Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, 1819.

Bild:
<< vorherige Seite

getragen und zuletzt ins Wasser geworfen (Henelii Silesiographia renov. II. p. 11.). Jetzt gehen die Kinder mit geschmückten Tannen- oder Fichtenzweigen, wie es heißt: zum Sommer, nämlich von Haus zu Haus umher und singen:

wir haben den Tod hinausgetrieben
und bringen den lieben Sommer wieder,
den Sommer und auch den Maie:
der Blümelein sind mancherleie!

Oder:

"Kleene Fischel, kleene
schwimmen uf em Teiche,
rothe Rosen, rothe
stehen uf em Stengel!
der Herr is schön, der Herr is schön,
die Frow is wie a Engel.

Sie erhalten dafür Pretzeln oder anderes Backwerk, und werden die Sommerkinder genannt. (Flögel Gesch. der kom Lit. IV. 10. 11. Büsching Wöchentl. Nachr. III. 166.) -- Jn Sachsen (nach Hilscher Gedanken über das Tod austreiben. Dresd. 1701.) tragen sie auf den Sonntag Lätare den Tod in einem Bilde von Stroh in den Straßen herum. Sie lassen es manchmal zu einem Fenster hineinsehen, da glaubt man, es müsse jemand aus dem Hause in diesem Jahr sterben, und um es abzuwenden, gibt man ihnen gern Geld. Sie singen dabei allerlei Gesänge z. B.:

"Nun treiben wir den Tod hinaus,
den alten Weibern in das Haus

getragen und zuletzt ins Wasser geworfen (Henelii Silesiographia renov. II. p. 11.). Jetzt gehen die Kinder mit geschmuͤckten Tannen- oder Fichtenzweigen, wie es heißt: zum Sommer, naͤmlich von Haus zu Haus umher und singen:

wir haben den Tod hinausgetrieben
und bringen den lieben Sommer wieder,
den Sommer und auch den Maie:
der Bluͤmelein sind mancherleie!

Oder:

„Kleene Fischel, kleene
schwimmen uf em Teiche,
rothe Rosen, rothe
stehen uf em Stengel!
der Herr is schoͤn, der Herr is schoͤn,
die Frow is wie a Engel.

Sie erhalten dafuͤr Pretzeln oder anderes Backwerk, und werden die Sommerkinder genannt. (Floͤgel Gesch. der kom Lit. IV. 10. 11. Buͤsching Woͤchentl. Nachr. III. 166.) — Jn Sachsen (nach Hilscher Gedanken uͤber das Tod austreiben. Dresd. 1701.) tragen sie auf den Sonntag Laͤtare den Tod in einem Bilde von Stroh in den Straßen herum. Sie lassen es manchmal zu einem Fenster hineinsehen, da glaubt man, es muͤsse jemand aus dem Hause in diesem Jahr sterben, und um es abzuwenden, gibt man ihnen gern Geld. Sie singen dabei allerlei Gesaͤnge z. B.:

„Nun treiben wir den Tod hinaus,
den alten Weibern in das Haus
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div type="preface">
        <p><pb facs="#f0041" n="XXXV"/>
getragen und zuletzt ins Wasser geworfen (<hi rendition="#aq">Henelii Silesiographia renov. II. p. 11.</hi>). Jetzt gehen die Kinder mit geschmu&#x0364;ckten Tannen- oder Fichtenzweigen, wie es heißt: zum Sommer, na&#x0364;mlich von Haus zu Haus umher und singen:</p><lb/>
        <lg type="poem">
          <l>wir haben den Tod hinausgetrieben</l><lb/>
          <l>und bringen den lieben Sommer wieder,</l><lb/>
          <l>den Sommer und auch den Maie:</l><lb/>
          <l>der Blu&#x0364;melein sind mancherleie!</l><lb/>
        </lg>
        <p>Oder:</p><lb/>
        <lg type="poem">
          <l>&#x201E;Kleene Fischel, kleene</l><lb/>
          <l>schwimmen uf em Teiche,</l><lb/>
          <l>rothe Rosen, rothe</l><lb/>
          <l>stehen uf em Stengel!</l><lb/>
          <l>der Herr is scho&#x0364;n, der Herr is scho&#x0364;n,</l><lb/>
          <l>die Frow is wie a Engel.</l><lb/>
        </lg>
        <p>Sie erhalten dafu&#x0364;r Pretzeln oder anderes Backwerk, und werden die Sommerkinder genannt. (Flo&#x0364;gel Gesch. der kom Lit. <hi rendition="#aq">IV.</hi> 10. 11. Bu&#x0364;sching Wo&#x0364;chentl. Nachr. <hi rendition="#aq">III.</hi> 166.) &#x2014; Jn Sachsen (nach Hilscher Gedanken u&#x0364;ber das Tod austreiben. Dresd. 1701.) tragen sie auf den Sonntag La&#x0364;tare den <hi rendition="#g">Tod</hi> in einem <hi rendition="#g">Bilde von Stroh</hi> in den Straßen herum. Sie lassen es manchmal zu einem Fenster hineinsehen, da glaubt man, es mu&#x0364;sse jemand aus dem Hause in diesem Jahr sterben, und um es abzuwenden, gibt man ihnen gern Geld. Sie singen dabei allerlei Gesa&#x0364;nge z. B.:</p><lb/>
        <lg type="poem">
          <l>&#x201E;Nun treiben wir den Tod hinaus,</l><lb/>
          <l>den alten Weibern in das Haus</l><lb/>
        </lg>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[XXXV/0041] getragen und zuletzt ins Wasser geworfen (Henelii Silesiographia renov. II. p. 11.). Jetzt gehen die Kinder mit geschmuͤckten Tannen- oder Fichtenzweigen, wie es heißt: zum Sommer, naͤmlich von Haus zu Haus umher und singen: wir haben den Tod hinausgetrieben und bringen den lieben Sommer wieder, den Sommer und auch den Maie: der Bluͤmelein sind mancherleie! Oder: „Kleene Fischel, kleene schwimmen uf em Teiche, rothe Rosen, rothe stehen uf em Stengel! der Herr is schoͤn, der Herr is schoͤn, die Frow is wie a Engel. Sie erhalten dafuͤr Pretzeln oder anderes Backwerk, und werden die Sommerkinder genannt. (Floͤgel Gesch. der kom Lit. IV. 10. 11. Buͤsching Woͤchentl. Nachr. III. 166.) — Jn Sachsen (nach Hilscher Gedanken uͤber das Tod austreiben. Dresd. 1701.) tragen sie auf den Sonntag Laͤtare den Tod in einem Bilde von Stroh in den Straßen herum. Sie lassen es manchmal zu einem Fenster hineinsehen, da glaubt man, es muͤsse jemand aus dem Hause in diesem Jahr sterben, und um es abzuwenden, gibt man ihnen gern Geld. Sie singen dabei allerlei Gesaͤnge z. B.: „Nun treiben wir den Tod hinaus, den alten Weibern in das Haus

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Bayerische Staatsbibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-05-11T18:40:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-06-15T16:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12546-6) in Bd. 2, S. 305–308 ein Wörterverzeichnis mit Begriffserläuterungen.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1819
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1819/41
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, 1819, S. XXXV. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1819/41>, abgerufen am 23.04.2024.