Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 6. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1850.Dann kamen sie zu einem dritten, der nahm ihn aus dem Knopfloch und setzte ihn auf den Rand seines Hutes; da gieng der Trommler oben auf und ab und sah über die Bäume hinaus, und als er in blauer Ferne einen Berg erblickte, so dachte er 'das ist gewis der Glasberg,' und er war es auch. Der Riese that nur noch ein paar Schritte, so waren sie an dem Fuß des Bergs angelangt, wo ihn der Riese absetzte. Der Trommler verlangte er sollte ihn auch auf die Spitze des Glasberges tragen, aber der Riese schüttelte mit dem Kopf, brummte etwas in den Bart und gieng in den Wald zurück. Nun stand der arme Trommler vor dem Berg, der so hoch war, als wenn drei Berge aufeinander gesetzt wären, und dabei so glatt wie ein Spiegel, und wußte keinen Rath um hinauf zu kommen. Er fieng an zu klettern, aber vergeblich, er rutschte immer wieder herab. 'Wer jetzt ein Vogel wäre' dachte er, aber was half das Wünschen, es wuchsen ihm keine Flügel. Jndem er so stand, und sich nicht zu helfen wußte, erblickte er nicht weit von sich zwei Männer, die heftig miteinander stritten. Er gieng auf sie zu und sah daß sie wegen eines Sattels uneins waren, der vor ihnen auf der Erde lag und den jeder von ihnen haben wollte. 'Was seid ihr für Narren,' sprach er, 'zankt euch um einen Sattel und habt kein Pferd dazu.' Der Sattel ist werth daß man darum streitet,' antwortete der eine von den Männern, 'wer darauf sitzt und wünscht sich irgend wohin, und wärs am Ende der Welt, der ist im Augenblick angelangt, wie er den Wunsch ausgesprochen hat. Der Sattel gehört uns gemeinschaftlich, die Reihe darauf zu reiten ist Dann kamen sie zu einem dritten, der nahm ihn aus dem Knopfloch und setzte ihn auf den Rand seines Hutes; da gieng der Trommler oben auf und ab und sah über die Bäume hinaus, und als er in blauer Ferne einen Berg erblickte, so dachte er ‘das ist gewis der Glasberg,’ und er war es auch. Der Riese that nur noch ein paar Schritte, so waren sie an dem Fuß des Bergs angelangt, wo ihn der Riese absetzte. Der Trommler verlangte er sollte ihn auch auf die Spitze des Glasberges tragen, aber der Riese schüttelte mit dem Kopf, brummte etwas in den Bart und gieng in den Wald zurück. Nun stand der arme Trommler vor dem Berg, der so hoch war, als wenn drei Berge aufeinander gesetzt wären, und dabei so glatt wie ein Spiegel, und wußte keinen Rath um hinauf zu kommen. Er fieng an zu klettern, aber vergeblich, er rutschte immer wieder herab. ‘Wer jetzt ein Vogel wäre’ dachte er, aber was half das Wünschen, es wuchsen ihm keine Flügel. Jndem er so stand, und sich nicht zu helfen wußte, erblickte er nicht weit von sich zwei Männer, die heftig miteinander stritten. Er gieng auf sie zu und sah daß sie wegen eines Sattels uneins waren, der vor ihnen auf der Erde lag und den jeder von ihnen haben wollte. ‘Was seid ihr für Narren,’ sprach er, ‘zankt euch um einen Sattel und habt kein Pferd dazu.’ Der Sattel ist werth daß man darum streitet,’ antwortete der eine von den Männern, ‘wer darauf sitzt und wünscht sich irgend wohin, und wärs am Ende der Welt, der ist im Augenblick angelangt, wie er den Wunsch ausgesprochen hat. Der Sattel gehört uns gemeinschaftlich, die Reihe darauf zu reiten ist <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0516" n="504"/> Dann kamen sie zu einem dritten, der nahm ihn aus dem Knopfloch und setzte ihn auf den Rand seines Hutes; da gieng der Trommler oben auf und ab und sah über die Bäume hinaus, und als er in blauer Ferne einen Berg erblickte, so dachte er ‘das ist gewis der Glasberg,’ und er war es auch. Der Riese that nur noch ein paar Schritte, so waren sie an dem Fuß des Bergs angelangt, wo ihn der Riese absetzte. Der Trommler verlangte er sollte ihn auch auf die Spitze des Glasberges tragen, aber der Riese schüttelte mit dem Kopf, brummte etwas in den Bart und gieng in den Wald zurück.</p><lb/> <p>Nun stand der arme Trommler vor dem Berg, der so hoch war, als wenn drei Berge aufeinander gesetzt wären, und dabei so glatt wie ein Spiegel, und wußte keinen Rath um hinauf zu kommen. Er fieng an zu klettern, aber vergeblich, er rutschte immer wieder herab. ‘Wer jetzt ein Vogel wäre’ dachte er, aber was half das Wünschen, es wuchsen ihm keine Flügel. Jndem er so stand, und sich nicht zu helfen wußte, erblickte er nicht weit von sich zwei Männer, die heftig miteinander stritten. Er gieng auf sie zu und sah daß sie wegen eines Sattels uneins waren, der vor ihnen auf der Erde lag und den jeder von ihnen haben wollte. ‘Was seid ihr für Narren,’ sprach er, ‘zankt euch um einen Sattel und habt kein Pferd dazu.’ Der Sattel ist werth daß man darum streitet,’ antwortete der eine von den Männern, ‘wer darauf sitzt und wünscht sich irgend wohin, und wärs am Ende der Welt, der ist im Augenblick angelangt, wie er den Wunsch ausgesprochen hat. Der Sattel gehört uns gemeinschaftlich, die Reihe darauf zu reiten ist </p> </div> </body> </text> </TEI> [504/0516]
Dann kamen sie zu einem dritten, der nahm ihn aus dem Knopfloch und setzte ihn auf den Rand seines Hutes; da gieng der Trommler oben auf und ab und sah über die Bäume hinaus, und als er in blauer Ferne einen Berg erblickte, so dachte er ‘das ist gewis der Glasberg,’ und er war es auch. Der Riese that nur noch ein paar Schritte, so waren sie an dem Fuß des Bergs angelangt, wo ihn der Riese absetzte. Der Trommler verlangte er sollte ihn auch auf die Spitze des Glasberges tragen, aber der Riese schüttelte mit dem Kopf, brummte etwas in den Bart und gieng in den Wald zurück.
Nun stand der arme Trommler vor dem Berg, der so hoch war, als wenn drei Berge aufeinander gesetzt wären, und dabei so glatt wie ein Spiegel, und wußte keinen Rath um hinauf zu kommen. Er fieng an zu klettern, aber vergeblich, er rutschte immer wieder herab. ‘Wer jetzt ein Vogel wäre’ dachte er, aber was half das Wünschen, es wuchsen ihm keine Flügel. Jndem er so stand, und sich nicht zu helfen wußte, erblickte er nicht weit von sich zwei Männer, die heftig miteinander stritten. Er gieng auf sie zu und sah daß sie wegen eines Sattels uneins waren, der vor ihnen auf der Erde lag und den jeder von ihnen haben wollte. ‘Was seid ihr für Narren,’ sprach er, ‘zankt euch um einen Sattel und habt kein Pferd dazu.’ Der Sattel ist werth daß man darum streitet,’ antwortete der eine von den Männern, ‘wer darauf sitzt und wünscht sich irgend wohin, und wärs am Ende der Welt, der ist im Augenblick angelangt, wie er den Wunsch ausgesprochen hat. Der Sattel gehört uns gemeinschaftlich, die Reihe darauf zu reiten ist
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2015-05-11T18:40:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-05-11T18:40:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-06-03T16:12:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |