Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, 1819.

Bild:
<< vorherige Seite

Goldflittern hell erleuchtet und mit allen Früchten des Jahres geschmückt ist. Er scheint die neu beginnende, von einer neuen Sonne erleuchtete, Welt unter dem alten Bilde eines Baums darzustellen, und ist das Gegenstück zu dem, welcher am Lätarefest herumgetragen wird; wie überhaupt diese beiden die eigentlichen und Hauptfeste und die andern davon abgeleitet sind. Ferner: das Backwerk aus Honig, denn der Honig ist aus der ältesten Zeit die reine, himmlische Nahrung, weshalb auch die Jungfrau Maria mit der Biene verglichen wurde (s. altd. Wälder II. 208 209). Er steht dem irdischen und schweren Bohnen- und Erbsengericht entgegen, das am Lätarefest gereicht wurde. Endlich: die Gestalten und Figuren in Zucker, Teig oder Wachs abgedrückt, oder in Holz geschnitzt, welche allerlei Früchte, Puppen, Thiere, alles Lebende was fliegt und kriecht, darstellen, das sich um den Lebensbaum zu versammeln scheint. Bei den Saturnalien der Alten, welche am 23. Dezember sich schlossen, wurden gleichfalls Wachslichter angezündet, Honig und kleine Bilder (sigilla) geschenkt, daher schon Gedike in einer ausführlichen Abhandlung (Berliner Monatsschrift 1784 S. 78-87.) beide Feste in Verbindung gebracht. Allein auch an den altnordischen Jolabend, der mitten im Winter gefeiert wurde und ohne Zweifel ein Fest der steigenden Sonne war, darf man erinnern, zumal da König Hagen Adelstan befahl, es auf den Christtag zu legen, so daß dieser jetzt durch Joltag bezeichnet wird. -- Bescheert wird entweder den Abend vorher, welcher im plattd. daher Kindjeesabend heißt, oder den Christtag Morgens früh, immer aber bei Licht, und das Christkind verkündigt sich durch Klingeln

Goldflittern hell erleuchtet und mit allen Fruͤchten des Jahres geschmuͤckt ist. Er scheint die neu beginnende, von einer neuen Sonne erleuchtete, Welt unter dem alten Bilde eines Baums darzustellen, und ist das Gegenstuͤck zu dem, welcher am Laͤtarefest herumgetragen wird; wie uͤberhaupt diese beiden die eigentlichen und Hauptfeste und die andern davon abgeleitet sind. Ferner: das Backwerk aus Honig, denn der Honig ist aus der aͤltesten Zeit die reine, himmlische Nahrung, weshalb auch die Jungfrau Maria mit der Biene verglichen wurde (s. altd. Waͤlder II. 208 209). Er steht dem irdischen und schweren Bohnen- und Erbsengericht entgegen, das am Laͤtarefest gereicht wurde. Endlich: die Gestalten und Figuren in Zucker, Teig oder Wachs abgedruͤckt, oder in Holz geschnitzt, welche allerlei Fruͤchte, Puppen, Thiere, alles Lebende was fliegt und kriecht, darstellen, das sich um den Lebensbaum zu versammeln scheint. Bei den Saturnalien der Alten, welche am 23. Dezember sich schlossen, wurden gleichfalls Wachslichter angezuͤndet, Honig und kleine Bilder (sigilla) geschenkt, daher schon Gedike in einer ausfuͤhrlichen Abhandlung (Berliner Monatsschrift 1784 S. 78-87.) beide Feste in Verbindung gebracht. Allein auch an den altnordischen Jolabend, der mitten im Winter gefeiert wurde und ohne Zweifel ein Fest der steigenden Sonne war, darf man erinnern, zumal da Koͤnig Hagen Adelstan befahl, es auf den Christtag zu legen, so daß dieser jetzt durch Joltag bezeichnet wird. — Bescheert wird entweder den Abend vorher, welcher im plattd. daher Kindjeesabend heißt, oder den Christtag Morgens fruͤh, immer aber bei Licht, und das Christkind verkuͤndigt sich durch Klingeln

<TEI>
  <text>
    <front>
      <div type="preface">
        <p><pb facs="#f0051" n="XLV"/>
Goldflittern hell erleuchtet und mit allen Fru&#x0364;chten des Jahres geschmu&#x0364;ckt ist. Er scheint die neu beginnende, von einer neuen Sonne erleuchtete, Welt unter dem alten Bilde eines Baums darzustellen, und ist das Gegenstu&#x0364;ck zu dem, welcher am La&#x0364;tarefest herumgetragen wird; wie u&#x0364;berhaupt diese beiden die eigentlichen und Hauptfeste und die andern davon abgeleitet sind. Ferner: das Backwerk aus <hi rendition="#g">Honig</hi>, denn der Honig ist aus der a&#x0364;ltesten Zeit die reine, himmlische Nahrung, weshalb auch die Jungfrau Maria mit der Biene verglichen wurde (s. altd. Wa&#x0364;lder <hi rendition="#aq">II.</hi> 208 209). Er steht dem irdischen und schweren Bohnen- und Erbsengericht entgegen, das am La&#x0364;tarefest gereicht wurde. Endlich: die <hi rendition="#g">Gestalten und Figuren</hi> in Zucker, Teig oder Wachs abgedru&#x0364;ckt, oder in Holz geschnitzt, welche allerlei Fru&#x0364;chte, Puppen, Thiere, alles Lebende was fliegt und kriecht, darstellen, das sich um den Lebensbaum zu versammeln scheint. Bei den Saturnalien der Alten, welche am 23. Dezember sich schlossen, wurden gleichfalls Wachslichter angezu&#x0364;ndet, Honig und kleine Bilder (<hi rendition="#aq">sigilla</hi>) geschenkt, daher schon Gedike in einer ausfu&#x0364;hrlichen Abhandlung (Berliner Monatsschrift 1784 S. 78-87.) beide Feste in Verbindung gebracht. Allein auch an den altnordischen Jolabend, der mitten im Winter gefeiert wurde und ohne Zweifel ein Fest der steigenden Sonne war, darf man erinnern, zumal da Ko&#x0364;nig Hagen Adelstan befahl, es auf den Christtag zu legen, so daß dieser jetzt durch Joltag bezeichnet wird. &#x2014; Bescheert wird entweder den Abend vorher, welcher im plattd. daher Kindjeesabend heißt, oder den Christtag Morgens fru&#x0364;h, immer aber bei Licht, und das Christkind verku&#x0364;ndigt sich durch Klingeln
</p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[XLV/0051] Goldflittern hell erleuchtet und mit allen Fruͤchten des Jahres geschmuͤckt ist. Er scheint die neu beginnende, von einer neuen Sonne erleuchtete, Welt unter dem alten Bilde eines Baums darzustellen, und ist das Gegenstuͤck zu dem, welcher am Laͤtarefest herumgetragen wird; wie uͤberhaupt diese beiden die eigentlichen und Hauptfeste und die andern davon abgeleitet sind. Ferner: das Backwerk aus Honig, denn der Honig ist aus der aͤltesten Zeit die reine, himmlische Nahrung, weshalb auch die Jungfrau Maria mit der Biene verglichen wurde (s. altd. Waͤlder II. 208 209). Er steht dem irdischen und schweren Bohnen- und Erbsengericht entgegen, das am Laͤtarefest gereicht wurde. Endlich: die Gestalten und Figuren in Zucker, Teig oder Wachs abgedruͤckt, oder in Holz geschnitzt, welche allerlei Fruͤchte, Puppen, Thiere, alles Lebende was fliegt und kriecht, darstellen, das sich um den Lebensbaum zu versammeln scheint. Bei den Saturnalien der Alten, welche am 23. Dezember sich schlossen, wurden gleichfalls Wachslichter angezuͤndet, Honig und kleine Bilder (sigilla) geschenkt, daher schon Gedike in einer ausfuͤhrlichen Abhandlung (Berliner Monatsschrift 1784 S. 78-87.) beide Feste in Verbindung gebracht. Allein auch an den altnordischen Jolabend, der mitten im Winter gefeiert wurde und ohne Zweifel ein Fest der steigenden Sonne war, darf man erinnern, zumal da Koͤnig Hagen Adelstan befahl, es auf den Christtag zu legen, so daß dieser jetzt durch Joltag bezeichnet wird. — Bescheert wird entweder den Abend vorher, welcher im plattd. daher Kindjeesabend heißt, oder den Christtag Morgens fruͤh, immer aber bei Licht, und das Christkind verkuͤndigt sich durch Klingeln

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Bayerische Staatsbibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-05-11T18:40:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-06-15T16:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12546-6) in Bd. 2, S. 305–308 ein Wörterverzeichnis mit Begriffserläuterungen.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1819
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1819/51
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, 1819, S. XLV. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1819/51>, abgerufen am 22.11.2024.