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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 6. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1850.

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und seine Flinte um und zog in die Welt. Es trug sich zu, daß er eines Tages durch einen dicken Wald kam, und wie der zu Ende war, lag in der Ebene vor ihm ein ansehnliches Schloß. Jn einem Fenster desselben stand eine Alte mit einer wunderschönen Jungfrau und schaute herab. Die Alte aber war eine Hexe und sprach zu dem Mädchen 'dort kommt einer aus dem Wald, der hat einen wunderbaren Schatz im Leib, den müssen wir darum berücken, mein Herzenstöchterchen: uns steht das besser an als ihm. Er hat ein Vogelherz bei sich, deshalb liegt jeden Morgen ein Goldstück unter seinem Kopfkissen.' Sie erzählte ihr wie es damit beschaffen wäre und sie darum zu spielen hätte, und zuletzt drohte sie und sprach mit zornigen Augen 'und wenn du mir nicht gehorchst, so bist du unglücklich.' Als nun der Jäger näher kam, erblicke er das Mädchen und sprach zu sich 'ich bin nun so lang herumgezogen, ich will einmal ausruhen und in das schöne Schloß einkehren, Geld hab ich ja vollauf.' Eigentlich aber war die Ursache, daß er ein Auge auf das schöne Bild geworfen hatte.

Er trat in das Haus ein, und ward freundlich empfangen und höflich bewirthet. Es dauerte nicht lange, da war er so in das Hexenmädchen verliebt, daß er an nichts anders mehr dachte und nur nach ihren Augen sah, und was sie verlangte, das that er gerne. Da sprach die Alte 'nun müssen wir das Vogelherz haben, er wird nichts spüren, wenn es ihm fehlt.' Sie richteten einen Trank zu, und wie der gekocht war, that sie ihn in einen Becher und gab ihn dem Mädchen, das mußte ihn dem Jäger reichen. Sprach es 'nun, mein Liebster, trink mir zu.' Da nahm er den

und seine Flinte um und zog in die Welt. Es trug sich zu, daß er eines Tages durch einen dicken Wald kam, und wie der zu Ende war, lag in der Ebene vor ihm ein ansehnliches Schloß. Jn einem Fenster desselben stand eine Alte mit einer wunderschönen Jungfrau und schaute herab. Die Alte aber war eine Hexe und sprach zu dem Mädchen ‘dort kommt einer aus dem Wald, der hat einen wunderbaren Schatz im Leib, den müssen wir darum berücken, mein Herzenstöchterchen: uns steht das besser an als ihm. Er hat ein Vogelherz bei sich, deshalb liegt jeden Morgen ein Goldstück unter seinem Kopfkissen.’ Sie erzählte ihr wie es damit beschaffen wäre und sie darum zu spielen hätte, und zuletzt drohte sie und sprach mit zornigen Augen ‘und wenn du mir nicht gehorchst, so bist du unglücklich.’ Als nun der Jäger näher kam, erblicke er das Mädchen und sprach zu sich ‘ich bin nun so lang herumgezogen, ich will einmal ausruhen und in das schöne Schloß einkehren, Geld hab ich ja vollauf.’ Eigentlich aber war die Ursache, daß er ein Auge auf das schöne Bild geworfen hatte.

Er trat in das Haus ein, und ward freundlich empfangen und höflich bewirthet. Es dauerte nicht lange, da war er so in das Hexenmädchen verliebt, daß er an nichts anders mehr dachte und nur nach ihren Augen sah, und was sie verlangte, das that er gerne. Da sprach die Alte ‘nun müssen wir das Vogelherz haben, er wird nichts spüren, wenn es ihm fehlt.’ Sie richteten einen Trank zu, und wie der gekocht war, that sie ihn in einen Becher und gab ihn dem Mädchen, das mußte ihn dem Jäger reichen. Sprach es ‘nun, mein Liebster, trink mir zu.’ Da nahm er den

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 6. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1850, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1850/216>, abgerufen am 24.04.2024.