Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1843.Ritter 'das ist ja wunderlich, daß der Baum euch zugehören soll, und ihr doch nicht Macht habt etwas davon abzubrechen.' Sie blieben dabei, der Baum wäre ihr Eigenthum. Indem sie aber so sprachen, rollte Zweiäuglein unter dem Fasse ein paar goldene Äpfel hervor, so daß sie zu den Füßen des Ritters liefen, denn es war bös daß Einäuglein und Dreiäuglein nicht die Wahrheit sagten. Wie der Ritter die Äpfel sah, erstaunte er, und fragte wo sie herkämen? Einäuglein und Dreiäuglein antworteten sie hätten noch eine Schwester, die dürfte sich aber nicht sehen lassen, weil sie nur zwei Augen hätte, wie andere gemeine Menschen. Der Ritter aber wollte sie sehen, und rief 'Zweiäuglein, komm hervor.' Da kam Zweiäuglein ganz getrost unter dem Faß hervor, und der Ritter war verwundert über die große Schönheit, und sprach 'du, Zweiäuglein, kannst mir gewiß einen Zweig von dem Baum abbrechen.' 'Ja,' antwortete Zweiäuglein 'das will ich wohl können, denn der Baum gehört mir;' und stieg hinauf, und brach mit leichter Mühe einen Zweig mit seinen silbernen Blättern und goldenen Früchten ab, und gab ihn dem Ritter. Da sprach der Ritter 'Zweiäuglein, was soll ich dir dafür geben?' 'Ach,' antwortete Zweiäuglein, 'ich leide Hunger und Durst, Kummer und Noth, vom Morgen bis zum Abend, wenn ihr mich mitnehmen und erlösen wollt, so wäre ich glücklich.' Da hob der Ritter das Zweiäuglein auf sein Pferd, und brachte es heim auf sein väterliches Schloß, dort gab er ihm schöne Kleider, Essen und Trinken nach Herzenslust, und weil er es so lieb hatte, ließ er sich mit ihr einsegnen, und ward die Hochzeit in großer Freude gehalten. Ritter ‘das ist ja wunderlich, daß der Baum euch zugehören soll, und ihr doch nicht Macht habt etwas davon abzubrechen.’ Sie blieben dabei, der Baum wäre ihr Eigenthum. Indem sie aber so sprachen, rollte Zweiäuglein unter dem Fasse ein paar goldene Äpfel hervor, so daß sie zu den Füßen des Ritters liefen, denn es war bös daß Einäuglein und Dreiäuglein nicht die Wahrheit sagten. Wie der Ritter die Äpfel sah, erstaunte er, und fragte wo sie herkämen? Einäuglein und Dreiäuglein antworteten sie hätten noch eine Schwester, die dürfte sich aber nicht sehen lassen, weil sie nur zwei Augen hätte, wie andere gemeine Menschen. Der Ritter aber wollte sie sehen, und rief ‘Zweiäuglein, komm hervor.’ Da kam Zweiäuglein ganz getrost unter dem Faß hervor, und der Ritter war verwundert über die große Schönheit, und sprach ‘du, Zweiäuglein, kannst mir gewiß einen Zweig von dem Baum abbrechen.’ ‘Ja,’ antwortete Zweiäuglein ‘das will ich wohl können, denn der Baum gehört mir;’ und stieg hinauf, und brach mit leichter Mühe einen Zweig mit seinen silbernen Blättern und goldenen Früchten ab, und gab ihn dem Ritter. Da sprach der Ritter ‘Zweiäuglein, was soll ich dir dafür geben?’ ‘Ach,’ antwortete Zweiäuglein, ‘ich leide Hunger und Durst, Kummer und Noth, vom Morgen bis zum Abend, wenn ihr mich mitnehmen und erlösen wollt, so wäre ich glücklich.’ Da hob der Ritter das Zweiäuglein auf sein Pferd, und brachte es heim auf sein väterliches Schloß, dort gab er ihm schöne Kleider, Essen und Trinken nach Herzenslust, und weil er es so lieb hatte, ließ er sich mit ihr einsegnen, und ward die Hochzeit in großer Freude gehalten. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0263" n="253"/> Ritter ‘das ist ja wunderlich, daß der Baum euch zugehören soll, und ihr doch nicht Macht habt etwas davon abzubrechen.’ Sie blieben dabei, der Baum wäre ihr Eigenthum. Indem sie aber so sprachen, rollte Zweiäuglein unter dem Fasse ein paar goldene Äpfel hervor, so daß sie zu den Füßen des Ritters liefen, denn es war bös daß Einäuglein und Dreiäuglein nicht die Wahrheit sagten. Wie der Ritter die Äpfel sah, erstaunte er, und fragte wo sie herkämen? Einäuglein und Dreiäuglein antworteten sie hätten noch eine Schwester, die dürfte sich aber nicht sehen lassen, weil sie nur zwei Augen hätte, wie andere gemeine Menschen. Der Ritter aber wollte sie sehen, und rief ‘Zweiäuglein, komm hervor.’ Da kam Zweiäuglein ganz getrost unter dem Faß hervor, und der Ritter war verwundert über die große Schönheit, und sprach ‘du, Zweiäuglein, kannst mir gewiß einen Zweig von dem Baum abbrechen.’ ‘Ja,’ antwortete Zweiäuglein ‘das will ich wohl können, denn der Baum gehört mir;’ und stieg hinauf, und brach mit leichter Mühe einen Zweig mit seinen silbernen Blättern und goldenen Früchten ab, und gab ihn dem Ritter. Da sprach der Ritter ‘Zweiäuglein, was soll ich dir dafür geben?’ ‘Ach,’ antwortete Zweiäuglein, ‘ich leide Hunger und Durst, Kummer und Noth, vom Morgen bis zum Abend, wenn ihr mich mitnehmen und erlösen wollt, so wäre ich glücklich.’ Da hob der Ritter das Zweiäuglein auf sein Pferd, und brachte es heim auf sein väterliches Schloß, dort gab er ihm schöne Kleider, Essen und Trinken nach Herzenslust, und weil er es so lieb hatte, ließ er sich mit ihr einsegnen, und ward die Hochzeit in großer Freude gehalten.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [253/0263]
Ritter ‘das ist ja wunderlich, daß der Baum euch zugehören soll, und ihr doch nicht Macht habt etwas davon abzubrechen.’ Sie blieben dabei, der Baum wäre ihr Eigenthum. Indem sie aber so sprachen, rollte Zweiäuglein unter dem Fasse ein paar goldene Äpfel hervor, so daß sie zu den Füßen des Ritters liefen, denn es war bös daß Einäuglein und Dreiäuglein nicht die Wahrheit sagten. Wie der Ritter die Äpfel sah, erstaunte er, und fragte wo sie herkämen? Einäuglein und Dreiäuglein antworteten sie hätten noch eine Schwester, die dürfte sich aber nicht sehen lassen, weil sie nur zwei Augen hätte, wie andere gemeine Menschen. Der Ritter aber wollte sie sehen, und rief ‘Zweiäuglein, komm hervor.’ Da kam Zweiäuglein ganz getrost unter dem Faß hervor, und der Ritter war verwundert über die große Schönheit, und sprach ‘du, Zweiäuglein, kannst mir gewiß einen Zweig von dem Baum abbrechen.’ ‘Ja,’ antwortete Zweiäuglein ‘das will ich wohl können, denn der Baum gehört mir;’ und stieg hinauf, und brach mit leichter Mühe einen Zweig mit seinen silbernen Blättern und goldenen Früchten ab, und gab ihn dem Ritter. Da sprach der Ritter ‘Zweiäuglein, was soll ich dir dafür geben?’ ‘Ach,’ antwortete Zweiäuglein, ‘ich leide Hunger und Durst, Kummer und Noth, vom Morgen bis zum Abend, wenn ihr mich mitnehmen und erlösen wollt, so wäre ich glücklich.’ Da hob der Ritter das Zweiäuglein auf sein Pferd, und brachte es heim auf sein väterliches Schloß, dort gab er ihm schöne Kleider, Essen und Trinken nach Herzenslust, und weil er es so lieb hatte, ließ er sich mit ihr einsegnen, und ward die Hochzeit in großer Freude gehalten.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2015-05-11T18:40:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2017-11-08T15:10:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-06-01T16:12:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |