Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, 1819.

Bild:
<< vorherige Seite

ihnen abgeschlagen. Nun geschah es, daß ein Königssohn auch von der großen Schönheit der Jungfrau hörte, und zu seinem Vater sprach: "lieber Vater, laßt mich hinziehen, ich will um sie werben." "Nimmermehr, antwortete der König, gehst du fort, so gehst du in deinen Tod." Da legte der Sohn sich nieder und ward sterbenskrank und lag sieben Jahre lang und kein Arzt konnte ihm helfen. Als der Vater nun sah, daß er doch verloren wäre, sprach er voll Herzenstraurigkeit zu ihm: "ziehe hin und versuche dein Glück, ich kann dich sonst nicht erretten." Wie der Sohn das hörte, stand er auf von seinem Lager, war gesund und machte sich fröhlich auf den Weg.

Es trug sich zu, daß, als er durch ein Holz zu reiten kam, er von weitem etwas großes auf der Erde liegen sah, und wie er sich näherte, konnte er unterscheiden, daß es der Bauch eines Menschen war, der sich dahin gestreckt hatte; der Bauch aber sah aus, wie ein kleiner Berg. Der Dicke, wie der den Reisenden erblickte, richtete sich in die Höhe und sprach zu ihm: "wenn ihr jemand braucht, so nehmt mich in eure Dienste." Der Königssohn aber antwortete: "was soll ich mit einem so dicken Manne anfangen?" "O, sprach der Dicke, das will nichts sagen, wenn ich mich recht aus einander thue, bin ich noch dreitausendmal so dick." "Wenn das ist, sagte der Königssohn, so kann ich dich brauchen, komm mit mir." Da ging der Dicke hinter dem Königssohn her, und über eine Weile fanden sie einen andern, der lag da auf der Erde und hatte das Ohr auf den Rasen gelegt. Sprach der Königssohn: "was machst du da?" "Jch horche," antwortete der

ihnen abgeschlagen. Nun geschah es, daß ein Koͤnigssohn auch von der großen Schoͤnheit der Jungfrau hoͤrte, und zu seinem Vater sprach: „lieber Vater, laßt mich hinziehen, ich will um sie werben.“ „Nimmermehr, antwortete der Koͤnig, gehst du fort, so gehst du in deinen Tod.“ Da legte der Sohn sich nieder und ward sterbenskrank und lag sieben Jahre lang und kein Arzt konnte ihm helfen. Als der Vater nun sah, daß er doch verloren waͤre, sprach er voll Herzenstraurigkeit zu ihm: „ziehe hin und versuche dein Gluͤck, ich kann dich sonst nicht erretten.“ Wie der Sohn das hoͤrte, stand er auf von seinem Lager, war gesund und machte sich froͤhlich auf den Weg.

Es trug sich zu, daß, als er durch ein Holz zu reiten kam, er von weitem etwas großes auf der Erde liegen sah, und wie er sich naͤherte, konnte er unterscheiden, daß es der Bauch eines Menschen war, der sich dahin gestreckt hatte; der Bauch aber sah aus, wie ein kleiner Berg. Der Dicke, wie der den Reisenden erblickte, richtete sich in die Hoͤhe und sprach zu ihm: „wenn ihr jemand braucht, so nehmt mich in eure Dienste.“ Der Koͤnigssohn aber antwortete: „was soll ich mit einem so dicken Manne anfangen?“ „O, sprach der Dicke, das will nichts sagen, wenn ich mich recht aus einander thue, bin ich noch dreitausendmal so dick.“ „Wenn das ist, sagte der Koͤnigssohn, so kann ich dich brauchen, komm mit mir.“ Da ging der Dicke hinter dem Koͤnigssohn her, und uͤber eine Weile fanden sie einen andern, der lag da auf der Erde und hatte das Ohr auf den Rasen gelegt. Sprach der Koͤnigssohn: „was machst du da?“ „Jch horche,“ antwortete der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0309" n="231"/>
ihnen abgeschlagen. Nun geschah es, daß ein Ko&#x0364;nigssohn auch von der großen Scho&#x0364;nheit der Jungfrau ho&#x0364;rte, und zu seinem Vater sprach: &#x201E;lieber Vater, laßt mich hinziehen, ich will um sie werben.&#x201C; &#x201E;Nimmermehr, antwortete der Ko&#x0364;nig, gehst du fort, so gehst du in deinen Tod.&#x201C; Da legte der Sohn sich nieder und ward sterbenskrank und lag sieben Jahre lang und kein Arzt konnte ihm helfen. Als der Vater nun sah, daß er doch verloren wa&#x0364;re, sprach er voll Herzenstraurigkeit zu ihm: &#x201E;ziehe hin und versuche dein Glu&#x0364;ck, ich kann dich sonst nicht erretten.&#x201C; Wie der Sohn das ho&#x0364;rte, stand er auf von seinem Lager, war gesund und machte sich fro&#x0364;hlich auf den Weg.</p><lb/>
        <p>Es trug sich zu, daß, als er durch ein Holz zu reiten kam, er von weitem etwas großes auf der Erde liegen sah, und wie er sich na&#x0364;herte, konnte er unterscheiden, daß es der Bauch eines Menschen war, der sich dahin gestreckt hatte; der Bauch aber sah aus, wie ein kleiner Berg. Der Dicke, wie der den Reisenden erblickte, richtete sich in die Ho&#x0364;he und sprach zu ihm: &#x201E;wenn ihr jemand braucht, so nehmt mich in eure Dienste.&#x201C; Der Ko&#x0364;nigssohn aber antwortete: &#x201E;was soll ich mit einem so dicken Manne anfangen?&#x201C; &#x201E;O, sprach der Dicke, das will nichts sagen, wenn ich mich recht aus einander thue, bin ich noch dreitausendmal so dick.&#x201C; &#x201E;Wenn das ist, sagte der Ko&#x0364;nigssohn, so kann ich dich brauchen, komm mit mir.&#x201C; Da ging der Dicke hinter dem Ko&#x0364;nigssohn her, und u&#x0364;ber eine Weile fanden sie einen andern, der lag da auf der Erde und hatte das Ohr auf den Rasen gelegt. Sprach der Ko&#x0364;nigssohn: &#x201E;was machst du da?&#x201C; &#x201E;Jch horche,&#x201C; antwortete der
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[231/0309] ihnen abgeschlagen. Nun geschah es, daß ein Koͤnigssohn auch von der großen Schoͤnheit der Jungfrau hoͤrte, und zu seinem Vater sprach: „lieber Vater, laßt mich hinziehen, ich will um sie werben.“ „Nimmermehr, antwortete der Koͤnig, gehst du fort, so gehst du in deinen Tod.“ Da legte der Sohn sich nieder und ward sterbenskrank und lag sieben Jahre lang und kein Arzt konnte ihm helfen. Als der Vater nun sah, daß er doch verloren waͤre, sprach er voll Herzenstraurigkeit zu ihm: „ziehe hin und versuche dein Gluͤck, ich kann dich sonst nicht erretten.“ Wie der Sohn das hoͤrte, stand er auf von seinem Lager, war gesund und machte sich froͤhlich auf den Weg. Es trug sich zu, daß, als er durch ein Holz zu reiten kam, er von weitem etwas großes auf der Erde liegen sah, und wie er sich naͤherte, konnte er unterscheiden, daß es der Bauch eines Menschen war, der sich dahin gestreckt hatte; der Bauch aber sah aus, wie ein kleiner Berg. Der Dicke, wie der den Reisenden erblickte, richtete sich in die Hoͤhe und sprach zu ihm: „wenn ihr jemand braucht, so nehmt mich in eure Dienste.“ Der Koͤnigssohn aber antwortete: „was soll ich mit einem so dicken Manne anfangen?“ „O, sprach der Dicke, das will nichts sagen, wenn ich mich recht aus einander thue, bin ich noch dreitausendmal so dick.“ „Wenn das ist, sagte der Koͤnigssohn, so kann ich dich brauchen, komm mit mir.“ Da ging der Dicke hinter dem Koͤnigssohn her, und uͤber eine Weile fanden sie einen andern, der lag da auf der Erde und hatte das Ohr auf den Rasen gelegt. Sprach der Koͤnigssohn: „was machst du da?“ „Jch horche,“ antwortete der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Bayerische Staatsbibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-05-11T18:40:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-06-15T16:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12546-6) in Bd. 2, S. 305–308 ein Wörterverzeichnis mit Begriffserläuterungen.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1819
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1819/309
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, 1819, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1819/309>, abgerufen am 23.11.2024.