Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 4. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite
123.
Die Alte im Wald.

Es fuhr einmal ein armes Dienstmädchen mit seiner Herrschaft durch einen großen Wald, und als sie mitten darin waren, kamen Räuber aus dem Dickicht hervor, und ermordeten wen sie fanden. Da kamen alle mit einander um bis auf das Mädchen, das war in der Angst aus dem Wagen gesprungen, und hatte sich hinter einen Baum verborgen. Wie die Räuber mit ihrer Beute fort waren, trat es herbei, und sah das große Unglück. Da fieng es an bitterlich zu weinen, und sagte 'was soll ich armes Mädchen nun anfangen, ich weiß mich nicht aus dem Wald heraus zu finden, keine Menschenseele wohnt darin, so muß ich gewiß verhungern.' Es gieng herum, suchte einen Weg, konnte aber keinen finden. Als es Abend war, setzte es sich unter einen Baum, befahl sich Gott, und wollte da sitzen bleiben, und nicht weggehen, möchte geschehen was immer wollte. Als es aber eine Weile da gesessen hatte, kam ein weiß Täubchen zu ihm geflogen, und hatte ein kleines goldenes Schlüsselchen im Schnabel. Das Schlüsselchen legte es ihm in die Hand, und sprach 'siehst du dort den großen Baum, daran ist ein kleines Schloß, daß schließ mit dem Schlüsselchen auf, so wirst du Speise genug finden, und keinen

123.
Die Alte im Wald.

Es fuhr einmal ein armes Dienstmädchen mit seiner Herrschaft durch einen großen Wald, und als sie mitten darin waren, kamen Räuber aus dem Dickicht hervor, und ermordeten wen sie fanden. Da kamen alle mit einander um bis auf das Mädchen, das war in der Angst aus dem Wagen gesprungen, und hatte sich hinter einen Baum verborgen. Wie die Räuber mit ihrer Beute fort waren, trat es herbei, und sah das große Unglück. Da fieng es an bitterlich zu weinen, und sagte ‘was soll ich armes Mädchen nun anfangen, ich weiß mich nicht aus dem Wald heraus zu finden, keine Menschenseele wohnt darin, so muß ich gewiß verhungern.’ Es gieng herum, suchte einen Weg, konnte aber keinen finden. Als es Abend war, setzte es sich unter einen Baum, befahl sich Gott, und wollte da sitzen bleiben, und nicht weggehen, möchte geschehen was immer wollte. Als es aber eine Weile da gesessen hatte, kam ein weiß Täubchen zu ihm geflogen, und hatte ein kleines goldenes Schlüsselchen im Schnabel. Das Schlüsselchen legte es ihm in die Hand, und sprach ‘siehst du dort den großen Baum, daran ist ein kleines Schloß, daß schließ mit dem Schlüsselchen auf, so wirst du Speise genug finden, und keinen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0221" n="200"/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">123.<lb/>
Die Alte im Wald.</hi> </head><lb/>
        <p><hi rendition="#in">E</hi>s fuhr einmal ein armes Dienstmädchen mit seiner Herrschaft durch einen großen Wald, und als sie mitten darin waren, kamen Räuber aus dem Dickicht hervor, und ermordeten wen sie fanden. Da kamen alle mit einander um bis auf das Mädchen, das war in der Angst aus dem Wagen gesprungen, und hatte sich hinter einen Baum verborgen. Wie die Räuber mit ihrer Beute fort waren, trat es herbei, und sah das große Unglück. Da fieng es an bitterlich zu weinen, und sagte &#x2018;was soll ich armes Mädchen nun anfangen, ich weiß mich nicht aus dem Wald heraus zu finden, keine Menschenseele wohnt darin, so muß ich gewiß verhungern.&#x2019; Es gieng herum, suchte einen Weg, konnte aber keinen finden. Als es Abend war, setzte es sich unter einen Baum, befahl sich Gott, und wollte da sitzen bleiben, und nicht weggehen, möchte geschehen was immer wollte. Als es aber eine Weile da gesessen hatte, kam ein weiß Täubchen zu ihm geflogen, und hatte ein kleines goldenes Schlüsselchen im Schnabel. Das Schlüsselchen legte es ihm in die Hand, und sprach &#x2018;siehst du dort den großen Baum, daran ist ein kleines Schloß, daß schließ mit dem Schlüsselchen auf, so wirst du Speise genug finden, und keinen
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[200/0221] 123. Die Alte im Wald. Es fuhr einmal ein armes Dienstmädchen mit seiner Herrschaft durch einen großen Wald, und als sie mitten darin waren, kamen Räuber aus dem Dickicht hervor, und ermordeten wen sie fanden. Da kamen alle mit einander um bis auf das Mädchen, das war in der Angst aus dem Wagen gesprungen, und hatte sich hinter einen Baum verborgen. Wie die Räuber mit ihrer Beute fort waren, trat es herbei, und sah das große Unglück. Da fieng es an bitterlich zu weinen, und sagte ‘was soll ich armes Mädchen nun anfangen, ich weiß mich nicht aus dem Wald heraus zu finden, keine Menschenseele wohnt darin, so muß ich gewiß verhungern.’ Es gieng herum, suchte einen Weg, konnte aber keinen finden. Als es Abend war, setzte es sich unter einen Baum, befahl sich Gott, und wollte da sitzen bleiben, und nicht weggehen, möchte geschehen was immer wollte. Als es aber eine Weile da gesessen hatte, kam ein weiß Täubchen zu ihm geflogen, und hatte ein kleines goldenes Schlüsselchen im Schnabel. Das Schlüsselchen legte es ihm in die Hand, und sprach ‘siehst du dort den großen Baum, daran ist ein kleines Schloß, daß schließ mit dem Schlüsselchen auf, so wirst du Speise genug finden, und keinen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Herzogin Anna Amalia Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2017-11-08T15:10:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-05-27T16:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1840/221
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 4. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1840, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1840/221>, abgerufen am 03.12.2024.