umkomme oder im Wald vor Hunger sterbe. Jch gehe herein.' Der Jäger wollte nicht folgen, aber der Soldat zog ihn am Ermel mit sich: 'komm, Bruderherz, es wird nicht gleich an den Kragen gehen.' Die Alte hatte Mitleiden und sagte 'kriecht hinter den Ofen, wenn sie etwas übrig lassen und eingeschlafen sind, so will ichs euch zustecken.' Kaum saßen sie in der Ecke, so kamen zwölf Räuber herein gestürmt, setzten sich an den Tisch, der schon gedeckt war, und forderten mit Ungestüm das Essen. Die Alte trug einen großen Braten herein und die Räuber ließen sichs wohl schmecken. Als der Geruch von der Speise dem Soldaten in die Nase stieg, sagte er zum Jäger 'ich halts nicht länger aus, ich setze

mich in dem Walde verirrt.’ ‘So geht dirs ja, wie mir’ sprach der Soldat, ‘gleich und gleich gesellt sich gern, wir wollen bei einander bleiben und den Weg suchen.’ Der Jäger lächelte ein wenig, und sie giengen zusammen fort immer weiter, bis die Nacht einbrach. ‘Wir kommen aus dem Wald nicht heraus’ sprach der Soldat, ‘aber ich sehe dort in der Ferne ein Licht schimmern, da wirds etwas zu essen geben. Sie fanden ein Steinhaus, klopften an die Thüre und ein altes Weib öffnete. ‘Wir suchen ein Nachtquartier’ sprach der Soldat, ‘und etwas Unterfutter für den Magen, denn der meinige ist so leer wie der Geldbeutel.’ ‘Hier könnt ihr nicht bleiben,’ antwortete die Alte, ‘das ist ein Räuberhaus, und ihr thut am klügsten daß ihr euch fortmacht, bevor sie heim kommen, denn finden sie euch, so seid ihr verloren.’ ‘Es wird so schlimm nicht sein,’ antwortete der Soldat, ‘ich habe seit zwei Tagen keinen Bissen genossen, und es ist mir einerlei ob ich hier umkomme oder im Wald vor Hunger sterbe. Jch gehe herein.’ Der Jäger wollte nicht folgen, aber der Soldat zog ihn am Ermel mit sich: ‘komm, Bruderherz, es wird nicht gleich an den Kragen gehen.’ Die Alte hatte Mitleiden und sagte ‘kriecht hinter den Ofen, wenn sie etwas übrig lassen und eingeschlafen sind, so will ichs euch zustecken.’ Kaum saßen sie in der Ecke, so kamen zwölf Räuber herein gestürmt, setzten sich an den Tisch, der schon gedeckt war, und forderten mit Ungestüm das Essen. Die Alte trug einen großen Braten herein und die Räuber ließen sichs wohl schmecken. Als der Geruch von der Speise dem Soldaten in die Nase stieg, sagte er zum Jäger ‘ich halts nicht länger aus, ich setze

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0548" n="536"/>
mich in dem Walde verirrt.&#x2019; &#x2018;So geht dirs ja, wie mir&#x2019; sprach der Soldat, &#x2018;gleich und gleich gesellt sich gern, wir wollen bei einander bleiben und den Weg suchen.&#x2019; Der Jäger lächelte ein wenig, und sie giengen zusammen fort immer weiter, bis die Nacht einbrach. &#x2018;Wir kommen aus dem Wald nicht heraus&#x2019; sprach der Soldat, &#x2018;aber ich sehe dort in der Ferne ein Licht schimmern, da wirds etwas zu essen geben. Sie fanden ein Steinhaus, klopften an die Thüre und ein altes Weib öffnete. &#x2018;Wir suchen ein Nachtquartier&#x2019; sprach der Soldat, &#x2018;und etwas Unterfutter für den Magen, denn der meinige ist so leer wie der Geldbeutel.&#x2019; &#x2018;Hier könnt ihr nicht bleiben,&#x2019; antwortete die Alte, &#x2018;das ist ein Räuberhaus, und ihr thut am klügsten daß ihr euch fortmacht, bevor sie heim kommen, denn finden sie euch, so seid ihr verloren.&#x2019; &#x2018;Es wird so schlimm nicht sein,&#x2019; antwortete der Soldat, &#x2018;ich habe seit zwei Tagen keinen Bissen genossen, und es ist mir einerlei ob ich hier umkomme oder im Wald vor Hunger sterbe. Jch gehe herein.&#x2019; Der Jäger wollte nicht folgen, aber der Soldat zog ihn am Ermel mit sich: &#x2018;komm, Bruderherz, es wird nicht gleich an den Kragen gehen.&#x2019; Die Alte hatte Mitleiden und sagte &#x2018;kriecht hinter den Ofen, wenn sie etwas übrig lassen und eingeschlafen sind, so will ichs euch zustecken.&#x2019; Kaum saßen sie in der Ecke, so kamen zwölf Räuber herein gestürmt, setzten sich an den Tisch, der schon gedeckt war, und forderten mit Ungestüm das Essen. Die Alte trug einen großen Braten herein und die Räuber ließen sichs wohl schmecken. Als der Geruch von der Speise dem Soldaten in die Nase stieg, sagte er zum Jäger &#x2018;ich halts nicht länger aus, ich setze
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[536/0548] mich in dem Walde verirrt.’ ‘So geht dirs ja, wie mir’ sprach der Soldat, ‘gleich und gleich gesellt sich gern, wir wollen bei einander bleiben und den Weg suchen.’ Der Jäger lächelte ein wenig, und sie giengen zusammen fort immer weiter, bis die Nacht einbrach. ‘Wir kommen aus dem Wald nicht heraus’ sprach der Soldat, ‘aber ich sehe dort in der Ferne ein Licht schimmern, da wirds etwas zu essen geben. Sie fanden ein Steinhaus, klopften an die Thüre und ein altes Weib öffnete. ‘Wir suchen ein Nachtquartier’ sprach der Soldat, ‘und etwas Unterfutter für den Magen, denn der meinige ist so leer wie der Geldbeutel.’ ‘Hier könnt ihr nicht bleiben,’ antwortete die Alte, ‘das ist ein Räuberhaus, und ihr thut am klügsten daß ihr euch fortmacht, bevor sie heim kommen, denn finden sie euch, so seid ihr verloren.’ ‘Es wird so schlimm nicht sein,’ antwortete der Soldat, ‘ich habe seit zwei Tagen keinen Bissen genossen, und es ist mir einerlei ob ich hier umkomme oder im Wald vor Hunger sterbe. Jch gehe herein.’ Der Jäger wollte nicht folgen, aber der Soldat zog ihn am Ermel mit sich: ‘komm, Bruderherz, es wird nicht gleich an den Kragen gehen.’ Die Alte hatte Mitleiden und sagte ‘kriecht hinter den Ofen, wenn sie etwas übrig lassen und eingeschlafen sind, so will ichs euch zustecken.’ Kaum saßen sie in der Ecke, so kamen zwölf Räuber herein gestürmt, setzten sich an den Tisch, der schon gedeckt war, und forderten mit Ungestüm das Essen. Die Alte trug einen großen Braten herein und die Räuber ließen sichs wohl schmecken. Als der Geruch von der Speise dem Soldaten in die Nase stieg, sagte er zum Jäger ‘ich halts nicht länger aus, ich setze

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-05-11T18:40:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-03T16:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1850
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1850/548
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 6. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1850, S. 536. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1850/548>, abgerufen am 25.11.2024.