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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, 1819.

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den du aufzuheben hast, Wasser aus dem Bach, ich möchte gern einmal trinken." "Ei, wenn ihr Durst habt, sprach die Kammerjungfer, so steigt selber ab, legt euch an's Wasser und trinkt, ich mag eure Magd nicht seyn!" Da stieg die Königstochter vor großem Durst herunter, neigte sich über das Wässerlein im Bach und trank und durfte nicht aus dem goldnen Becher trinken. Da sprach sie: "ach Gott!" da antworteten die drei Blutstropfen: "wenn das deine Mutter wüßte, das Herz im Leibe thät ihr zerspringen." Aber die Königsbraut war gar demüthig, sagte nichts und stieg wieder zu Pferd. So ritten sie etliche Meilen weiter fort und der Tag war warm, daß die Sonne stach und sie durstete bald von neuem; da sie nun an einen Wasserfluß kamen, rief sie noch einmal ihrer Kammerjungfer: "steig ab und gieb mir aus meinem Goldbecher zu trinken!" denn sie hatte aller bösen Worte längst vergessen. Die Kammerjungfer sprach aber noch hochmüthiger: "wollt' ihr trinken, so trinkt allein, ich mag nicht eure Magd seyn." Da stieg die Königstochter hernieder vor großem Durst und legte sich über das fließende Wasser, weinte und sprach: "ach Gott!" und die Blutstropfen antworteten wiederum: "wenn das deine Mutter wüßte, das Herz im Leibe thät ihr zerspringen!" Und wie sie so trank und sich recht überlehnte, fiel ihr das Läppchen, worin die drei Tropfen waren, aus dem Busen, und floß mit dem Wasser fort, ohne daß sie es in ihrer großen Angst merkte. Die Kammerjungfer hatte aber zugesehen und freute sich, daß sie Macht über die Braut bekäme, denn damit, daß diese die Blutstropfen verloren hatte, war sie schwach geworden.

den du aufzuheben hast, Wasser aus dem Bach, ich moͤchte gern einmal trinken.“ „Ei, wenn ihr Durst habt, sprach die Kammerjungfer, so steigt selber ab, legt euch an’s Wasser und trinkt, ich mag eure Magd nicht seyn!“ Da stieg die Koͤnigstochter vor großem Durst herunter, neigte sich uͤber das Waͤsserlein im Bach und trank und durfte nicht aus dem goldnen Becher trinken. Da sprach sie: „ach Gott!“ da antworteten die drei Blutstropfen: „wenn das deine Mutter wuͤßte, das Herz im Leibe thaͤt ihr zerspringen.“ Aber die Koͤnigsbraut war gar demuͤthig, sagte nichts und stieg wieder zu Pferd. So ritten sie etliche Meilen weiter fort und der Tag war warm, daß die Sonne stach und sie durstete bald von neuem; da sie nun an einen Wasserfluß kamen, rief sie noch einmal ihrer Kammerjungfer: „steig ab und gieb mir aus meinem Goldbecher zu trinken!“ denn sie hatte aller boͤsen Worte laͤngst vergessen. Die Kammerjungfer sprach aber noch hochmuͤthiger: „wollt’ ihr trinken, so trinkt allein, ich mag nicht eure Magd seyn.“ Da stieg die Koͤnigstochter hernieder vor großem Durst und legte sich uͤber das fließende Wasser, weinte und sprach: „ach Gott!“ und die Blutstropfen antworteten wiederum: „wenn das deine Mutter wuͤßte, das Herz im Leibe thaͤt ihr zerspringen!“ Und wie sie so trank und sich recht uͤberlehnte, fiel ihr das Laͤppchen, worin die drei Tropfen waren, aus dem Busen, und floß mit dem Wasser fort, ohne daß sie es in ihrer großen Angst merkte. Die Kammerjungfer hatte aber zugesehen und freute sich, daß sie Macht uͤber die Braut bekaͤme, denn damit, daß diese die Blutstropfen verloren hatte, war sie schwach geworden.

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[15/0093] den du aufzuheben hast, Wasser aus dem Bach, ich moͤchte gern einmal trinken.“ „Ei, wenn ihr Durst habt, sprach die Kammerjungfer, so steigt selber ab, legt euch an’s Wasser und trinkt, ich mag eure Magd nicht seyn!“ Da stieg die Koͤnigstochter vor großem Durst herunter, neigte sich uͤber das Waͤsserlein im Bach und trank und durfte nicht aus dem goldnen Becher trinken. Da sprach sie: „ach Gott!“ da antworteten die drei Blutstropfen: „wenn das deine Mutter wuͤßte, das Herz im Leibe thaͤt ihr zerspringen.“ Aber die Koͤnigsbraut war gar demuͤthig, sagte nichts und stieg wieder zu Pferd. So ritten sie etliche Meilen weiter fort und der Tag war warm, daß die Sonne stach und sie durstete bald von neuem; da sie nun an einen Wasserfluß kamen, rief sie noch einmal ihrer Kammerjungfer: „steig ab und gieb mir aus meinem Goldbecher zu trinken!“ denn sie hatte aller boͤsen Worte laͤngst vergessen. Die Kammerjungfer sprach aber noch hochmuͤthiger: „wollt’ ihr trinken, so trinkt allein, ich mag nicht eure Magd seyn.“ Da stieg die Koͤnigstochter hernieder vor großem Durst und legte sich uͤber das fließende Wasser, weinte und sprach: „ach Gott!“ und die Blutstropfen antworteten wiederum: „wenn das deine Mutter wuͤßte, das Herz im Leibe thaͤt ihr zerspringen!“ Und wie sie so trank und sich recht uͤberlehnte, fiel ihr das Laͤppchen, worin die drei Tropfen waren, aus dem Busen, und floß mit dem Wasser fort, ohne daß sie es in ihrer großen Angst merkte. Die Kammerjungfer hatte aber zugesehen und freute sich, daß sie Macht uͤber die Braut bekaͤme, denn damit, daß diese die Blutstropfen verloren hatte, war sie schwach geworden.

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Anmerkungen zur Transkription:

Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12546-6) in Bd. 2, S. 305–308 ein Wörterverzeichnis mit Begriffserläuterungen.




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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, 1819, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1819/93>, abgerufen am 23.11.2024.