Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 6. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1850.

Bild:
<< vorherige Seite
114.
Vom klugen Schneiderlein.

Es war einmal eine Prinzessin gewaltig stolz: kam ein Freier, so gab sie ihm etwas zu rathen auf, und wenn ers nicht errathen konnte, so ward er mit Spott fortgeschickt. Sie ließ auch bekannt machen, wer ihr Räthsel löste, sollte sich mit ihr vermählen, und möchte kommen wer da wollte. Endlich fanden sich auch drei Schneider zusammen, davon meinten die zwei ältesten sie hätten so manchen feinen Stich gethan und hättens getroffen, da könnts ihnen nicht fehlen, sie müßtens auch hier treffen; der dritte war ein kleiner unnützer Springinsfeld, der nicht einmal sein Handwerk verstand, aber meinte er müßte dabei Glück haben, denn woher sollts ihm sonst kommen. Da sprachen die zwei andern zu ihm 'bleib nur zu Haus, du wirst mit deinem bischen Verstande nicht weit kommen.' Das Schneiderlein ließ sich aber nicht irre machen und sagte es hätte einmal seinen Kopf darauf gesetzt und wollte sich schon helfen, und gieng dahin als wäre die ganze Welt sein.

Da meldeten sich alle drei bei der Prinzessin und sagten sie sollte ihnen ihre Räthsel vorlegen: es wären die rechten Leute angekommen, die hätten einen feinen Verstand, daß man ihn wohl in eine Nadel fädeln könnte. Da sprach die Prinzessin 'ich habe

114.
Vom klugen Schneiderlein.

Es war einmal eine Prinzessin gewaltig stolz: kam ein Freier, so gab sie ihm etwas zu rathen auf, und wenn ers nicht errathen konnte, so ward er mit Spott fortgeschickt. Sie ließ auch bekannt machen, wer ihr Räthsel löste, sollte sich mit ihr vermählen, und möchte kommen wer da wollte. Endlich fanden sich auch drei Schneider zusammen, davon meinten die zwei ältesten sie hätten so manchen feinen Stich gethan und hättens getroffen, da könnts ihnen nicht fehlen, sie müßtens auch hier treffen; der dritte war ein kleiner unnützer Springinsfeld, der nicht einmal sein Handwerk verstand, aber meinte er müßte dabei Glück haben, denn woher sollts ihm sonst kommen. Da sprachen die zwei andern zu ihm ‘bleib nur zu Haus, du wirst mit deinem bischen Verstande nicht weit kommen.’ Das Schneiderlein ließ sich aber nicht irre machen und sagte es hätte einmal seinen Kopf darauf gesetzt und wollte sich schon helfen, und gieng dahin als wäre die ganze Welt sein.

Da meldeten sich alle drei bei der Prinzessin und sagten sie sollte ihnen ihre Räthsel vorlegen: es wären die rechten Leute angekommen, die hätten einen feinen Verstand, daß man ihn wohl in eine Nadel fädeln könnte. Da sprach die Prinzessin ‘ich habe

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0181" n="169"/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">114.<lb/>
Vom klugen Schneiderlein.</hi> </head><lb/>
        <p><hi rendition="#in">E</hi>s war einmal eine Prinzessin gewaltig stolz: kam ein Freier, so gab sie ihm etwas zu rathen auf, und wenn ers nicht errathen konnte, so ward er mit Spott fortgeschickt. Sie ließ auch bekannt machen, wer ihr Räthsel löste, sollte sich mit ihr vermählen, und möchte kommen wer da wollte. Endlich fanden sich auch drei Schneider zusammen, davon meinten die zwei ältesten sie hätten so manchen feinen Stich gethan und hättens getroffen, da könnts ihnen nicht fehlen, sie müßtens auch hier treffen; der dritte war ein kleiner unnützer Springinsfeld, der nicht einmal sein Handwerk verstand, aber meinte er müßte dabei Glück haben, denn woher sollts ihm sonst kommen. Da sprachen die zwei andern zu ihm &#x2018;bleib nur zu Haus, du wirst mit deinem bischen Verstande nicht weit kommen.&#x2019; Das Schneiderlein ließ sich aber nicht irre machen und sagte es hätte einmal seinen Kopf darauf gesetzt und wollte sich schon helfen, und gieng dahin als wäre die ganze Welt sein.</p><lb/>
        <p>Da meldeten sich alle drei bei der Prinzessin und sagten sie sollte ihnen ihre Räthsel vorlegen: es wären die rechten Leute angekommen, die hätten einen feinen Verstand, daß man ihn wohl in eine Nadel fädeln könnte. Da sprach die Prinzessin &#x2018;ich habe
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[169/0181] 114. Vom klugen Schneiderlein. Es war einmal eine Prinzessin gewaltig stolz: kam ein Freier, so gab sie ihm etwas zu rathen auf, und wenn ers nicht errathen konnte, so ward er mit Spott fortgeschickt. Sie ließ auch bekannt machen, wer ihr Räthsel löste, sollte sich mit ihr vermählen, und möchte kommen wer da wollte. Endlich fanden sich auch drei Schneider zusammen, davon meinten die zwei ältesten sie hätten so manchen feinen Stich gethan und hättens getroffen, da könnts ihnen nicht fehlen, sie müßtens auch hier treffen; der dritte war ein kleiner unnützer Springinsfeld, der nicht einmal sein Handwerk verstand, aber meinte er müßte dabei Glück haben, denn woher sollts ihm sonst kommen. Da sprachen die zwei andern zu ihm ‘bleib nur zu Haus, du wirst mit deinem bischen Verstande nicht weit kommen.’ Das Schneiderlein ließ sich aber nicht irre machen und sagte es hätte einmal seinen Kopf darauf gesetzt und wollte sich schon helfen, und gieng dahin als wäre die ganze Welt sein. Da meldeten sich alle drei bei der Prinzessin und sagten sie sollte ihnen ihre Räthsel vorlegen: es wären die rechten Leute angekommen, die hätten einen feinen Verstand, daß man ihn wohl in eine Nadel fädeln könnte. Da sprach die Prinzessin ‘ich habe

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-05-11T18:40:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-03T16:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1850
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1850/181
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 6. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1850, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1850/181>, abgerufen am 21.11.2024.