Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 4. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Königssohn dankte Gott für die große Gnade, und zog mit seinem Löwen weiter in der Welt herum. Nun trug es sich zu daß er vor ein Schloß kam, welches verwünscht war; in dem Thor stand eine Jungfrau von schöner Gestalt und feinem Antlitz, aber sie war ganz schwarz. Sie redete ihn an, und sprach 'ach, könntest du mich erlösen aus dem Zauber, der mich hier hält, und Gewalt über mich hat!' Da sagte der Königssohn 'was soll ich thun, dich zu befreien?' Die Jungfrau antwortete 'drei Nächte mußt du in dem großen Saal des verwünschten Schlosses zubringen, aber es darf keine Furcht in dein Herz kommen. Hältst du aus was dir böses angethan wird, ohne einen Laut von dir zu geben, so bin ich erlöst; das Leben dürfen sie dir doch nicht nehmen.' Da sprach der Königssohn 'ich wills mit Gottes Hülfe versuchen, ich fürchte nichts auf der ganzen Welt.' Also gieng er fröhlich in das Schloß, setzte sich in den großen Saal, und wartete bis die Nacht kam. Es war still und ruhig bis Mitternacht, da fieng der Lärm an: nicht bloß durch die Thüren, auch aus allen Ecken und Winkeln kamen kleine Teufel herbei. Sie thaten als ob sie ihn nicht sähen, setzten sich mitten in die Stube, machten ein Feuer an, und fiengen an zu spielen. Wenn einer verlor, sprach er 'es ist nicht richtig, es ist einer da, der nicht zu uns gehört, der ist Schuld, daß ich verliere.' 'Wart ich komme, du hinter dem Ofen,' sagte ein anderer. Das Schreien ward auch immer größer und so arg, daß es niemand ohne Schrecken hätte anhören können. Der Königssohn aber fürchtete sich nicht, doch endlich sprangen die Teufel auf, und fielen über ihn her, und es

Der Königssohn dankte Gott für die große Gnade, und zog mit seinem Löwen weiter in der Welt herum. Nun trug es sich zu daß er vor ein Schloß kam, welches verwünscht war; in dem Thor stand eine Jungfrau von schöner Gestalt und feinem Antlitz, aber sie war ganz schwarz. Sie redete ihn an, und sprach ‘ach, könntest du mich erlösen aus dem Zauber, der mich hier hält, und Gewalt über mich hat!’ Da sagte der Königssohn ‘was soll ich thun, dich zu befreien?’ Die Jungfrau antwortete ‘drei Nächte mußt du in dem großen Saal des verwünschten Schlosses zubringen, aber es darf keine Furcht in dein Herz kommen. Hältst du aus was dir böses angethan wird, ohne einen Laut von dir zu geben, so bin ich erlöst; das Leben dürfen sie dir doch nicht nehmen.’ Da sprach der Königssohn ‘ich wills mit Gottes Hülfe versuchen, ich fürchte nichts auf der ganzen Welt.’ Also gieng er fröhlich in das Schloß, setzte sich in den großen Saal, und wartete bis die Nacht kam. Es war still und ruhig bis Mitternacht, da fieng der Lärm an: nicht bloß durch die Thüren, auch aus allen Ecken und Winkeln kamen kleine Teufel herbei. Sie thaten als ob sie ihn nicht sähen, setzten sich mitten in die Stube, machten ein Feuer an, und fiengen an zu spielen. Wenn einer verlor, sprach er ‘es ist nicht richtig, es ist einer da, der nicht zu uns gehört, der ist Schuld, daß ich verliere.’ ‘Wart ich komme, du hinter dem Ofen,’ sagte ein anderer. Das Schreien ward auch immer größer und so arg, daß es niemand ohne Schrecken hätte anhören können. Der Königssohn aber fürchtete sich nicht, doch endlich sprangen die Teufel auf, und fielen über ihn her, und es

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0209" n="188"/>
        <p> Der Königssohn dankte Gott für die große Gnade, und zog mit seinem Löwen weiter in der Welt herum. Nun trug es sich zu daß er vor ein Schloß kam, welches verwünscht war; in dem Thor stand eine Jungfrau von schöner Gestalt und feinem Antlitz, aber sie war ganz schwarz. Sie redete ihn an, und sprach &#x2018;ach, könntest du mich erlösen aus dem Zauber, der mich hier hält, und Gewalt über mich hat!&#x2019; Da sagte der Königssohn &#x2018;was soll ich thun, dich zu befreien?&#x2019; Die Jungfrau antwortete &#x2018;drei Nächte mußt du in dem großen Saal des verwünschten Schlosses zubringen, aber es darf keine Furcht in dein Herz kommen. Hältst du aus was dir böses angethan wird, ohne einen Laut von dir zu geben, so bin ich erlöst; das Leben dürfen sie dir doch nicht nehmen.&#x2019; Da sprach der Königssohn &#x2018;ich wills mit Gottes Hülfe versuchen, ich fürchte nichts auf der ganzen Welt.&#x2019; Also gieng er fröhlich in das Schloß, setzte sich in den großen Saal, und wartete bis die Nacht kam. Es war still und ruhig bis Mitternacht, da fieng der Lärm an: nicht bloß durch die Thüren, auch aus allen Ecken und Winkeln kamen kleine Teufel herbei. Sie thaten als ob sie ihn nicht sähen, setzten sich mitten in die Stube, machten ein Feuer an, und fiengen an zu spielen. Wenn einer verlor, sprach er &#x2018;es ist nicht richtig, es ist einer da, der nicht zu uns gehört, der ist Schuld, daß ich verliere.&#x2019; &#x2018;Wart ich komme, du hinter dem Ofen,&#x2019; sagte ein anderer. Das Schreien ward auch immer größer und so arg, daß es niemand ohne Schrecken hätte anhören können. Der Königssohn aber fürchtete sich nicht, doch endlich sprangen die Teufel auf, und fielen über ihn her, und es
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[188/0209] Der Königssohn dankte Gott für die große Gnade, und zog mit seinem Löwen weiter in der Welt herum. Nun trug es sich zu daß er vor ein Schloß kam, welches verwünscht war; in dem Thor stand eine Jungfrau von schöner Gestalt und feinem Antlitz, aber sie war ganz schwarz. Sie redete ihn an, und sprach ‘ach, könntest du mich erlösen aus dem Zauber, der mich hier hält, und Gewalt über mich hat!’ Da sagte der Königssohn ‘was soll ich thun, dich zu befreien?’ Die Jungfrau antwortete ‘drei Nächte mußt du in dem großen Saal des verwünschten Schlosses zubringen, aber es darf keine Furcht in dein Herz kommen. Hältst du aus was dir böses angethan wird, ohne einen Laut von dir zu geben, so bin ich erlöst; das Leben dürfen sie dir doch nicht nehmen.’ Da sprach der Königssohn ‘ich wills mit Gottes Hülfe versuchen, ich fürchte nichts auf der ganzen Welt.’ Also gieng er fröhlich in das Schloß, setzte sich in den großen Saal, und wartete bis die Nacht kam. Es war still und ruhig bis Mitternacht, da fieng der Lärm an: nicht bloß durch die Thüren, auch aus allen Ecken und Winkeln kamen kleine Teufel herbei. Sie thaten als ob sie ihn nicht sähen, setzten sich mitten in die Stube, machten ein Feuer an, und fiengen an zu spielen. Wenn einer verlor, sprach er ‘es ist nicht richtig, es ist einer da, der nicht zu uns gehört, der ist Schuld, daß ich verliere.’ ‘Wart ich komme, du hinter dem Ofen,’ sagte ein anderer. Das Schreien ward auch immer größer und so arg, daß es niemand ohne Schrecken hätte anhören können. Der Königssohn aber fürchtete sich nicht, doch endlich sprangen die Teufel auf, und fielen über ihn her, und es

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Herzogin Anna Amalia Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2017-11-08T15:10:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-05-27T16:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1840/209
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 4. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1840, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1840/209>, abgerufen am 22.11.2024.