Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1843.Nüsse aus der Tasche, biß sie auf und aß die Kerne; wie der Bär das sah, kriegte er Lust, und wollte auch Nüsse haben. Das Schneiderlein griff in die Tasche, und reichte ihm eine Hand voll; es waren aber keine Nüsse, sondern Wackersteine. Der Bär steckte sie ins Maul, konnte aber nichts aufbringen, er mochte beißen wie er wollte. 'Ei,' dachte er 'was bist du für ein dummer Klotz! kannst nicht einmal die Nüsse aufbeißen,' und sprach zum Schneiderlein 'mein, beiß mir die Nüsse auf.' 'Da siehst du was du für ein Kerl bist,' sprach das Schneiderlein, 'hast so ein großes Maul, und kannst die kleine Nuß nicht aufbeißen.' Da nahm es die Steine, war hurtig, steckte dafür eine Nuß in den Mund, und knack, war sie entzwei. 'Ich muß das Ding noch einmal probieren,' sprach der Bär, 'wenn ichs so ansehe, ich mein ich müßts können.' Da gab ihm das Schneiderlein wieder die Wackersteine, und der Bär arbeitete und biß aus allen Leibeskräften hinein: aber du glaubst auch nicht daß er sie aufgebracht hat. Wie das vorbei war, holte das Schneiderlein eine Violine unter dem Rock hervor, und spielte sich ein Stückchen darauf. Als der Bär das hörte, konnte er es nicht lassen, und fieng an zu tanzen, und als er ein Weilchen getanzt hatte, gefiel ihm das Ding so wohl, daß er zum Schneiderlein sprach 'hör, ist das Geigen schwer?' 'Gar nicht, siehst du, mit der Linken leg ich die Finger auf, und mit der Rechten streich ich mit dem Bogen drauf los, da gehts lustig, hopsasa, vivallalera!' 'Willst du mir Unterricht geben?' sprach der Bär, 'so geigen, das möcht ich auch verstehen, damit ich tanzen könnte wann ich Lust hätte.' 'Von Herzen gern,' sagte Nüsse aus der Tasche, biß sie auf und aß die Kerne; wie der Bär das sah, kriegte er Lust, und wollte auch Nüsse haben. Das Schneiderlein griff in die Tasche, und reichte ihm eine Hand voll; es waren aber keine Nüsse, sondern Wackersteine. Der Bär steckte sie ins Maul, konnte aber nichts aufbringen, er mochte beißen wie er wollte. ‘Ei,’ dachte er ‘was bist du für ein dummer Klotz! kannst nicht einmal die Nüsse aufbeißen,’ und sprach zum Schneiderlein ‘mein, beiß mir die Nüsse auf.’ ‘Da siehst du was du für ein Kerl bist,’ sprach das Schneiderlein, ‘hast so ein großes Maul, und kannst die kleine Nuß nicht aufbeißen.’ Da nahm es die Steine, war hurtig, steckte dafür eine Nuß in den Mund, und knack, war sie entzwei. ‘Ich muß das Ding noch einmal probieren,’ sprach der Bär, ‘wenn ichs so ansehe, ich mein ich müßts können.’ Da gab ihm das Schneiderlein wieder die Wackersteine, und der Bär arbeitete und biß aus allen Leibeskräften hinein: aber du glaubst auch nicht daß er sie aufgebracht hat. Wie das vorbei war, holte das Schneiderlein eine Violine unter dem Rock hervor, und spielte sich ein Stückchen darauf. Als der Bär das hörte, konnte er es nicht lassen, und fieng an zu tanzen, und als er ein Weilchen getanzt hatte, gefiel ihm das Ding so wohl, daß er zum Schneiderlein sprach ‘hör, ist das Geigen schwer?’ ‘Gar nicht, siehst du, mit der Linken leg ich die Finger auf, und mit der Rechten streich ich mit dem Bogen drauf los, da gehts lustig, hopsasa, vivallalera!’ ‘Willst du mir Unterricht geben?’ sprach der Bär, ‘so geigen, das möcht ich auch verstehen, damit ich tanzen könnte wann ich Lust hätte.’ ‘Von Herzen gern,’ sagte <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0179" n="169"/> Nüsse aus der Tasche, biß sie auf und aß die Kerne; wie der Bär das sah, kriegte er Lust, und wollte auch Nüsse haben. Das Schneiderlein griff in die Tasche, und reichte ihm eine Hand voll; es waren aber keine Nüsse, sondern Wackersteine. Der Bär steckte sie ins Maul, konnte aber nichts aufbringen, er mochte beißen wie er wollte. ‘Ei,’ dachte er ‘was bist du für ein dummer Klotz! kannst nicht einmal die Nüsse aufbeißen,’ und sprach zum Schneiderlein ‘mein, beiß mir die Nüsse auf.’ ‘Da siehst du was du für ein Kerl bist,’ sprach das Schneiderlein, ‘hast so ein großes Maul, und kannst die kleine Nuß nicht aufbeißen.’ Da nahm es die Steine, war hurtig, steckte dafür eine Nuß in den Mund, und knack, war sie entzwei. ‘Ich muß das Ding noch einmal probieren,’ sprach der Bär, ‘wenn ichs so ansehe, ich mein ich müßts können.’ Da gab ihm das Schneiderlein wieder die Wackersteine, und der Bär arbeitete und biß aus allen Leibeskräften hinein: aber du glaubst auch nicht daß er sie aufgebracht hat. Wie das vorbei war, holte das Schneiderlein eine Violine unter dem Rock hervor, und spielte sich ein Stückchen darauf. Als der Bär das hörte, konnte er es nicht lassen, und fieng an zu tanzen, und als er ein Weilchen getanzt hatte, gefiel ihm das Ding so wohl, daß er zum Schneiderlein sprach ‘hör, ist das Geigen schwer?’ ‘Gar nicht, siehst du, mit der Linken leg ich die Finger auf, und mit der Rechten streich ich mit dem Bogen drauf los, da gehts lustig, hopsasa, vivallalera!’ ‘Willst du mir Unterricht geben?’ sprach der Bär, ‘so geigen, das möcht ich auch verstehen, damit ich tanzen könnte wann ich Lust hätte.’ ‘Von Herzen gern,’ sagte </p> </div> </body> </text> </TEI> [169/0179]
Nüsse aus der Tasche, biß sie auf und aß die Kerne; wie der Bär das sah, kriegte er Lust, und wollte auch Nüsse haben. Das Schneiderlein griff in die Tasche, und reichte ihm eine Hand voll; es waren aber keine Nüsse, sondern Wackersteine. Der Bär steckte sie ins Maul, konnte aber nichts aufbringen, er mochte beißen wie er wollte. ‘Ei,’ dachte er ‘was bist du für ein dummer Klotz! kannst nicht einmal die Nüsse aufbeißen,’ und sprach zum Schneiderlein ‘mein, beiß mir die Nüsse auf.’ ‘Da siehst du was du für ein Kerl bist,’ sprach das Schneiderlein, ‘hast so ein großes Maul, und kannst die kleine Nuß nicht aufbeißen.’ Da nahm es die Steine, war hurtig, steckte dafür eine Nuß in den Mund, und knack, war sie entzwei. ‘Ich muß das Ding noch einmal probieren,’ sprach der Bär, ‘wenn ichs so ansehe, ich mein ich müßts können.’ Da gab ihm das Schneiderlein wieder die Wackersteine, und der Bär arbeitete und biß aus allen Leibeskräften hinein: aber du glaubst auch nicht daß er sie aufgebracht hat. Wie das vorbei war, holte das Schneiderlein eine Violine unter dem Rock hervor, und spielte sich ein Stückchen darauf. Als der Bär das hörte, konnte er es nicht lassen, und fieng an zu tanzen, und als er ein Weilchen getanzt hatte, gefiel ihm das Ding so wohl, daß er zum Schneiderlein sprach ‘hör, ist das Geigen schwer?’ ‘Gar nicht, siehst du, mit der Linken leg ich die Finger auf, und mit der Rechten streich ich mit dem Bogen drauf los, da gehts lustig, hopsasa, vivallalera!’ ‘Willst du mir Unterricht geben?’ sprach der Bär, ‘so geigen, das möcht ich auch verstehen, damit ich tanzen könnte wann ich Lust hätte.’ ‘Von Herzen gern,’ sagte
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2015-05-11T18:40:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2017-11-08T15:10:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-06-01T16:12:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |