Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1843.alles wie am vorigen Tag. Das Mädchen kochte eine gute Speise, aß und trank mit dem Alten, und kümmerte sich nicht um die Thiere. Und als es sich nach seinem Nachtlager erkundigte antworteten sie 'du hast mit ihm gegessen, du hast mit ihm getrunken, du hast an uns gar nicht gedacht, nun sieh auch wo du bleibst die Nacht.' Als es eingeschlafen war, kam der Alte, betrachtete es mit Kopfschütteln, und ließ es in den Keller hinab. Am dritten Morgen sprach der Holzhacker zu seiner Frau 'schicke mir heute unser jüngstes Kind mit dem Essen hinaus, das ist immer gut und gehorsam gewesen, das wird auf dem rechten Weg bleiben, und nicht wie seine Schwestern, die wilden Hummeln, herum schwärmen.' Die Mutter wollte nicht, und sprach 'soll ich mein liebstes Kind auch noch verlieren?' 'Sei ohne Sorge,' antwortete er, 'das Mädchen verirrt sich nicht, es ist zu klug und verständig; zum Überfluß will ich Erbsen mitnehmen, und ausstreuen, die sind noch größer als Linsen, und werden ihm den Weg zeigen.' Aber als das Mädchen mit dem Korb am Arm hinaus kam, so hatten die Waldtauben alle die Erbsen schon im Kropf, und es wußte nicht wohin es sich wenden sollte. Es war voll Sorgen, und dachte beständig daran wie der arme Vater hungern und die gute Mutter jammern würde, wenn es ausbliebe. Endlich als es finster ward, erblickte es das Lichtchen, und kam an das Waldhaus. Es bat ganz freundlich sie möchten es über Nacht beherbergen, und der Mann mit dem weißen Bart fragte wieder seine Thiere alles wie am vorigen Tag. Das Mädchen kochte eine gute Speise, aß und trank mit dem Alten, und kümmerte sich nicht um die Thiere. Und als es sich nach seinem Nachtlager erkundigte antworteten sie ‘du hast mit ihm gegessen, du hast mit ihm getrunken, du hast an uns gar nicht gedacht, nun sieh auch wo du bleibst die Nacht.’ Als es eingeschlafen war, kam der Alte, betrachtete es mit Kopfschütteln, und ließ es in den Keller hinab. Am dritten Morgen sprach der Holzhacker zu seiner Frau ‘schicke mir heute unser jüngstes Kind mit dem Essen hinaus, das ist immer gut und gehorsam gewesen, das wird auf dem rechten Weg bleiben, und nicht wie seine Schwestern, die wilden Hummeln, herum schwärmen.’ Die Mutter wollte nicht, und sprach ‘soll ich mein liebstes Kind auch noch verlieren?’ ‘Sei ohne Sorge,’ antwortete er, ‘das Mädchen verirrt sich nicht, es ist zu klug und verständig; zum Überfluß will ich Erbsen mitnehmen, und ausstreuen, die sind noch größer als Linsen, und werden ihm den Weg zeigen.’ Aber als das Mädchen mit dem Korb am Arm hinaus kam, so hatten die Waldtauben alle die Erbsen schon im Kropf, und es wußte nicht wohin es sich wenden sollte. Es war voll Sorgen, und dachte beständig daran wie der arme Vater hungern und die gute Mutter jammern würde, wenn es ausbliebe. Endlich als es finster ward, erblickte es das Lichtchen, und kam an das Waldhaus. Es bat ganz freundlich sie möchten es über Nacht beherbergen, und der Mann mit dem weißen Bart fragte wieder seine Thiere <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0388" n="378"/> alles wie am vorigen Tag. Das Mädchen kochte eine gute Speise, aß und trank mit dem Alten, und kümmerte sich nicht um die Thiere. Und als es sich nach seinem Nachtlager erkundigte antworteten sie</p><lb/> <lg type="poem"> <l>‘du hast mit ihm gegessen,</l><lb/> <l>du hast mit ihm getrunken,</l><lb/> <l>du hast an uns gar nicht gedacht,</l><lb/> <l>nun sieh auch wo du bleibst die Nacht.’</l><lb/> </lg> <p>Als es eingeschlafen war, kam der Alte, betrachtete es mit Kopfschütteln, und ließ es in den Keller hinab.</p><lb/> <p>Am dritten Morgen sprach der Holzhacker zu seiner Frau ‘schicke mir heute unser jüngstes Kind mit dem Essen hinaus, das ist immer gut und gehorsam gewesen, das wird auf dem rechten Weg bleiben, und nicht wie seine Schwestern, die wilden Hummeln, herum schwärmen.’ Die Mutter wollte nicht, und sprach ‘soll ich mein liebstes Kind auch noch verlieren?’ ‘Sei ohne Sorge,’ antwortete er, ‘das Mädchen verirrt sich nicht, es ist zu klug und verständig; zum Überfluß will ich Erbsen mitnehmen, und ausstreuen, die sind noch größer als Linsen, und werden ihm den Weg zeigen.’ Aber als das Mädchen mit dem Korb am Arm hinaus kam, so hatten die Waldtauben alle die Erbsen schon im Kropf, und es wußte nicht wohin es sich wenden sollte. Es war voll Sorgen, und dachte beständig daran wie der arme Vater hungern und die gute Mutter jammern würde, wenn es ausbliebe. Endlich als es finster ward, erblickte es das Lichtchen, und kam an das Waldhaus. Es bat ganz freundlich sie möchten es über Nacht beherbergen, und der Mann mit dem weißen Bart fragte wieder seine Thiere</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [378/0388]
alles wie am vorigen Tag. Das Mädchen kochte eine gute Speise, aß und trank mit dem Alten, und kümmerte sich nicht um die Thiere. Und als es sich nach seinem Nachtlager erkundigte antworteten sie
‘du hast mit ihm gegessen,
du hast mit ihm getrunken,
du hast an uns gar nicht gedacht,
nun sieh auch wo du bleibst die Nacht.’
Als es eingeschlafen war, kam der Alte, betrachtete es mit Kopfschütteln, und ließ es in den Keller hinab.
Am dritten Morgen sprach der Holzhacker zu seiner Frau ‘schicke mir heute unser jüngstes Kind mit dem Essen hinaus, das ist immer gut und gehorsam gewesen, das wird auf dem rechten Weg bleiben, und nicht wie seine Schwestern, die wilden Hummeln, herum schwärmen.’ Die Mutter wollte nicht, und sprach ‘soll ich mein liebstes Kind auch noch verlieren?’ ‘Sei ohne Sorge,’ antwortete er, ‘das Mädchen verirrt sich nicht, es ist zu klug und verständig; zum Überfluß will ich Erbsen mitnehmen, und ausstreuen, die sind noch größer als Linsen, und werden ihm den Weg zeigen.’ Aber als das Mädchen mit dem Korb am Arm hinaus kam, so hatten die Waldtauben alle die Erbsen schon im Kropf, und es wußte nicht wohin es sich wenden sollte. Es war voll Sorgen, und dachte beständig daran wie der arme Vater hungern und die gute Mutter jammern würde, wenn es ausbliebe. Endlich als es finster ward, erblickte es das Lichtchen, und kam an das Waldhaus. Es bat ganz freundlich sie möchten es über Nacht beherbergen, und der Mann mit dem weißen Bart fragte wieder seine Thiere
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2015-05-11T18:40:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2017-11-08T15:10:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-06-01T16:12:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |