Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1843.ein kühles Lüftchen strich durch das Laub, und er war voll Freude und Lust. Noch war ihm kein Mensch begegnet, als er plötzlich die alte Hexe erblickte, die am Boden auf den Knien saß, und Gras mit einer Sichel abschnitt. Eine ganze Last hatte sie schon in ihr Tragtuch geschoben, und daneben standen zwei Körbe, die mit wilden Birnen und Äpfeln angefüllt waren. 'Aber, Mütterchen,' sprach er, 'wie kannst du das alles fortschaffen?' 'Ich muß sie tragen, lieber Herr,' antwortete sie, 'reicher Leute Kinder brauchen es nicht. Aber beim Bauer heißts schau dich nicht um, dein Buckel ist krumm. Wollt ihr mir helfen? Ihr habt noch einen geraden Rücken und junge Beine, es wird euch ein leichtes sein. Auch ist mein Haus nicht so weit von hier: hinter dem Berge dort steht es auf einer Heide. Wie bald seid ihr da hinauf gesprungen.' Der junge Mann empfand Mitleiden mit der Alten, 'zwar ist mein Vater kein Bauer,' antwortete er, 'sondern ein reicher Graf, aber damit ihr seht, daß die Bauern nicht allein tragen können, so will ich euer Bündel aufnehmen.' 'Wollt ihrs versuchen,' sprach sie, 'so soll mirs lieb sein. Eine Stunde weit werdet ihr freilich gehen müssen, aber was macht euch das aus! Dort die Äpfel und Birnen müßt ihr auch tragen.' Es kam dem jungen Grafen doch ein wenig bedenklich vor, als er von einer Stunde Wegs hörte, aber die Alte ließ ihn nicht wieder los, packte ihm das Tragtuch auf den Rücken, und hieng ihm die beiden Körbe an den Arm. 'Seht ihr, es geht ganz leicht,' sagte sie. 'Nein es geht nicht leicht' antwortete der Graf, und machte ein schmerzliches Gesicht, ein kühles Lüftchen strich durch das Laub, und er war voll Freude und Lust. Noch war ihm kein Mensch begegnet, als er plötzlich die alte Hexe erblickte, die am Boden auf den Knien saß, und Gras mit einer Sichel abschnitt. Eine ganze Last hatte sie schon in ihr Tragtuch geschoben, und daneben standen zwei Körbe, die mit wilden Birnen und Äpfeln angefüllt waren. ‘Aber, Mütterchen,’ sprach er, ‘wie kannst du das alles fortschaffen?’ ‘Ich muß sie tragen, lieber Herr,’ antwortete sie, ‘reicher Leute Kinder brauchen es nicht. Aber beim Bauer heißts schau dich nicht um, dein Buckel ist krumm. Wollt ihr mir helfen? Ihr habt noch einen geraden Rücken und junge Beine, es wird euch ein leichtes sein. Auch ist mein Haus nicht so weit von hier: hinter dem Berge dort steht es auf einer Heide. Wie bald seid ihr da hinauf gesprungen.’ Der junge Mann empfand Mitleiden mit der Alten, ‘zwar ist mein Vater kein Bauer,’ antwortete er, ‘sondern ein reicher Graf, aber damit ihr seht, daß die Bauern nicht allein tragen können, so will ich euer Bündel aufnehmen.’ ‘Wollt ihrs versuchen,’ sprach sie, ‘so soll mirs lieb sein. Eine Stunde weit werdet ihr freilich gehen müssen, aber was macht euch das aus! Dort die Äpfel und Birnen müßt ihr auch tragen.’ Es kam dem jungen Grafen doch ein wenig bedenklich vor, als er von einer Stunde Wegs hörte, aber die Alte ließ ihn nicht wieder los, packte ihm das Tragtuch auf den Rücken, und hieng ihm die beiden Körbe an den Arm. ‘Seht ihr, es geht ganz leicht,’ sagte sie. ‘Nein es geht nicht leicht’ antwortete der Graf, und machte ein schmerzliches Gesicht, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0419" n="409"/> ein kühles Lüftchen strich durch das Laub, und er war voll Freude und Lust. Noch war ihm kein Mensch begegnet, als er plötzlich die alte Hexe erblickte, die am Boden auf den Knien saß, und Gras mit einer Sichel abschnitt. Eine ganze Last hatte sie schon in ihr Tragtuch geschoben, und daneben standen zwei Körbe, die mit wilden Birnen und Äpfeln angefüllt waren. ‘Aber, Mütterchen,’ sprach er, ‘wie kannst du das alles fortschaffen?’ ‘Ich muß sie tragen, lieber Herr,’ antwortete sie, ‘reicher Leute Kinder brauchen es nicht. 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Dort die Äpfel und Birnen müßt ihr auch tragen.’ Es kam dem jungen Grafen doch ein wenig bedenklich vor, als er von einer Stunde Wegs hörte, aber die Alte ließ ihn nicht wieder los, packte ihm das Tragtuch auf den Rücken, und hieng ihm die beiden Körbe an den Arm. ‘Seht ihr, es geht ganz leicht,’ sagte sie. ‘Nein es geht nicht leicht’ antwortete der Graf, und machte ein schmerzliches Gesicht, </p> </div> </body> </text> </TEI> [409/0419]
ein kühles Lüftchen strich durch das Laub, und er war voll Freude und Lust. Noch war ihm kein Mensch begegnet, als er plötzlich die alte Hexe erblickte, die am Boden auf den Knien saß, und Gras mit einer Sichel abschnitt. Eine ganze Last hatte sie schon in ihr Tragtuch geschoben, und daneben standen zwei Körbe, die mit wilden Birnen und Äpfeln angefüllt waren. ‘Aber, Mütterchen,’ sprach er, ‘wie kannst du das alles fortschaffen?’ ‘Ich muß sie tragen, lieber Herr,’ antwortete sie, ‘reicher Leute Kinder brauchen es nicht. Aber beim Bauer heißts
schau dich nicht um,
dein Buckel ist krumm.
Wollt ihr mir helfen? Ihr habt noch einen geraden Rücken und junge Beine, es wird euch ein leichtes sein. Auch ist mein Haus nicht so weit von hier: hinter dem Berge dort steht es auf einer Heide. Wie bald seid ihr da hinauf gesprungen.’ Der junge Mann empfand Mitleiden mit der Alten, ‘zwar ist mein Vater kein Bauer,’ antwortete er, ‘sondern ein reicher Graf, aber damit ihr seht, daß die Bauern nicht allein tragen können, so will ich euer Bündel aufnehmen.’ ‘Wollt ihrs versuchen,’ sprach sie, ‘so soll mirs lieb sein. Eine Stunde weit werdet ihr freilich gehen müssen, aber was macht euch das aus! Dort die Äpfel und Birnen müßt ihr auch tragen.’ Es kam dem jungen Grafen doch ein wenig bedenklich vor, als er von einer Stunde Wegs hörte, aber die Alte ließ ihn nicht wieder los, packte ihm das Tragtuch auf den Rücken, und hieng ihm die beiden Körbe an den Arm. ‘Seht ihr, es geht ganz leicht,’ sagte sie. ‘Nein es geht nicht leicht’ antwortete der Graf, und machte ein schmerzliches Gesicht,
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