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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, 1819.

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sie die zweite Nuß auf, da war noch ein weit schöneres Kleid drin; wie das die Braut sah, wollte sie es auch kaufen. Aber Geld wollte das Mädchen nicht und bat sich aus, daß es noch einmal in der Kammer des Bräutigams schlafen dürfte. Sie gab ihm aber wieder einen Schlaftrunk und er schlief so fest, daß er nichts hören konnte. Das Küchenmädchen weinte aber die ganze Nacht und rief: "ich hab' dich erlöst aus einem wilden Walde und aus einem eisernen Ofen, du hast mich erlöst und ich habe dich erlöst, durch ein verwünschtes Schloß, über einen gläsernen Berg, über drei schneidende Schwerter und über ein großes Wasser, ehe ich dich gefunden habe und willst mich doch nicht hören." Die Bedienten saßen vor der Stubenthüre und hörten, wie sie so die ganze Nacht weinte und sagten's am Morgen ihrem Herrn. Und wie sie am dritten Abend aufgewaschen hatte, biß sie die dritte Nuß auf, da war ein noch schöneres Kleid darin, das starrte von purem Gold. Wie die Braut das sah, wollte sie es haben, das Mädchen aber gab es nur hin, wenn sie zum drittenmal dürfte in der Kammer des Bräutigams schlafen. Der Königssohn aber hütete sich und ließ den Schlaftrunk vorbeilaufen; wie sie nun anfing zu weinen und zu rufen: "liebster Schatz, ich habe dich erlöst aus dem grausamen, wilden Walde und aus einem eisernen Ofen, du hast mich erlöst und ich habe dich erlöst;" so sprang der Prinz auf und sprach: "du bist mein und ich bin dein." Darauf setzte er sich noch in der Nacht mit ihr in einen Wagen und der falschen Braut nahmen sie die Kleider weg, daß sie nicht aufstehen konnte. Als sie zu dem großen Wasser kamen, da

sie die zweite Nuß auf, da war noch ein weit schoͤneres Kleid drin; wie das die Braut sah, wollte sie es auch kaufen. Aber Geld wollte das Maͤdchen nicht und bat sich aus, daß es noch einmal in der Kammer des Braͤutigams schlafen duͤrfte. Sie gab ihm aber wieder einen Schlaftrunk und er schlief so fest, daß er nichts hoͤren konnte. Das Kuͤchenmaͤdchen weinte aber die ganze Nacht und rief: „ich hab’ dich erloͤst aus einem wilden Walde und aus einem eisernen Ofen, du hast mich erloͤst und ich habe dich erloͤst, durch ein verwuͤnschtes Schloß, uͤber einen glaͤsernen Berg, uͤber drei schneidende Schwerter und uͤber ein großes Wasser, ehe ich dich gefunden habe und willst mich doch nicht hoͤren.“ Die Bedienten saßen vor der Stubenthuͤre und hoͤrten, wie sie so die ganze Nacht weinte und sagten’s am Morgen ihrem Herrn. Und wie sie am dritten Abend aufgewaschen hatte, biß sie die dritte Nuß auf, da war ein noch schoͤneres Kleid darin, das starrte von purem Gold. Wie die Braut das sah, wollte sie es haben, das Maͤdchen aber gab es nur hin, wenn sie zum drittenmal duͤrfte in der Kammer des Braͤutigams schlafen. Der Koͤnigssohn aber huͤtete sich und ließ den Schlaftrunk vorbeilaufen; wie sie nun anfing zu weinen und zu rufen: „liebster Schatz, ich habe dich erloͤst aus dem grausamen, wilden Walde und aus einem eisernen Ofen, du hast mich erloͤst und ich habe dich erloͤst;“ so sprang der Prinz auf und sprach: „du bist mein und ich bin dein.“ Darauf setzte er sich noch in der Nacht mit ihr in einen Wagen und der falschen Braut nahmen sie die Kleider weg, daß sie nicht aufstehen konnte. Als sie zu dem großen Wasser kamen, da

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[203/0281] sie die zweite Nuß auf, da war noch ein weit schoͤneres Kleid drin; wie das die Braut sah, wollte sie es auch kaufen. Aber Geld wollte das Maͤdchen nicht und bat sich aus, daß es noch einmal in der Kammer des Braͤutigams schlafen duͤrfte. Sie gab ihm aber wieder einen Schlaftrunk und er schlief so fest, daß er nichts hoͤren konnte. Das Kuͤchenmaͤdchen weinte aber die ganze Nacht und rief: „ich hab’ dich erloͤst aus einem wilden Walde und aus einem eisernen Ofen, du hast mich erloͤst und ich habe dich erloͤst, durch ein verwuͤnschtes Schloß, uͤber einen glaͤsernen Berg, uͤber drei schneidende Schwerter und uͤber ein großes Wasser, ehe ich dich gefunden habe und willst mich doch nicht hoͤren.“ Die Bedienten saßen vor der Stubenthuͤre und hoͤrten, wie sie so die ganze Nacht weinte und sagten’s am Morgen ihrem Herrn. Und wie sie am dritten Abend aufgewaschen hatte, biß sie die dritte Nuß auf, da war ein noch schoͤneres Kleid darin, das starrte von purem Gold. Wie die Braut das sah, wollte sie es haben, das Maͤdchen aber gab es nur hin, wenn sie zum drittenmal duͤrfte in der Kammer des Braͤutigams schlafen. Der Koͤnigssohn aber huͤtete sich und ließ den Schlaftrunk vorbeilaufen; wie sie nun anfing zu weinen und zu rufen: „liebster Schatz, ich habe dich erloͤst aus dem grausamen, wilden Walde und aus einem eisernen Ofen, du hast mich erloͤst und ich habe dich erloͤst;“ so sprang der Prinz auf und sprach: „du bist mein und ich bin dein.“ Darauf setzte er sich noch in der Nacht mit ihr in einen Wagen und der falschen Braut nahmen sie die Kleider weg, daß sie nicht aufstehen konnte. Als sie zu dem großen Wasser kamen, da

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Anmerkungen zur Transkription:

Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12546-6) in Bd. 2, S. 305–308 ein Wörterverzeichnis mit Begriffserläuterungen.




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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, 1819, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1819/281>, abgerufen am 17.05.2024.