und sie hätten einen schönen Prinzen von sieben Jahren. Da sprach der Vater: "nun und nim- mermehr ist das wahr, das ist ein schöner König, der in einem zerlumpten Schäferrock hergeht." Da ward er zornig, drehte seinen Ring herum, ohne an sein Versprechen zu denken und wünschte beide, seine Gemahlin und seinen Prinzen, zu sich. In dem Augenblick waren sie auch da, aber die Königin, die klagte und weinte und sagte, er hätte sein Wort gebrochen und sie unglücklich ge- macht; doch weil sie einmal da war, mußte sie sich wohl zufrieden geben; aber sie hatte Böses im Sinn.
Da führte er sie hinaus vor die Stadt auf den Acker und zeigte ihr das Wasser und wo das Schiffchen war abgestoßen worden und dann sprach er: "ich bin müd, setz' dich nieder, ich will ein wenig auf deinem Schooß schlafen." Da legte er seinen Kopf auf ihren Schooß und sie lauste ihn ein wenig, bis er einschlief. Als er einge- schlafen war, zog sie den Ring von seinem Finger und den Fuß, den sie unter ihm stehen hatte, zog sie auch heraus und ließ nur den Toffel unter ihm liegen; dann nahm sie ihren Prinzen und wünschte sich wieder in ihr Königreich. Als er aufwachte, da lag er da ganz verlassen und seine Gemahlin mit dem Prinzen war fort und der Ring vom Finger auch, nur der Toffel stand noch da zum Wahrzeichen. "Nach Haus zu deinen
und ſie haͤtten einen ſchoͤnen Prinzen von ſieben Jahren. Da ſprach der Vater: „nun und nim- mermehr iſt das wahr, das iſt ein ſchoͤner Koͤnig, der in einem zerlumpten Schaͤferrock hergeht.“ Da ward er zornig, drehte ſeinen Ring herum, ohne an ſein Verſprechen zu denken und wuͤnſchte beide, ſeine Gemahlin und ſeinen Prinzen, zu ſich. In dem Augenblick waren ſie auch da, aber die Koͤnigin, die klagte und weinte und ſagte, er haͤtte ſein Wort gebrochen und ſie ungluͤcklich ge- macht; doch weil ſie einmal da war, mußte ſie ſich wohl zufrieden geben; aber ſie hatte Boͤſes im Sinn.
Da fuͤhrte er ſie hinaus vor die Stadt auf den Acker und zeigte ihr das Waſſer und wo das Schiffchen war abgeſtoßen worden und dann ſprach er: „ich bin muͤd, ſetz’ dich nieder, ich will ein wenig auf deinem Schooß ſchlafen.“ Da legte er ſeinen Kopf auf ihren Schooß und ſie lauſte ihn ein wenig, bis er einſchlief. Als er einge- ſchlafen war, zog ſie den Ring von ſeinem Finger und den Fuß, den ſie unter ihm ſtehen hatte, zog ſie auch heraus und ließ nur den Toffel unter ihm liegen; dann nahm ſie ihren Prinzen und wuͤnſchte ſich wieder in ihr Koͤnigreich. Als er aufwachte, da lag er da ganz verlaſſen und ſeine Gemahlin mit dem Prinzen war fort und der Ring vom Finger auch, nur der Toffel ſtand noch da zum Wahrzeichen. „Nach Haus zu deinen
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und ſie haͤtten einen ſchoͤnen Prinzen von ſieben
Jahren. Da ſprach der Vater: „nun und nim-
mermehr iſt das wahr, das iſt ein ſchoͤner Koͤnig,
der in einem zerlumpten Schaͤferrock hergeht.“
Da ward er zornig, drehte ſeinen Ring herum,
ohne an ſein Verſprechen zu denken und wuͤnſchte
beide, ſeine Gemahlin und ſeinen Prinzen, zu
ſich. In dem Augenblick waren ſie auch da, aber
die Koͤnigin, die klagte und weinte und ſagte, er
haͤtte ſein Wort gebrochen und ſie ungluͤcklich ge-
macht; doch weil ſie einmal da war, mußte ſie ſich
wohl zufrieden geben; aber ſie hatte Boͤſes im
Sinn.
Da fuͤhrte er ſie hinaus vor die Stadt auf
den Acker und zeigte ihr das Waſſer und wo das
Schiffchen war abgeſtoßen worden und dann ſprach
er: „ich bin muͤd, ſetz’ dich nieder, ich will ein
wenig auf deinem Schooß ſchlafen.“ Da legte
er ſeinen Kopf auf ihren Schooß und ſie lauſte
ihn ein wenig, bis er einſchlief. Als er einge-
ſchlafen war, zog ſie den Ring von ſeinem Finger
und den Fuß, den ſie unter ihm ſtehen hatte,
zog ſie auch heraus und ließ nur den Toffel unter
ihm liegen; dann nahm ſie ihren Prinzen und
wuͤnſchte ſich wieder in ihr Koͤnigreich. Als er
aufwachte, da lag er da ganz verlaſſen und ſeine
Gemahlin mit dem Prinzen war fort und der
Ring vom Finger auch, nur der Toffel ſtand noch
da zum Wahrzeichen. „Nach Haus zu deinen
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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/71>, abgerufen am 19.12.2024.
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