Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, 1819.

Bild:
<< vorherige Seite

da etwas nehmen, und wenn du wieder zu Geld kommst, kannst du's ja wieder hineinlegen." Also machte er sich über die Schatzkammer, und nahm sich ein wenig davon, allein beim Herausschleichen ward er von den Leuten des Königs erwischt. Sie sagten, er wäre ein Dieb und führten ihn vor Gericht, da ward er verurtheilt, daß er in einem Kasten sollte aufs Wasser gesetzt werden. Der Kastendeckel war voll Löcher, damit Luft hinein konnte, auch ward ihm ein Krug Wasser und ein Laib Brot mit hinein gegeben. Wie er nun so auf dem Wasser schwamm und recht in Angst war, hört er was krabbeln am Schloß, nagen und schnauben, auf einmal springt das Schloß selber auf und der Deckel in die Höh', und stehen da Maus, Affe und Bär, die hatten's gethan; weil er ihnen geholfen, wollten sie ihm wieder helfen. Nun wußten sie aber nicht, was sie noch weiter thun sollten und rathschlagten mit einander, indem kam ein weißer Stein auf dem Wasser daher geschwommen, der sah aus wie ein rundes Ei. Da sagte der Bär: "der kommt zu rechter Zeit, das ist ein Wunderstein, wem der eigen ist, der kann sich wünschen, wozu er nur Lust hat." Da fing der Mann den Stein, und wie er ihn in der Hand hielt, wünschte er sich ein Schloß mit Garten und Marstall, und kaum hatte er den Wunsch gesagt, so saß er in dem Schloß mit dem Garten und dem Marstall, und war alles so schön und prächtig, daß er sich nicht genug verwundern konnte.

Nach einer Zeit zogen Kaufleute des Wegs vorbei. "Seh einmal einer, riefen sie, was da für ein herrliches Schloß steht,

da etwas nehmen, und wenn du wieder zu Geld kommst, kannst du’s ja wieder hineinlegen.“ Also machte er sich uͤber die Schatzkammer, und nahm sich ein wenig davon, allein beim Herausschleichen ward er von den Leuten des Koͤnigs erwischt. Sie sagten, er waͤre ein Dieb und fuͤhrten ihn vor Gericht, da ward er verurtheilt, daß er in einem Kasten sollte aufs Wasser gesetzt werden. Der Kastendeckel war voll Loͤcher, damit Luft hinein konnte, auch ward ihm ein Krug Wasser und ein Laib Brot mit hinein gegeben. Wie er nun so auf dem Wasser schwamm und recht in Angst war, hoͤrt er was krabbeln am Schloß, nagen und schnauben, auf einmal springt das Schloß selber auf und der Deckel in die Hoͤh’, und stehen da Maus, Affe und Baͤr, die hatten’s gethan; weil er ihnen geholfen, wollten sie ihm wieder helfen. Nun wußten sie aber nicht, was sie noch weiter thun sollten und rathschlagten mit einander, indem kam ein weißer Stein auf dem Wasser daher geschwommen, der sah aus wie ein rundes Ei. Da sagte der Baͤr: „der kommt zu rechter Zeit, das ist ein Wunderstein, wem der eigen ist, der kann sich wuͤnschen, wozu er nur Lust hat.“ Da fing der Mann den Stein, und wie er ihn in der Hand hielt, wuͤnschte er sich ein Schloß mit Garten und Marstall, und kaum hatte er den Wunsch gesagt, so saß er in dem Schloß mit dem Garten und dem Marstall, und war alles so schoͤn und praͤchtig, daß er sich nicht genug verwundern konnte.

Nach einer Zeit zogen Kaufleute des Wegs vorbei. „Seh einmal einer, riefen sie, was da fuͤr ein herrliches Schloß steht,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0176" n="98"/>
da etwas nehmen, und wenn du wieder zu Geld kommst, kannst du&#x2019;s ja wieder hineinlegen.&#x201C; Also machte er sich u&#x0364;ber die Schatzkammer, und nahm sich ein wenig davon, allein beim Herausschleichen ward er von den Leuten des Ko&#x0364;nigs erwischt. Sie sagten, er wa&#x0364;re ein Dieb und fu&#x0364;hrten ihn vor Gericht, da ward er verurtheilt, daß er in einem Kasten sollte aufs Wasser gesetzt werden. Der Kastendeckel war voll Lo&#x0364;cher, damit Luft hinein konnte, auch ward ihm ein Krug Wasser und ein Laib Brot mit hinein gegeben. Wie er nun so auf dem Wasser schwamm und recht in Angst war, ho&#x0364;rt er was krabbeln am Schloß, nagen und schnauben, auf einmal springt das Schloß selber auf und der Deckel in die Ho&#x0364;h&#x2019;, und stehen da Maus, Affe und Ba&#x0364;r, die hatten&#x2019;s gethan; weil er ihnen geholfen, wollten sie ihm wieder helfen. Nun wußten sie aber nicht, was sie noch weiter thun sollten und rathschlagten mit einander, indem kam ein weißer Stein auf dem Wasser daher geschwommen, der sah aus wie ein rundes Ei. Da sagte der Ba&#x0364;r: &#x201E;der kommt zu rechter Zeit, das ist ein Wunderstein, wem der eigen ist, der kann sich wu&#x0364;nschen, wozu er nur Lust hat.&#x201C; Da fing der Mann den Stein, und wie er ihn in der Hand hielt, wu&#x0364;nschte er sich ein Schloß mit Garten und Marstall, und kaum hatte er den Wunsch gesagt, so saß er in dem Schloß mit dem Garten und dem Marstall, und war alles so scho&#x0364;n und pra&#x0364;chtig, daß er sich nicht genug verwundern konnte.</p><lb/>
        <p>Nach einer Zeit zogen Kaufleute des Wegs vorbei. &#x201E;Seh einmal einer, riefen sie, was da fu&#x0364;r ein herrliches Schloß steht,
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[98/0176] da etwas nehmen, und wenn du wieder zu Geld kommst, kannst du’s ja wieder hineinlegen.“ Also machte er sich uͤber die Schatzkammer, und nahm sich ein wenig davon, allein beim Herausschleichen ward er von den Leuten des Koͤnigs erwischt. Sie sagten, er waͤre ein Dieb und fuͤhrten ihn vor Gericht, da ward er verurtheilt, daß er in einem Kasten sollte aufs Wasser gesetzt werden. Der Kastendeckel war voll Loͤcher, damit Luft hinein konnte, auch ward ihm ein Krug Wasser und ein Laib Brot mit hinein gegeben. Wie er nun so auf dem Wasser schwamm und recht in Angst war, hoͤrt er was krabbeln am Schloß, nagen und schnauben, auf einmal springt das Schloß selber auf und der Deckel in die Hoͤh’, und stehen da Maus, Affe und Baͤr, die hatten’s gethan; weil er ihnen geholfen, wollten sie ihm wieder helfen. Nun wußten sie aber nicht, was sie noch weiter thun sollten und rathschlagten mit einander, indem kam ein weißer Stein auf dem Wasser daher geschwommen, der sah aus wie ein rundes Ei. Da sagte der Baͤr: „der kommt zu rechter Zeit, das ist ein Wunderstein, wem der eigen ist, der kann sich wuͤnschen, wozu er nur Lust hat.“ Da fing der Mann den Stein, und wie er ihn in der Hand hielt, wuͤnschte er sich ein Schloß mit Garten und Marstall, und kaum hatte er den Wunsch gesagt, so saß er in dem Schloß mit dem Garten und dem Marstall, und war alles so schoͤn und praͤchtig, daß er sich nicht genug verwundern konnte. Nach einer Zeit zogen Kaufleute des Wegs vorbei. „Seh einmal einer, riefen sie, was da fuͤr ein herrliches Schloß steht,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Bayerische Staatsbibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-05-11T18:40:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-06-15T16:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12546-6) in Bd. 2, S. 305–308 ein Wörterverzeichnis mit Begriffserläuterungen.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1819
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1819/176
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, 1819, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1819/176>, abgerufen am 08.05.2024.