bracht und unter die Pferde im Stall begraben. Die Ente kommt Abends ans Gatterloch geschwommen und singt: macht auf die Thür, daß ich mich wärme, mein Bruder liegt unter den Pferden begraben hauet den Kopf der Ente ab wodurch die Handlung des Königs, daß er ihr den Kopf abhaut, woran ihre Lösung gebunden war, bes- ser begründet wird. Am Ende wird der Bruder im Stall ausgegraben und stattlich unter die Erde ge- bracht, vgl. den singenden Knochen I. 28. Das ganze Märchen liegt einer modernen schlechten Ueberarbei- tung in den Sagen der böhm. Vorzeit. Prag. 1808. S. 141 -- 185 zu Grund. Der Eingang ist von Blu- men und Perlenkämmen, wie sonst auch vorkommt. Eigen ist, daß die begabte Schönheit vor freier Luft und Sonnenstrahl gehütet werden muß. Unterwegs nun bricht die böse Hexe das Kutschenfenster, daß Luft und Sonne eindringt, da wird sie in eine goldne Ente verwandelt. Im Pentamerone IV. 7. findet sich eine eigenthümliche, halb aus ihm halb aus dem Gänsmädchen (oben Nr. 3.) zusammengesetzte Re- cension, wie denn auch unser gegenwärtiges Märchen genau an die Fabel von der Königin Berta wieder erinnert. Besonders ist der einfache Gegensatz von Schwärze und Weiße, für Häßlichkeit und Schönheit zu bemerken, da er an die Mythe von Tag und Nacht (und der Nacht Tochter) denken läßt und Berta (die weiße, biort) schon im Wort den Tag und das Ta- gesbrehen, Anbruch, ausdrückt. Indem die im Was- ser gestoßene als schneeweiße Ente aufsteigt und fort- lebt, erscheint sie als Schwanen-Jungfrau. (Ebenso ist auch die nordische Schwanhild weiß und schön wie der Tag, im Gegensatz zu ihren raben-schwar- zen Stiefbrüdern.) Der Name Reginer ist ver- muthlich schon alt in dieser Geschichte; aus den alten Marschällen, Stallmeistern und Wagenführern sind in der spätern Volksansicht Kutscher geworden, wie aus den Helden Soldaten. Darum daß der Bruder bei den Pferden ist und unter ihnen begraben wird, erinnert er an das Roß Falada, dessen Stelle er im Märchen vertritt. Der Küchenjung ist wie dort der Hirtenjung.
bracht und unter die Pferde im Stall begraben. Die Ente kommt Abends ans Gatterloch geſchwommen und ſingt: macht auf die Thuͤr, daß ich mich waͤrme, mein Bruder liegt unter den Pferden begraben hauet den Kopf der Ente ab wodurch die Handlung des Koͤnigs, daß er ihr den Kopf abhaut, woran ihre Loͤſung gebunden war, beſ- ſer begruͤndet wird. Am Ende wird der Bruder im Stall ausgegraben und ſtattlich unter die Erde ge- bracht, vgl. den ſingenden Knochen I. 28. Das ganze Maͤrchen liegt einer modernen ſchlechten Ueberarbei- tung in den Sagen der boͤhm. Vorzeit. Prag. 1808. S. 141 — 185 zu Grund. Der Eingang iſt von Blu- men und Perlenkaͤmmen, wie ſonſt auch vorkommt. Eigen iſt, daß die begabte Schoͤnheit vor freier Luft und Sonnenſtrahl gehuͤtet werden muß. Unterwegs nun bricht die boͤſe Hexe das Kutſchenfenſter, daß Luft und Sonne eindringt, da wird ſie in eine goldne Ente verwandelt. Im Pentamerone IV. 7. findet ſich eine eigenthuͤmliche, halb aus ihm halb aus dem Gaͤnsmaͤdchen (oben Nr. 3.) zuſammengeſetzte Re- cenſion, wie denn auch unſer gegenwaͤrtiges Maͤrchen genau an die Fabel von der Koͤnigin Berta wieder erinnert. Beſonders iſt der einfache Gegenſatz von Schwaͤrze und Weiße, fuͤr Haͤßlichkeit und Schoͤnheit zu bemerken, da er an die Mythe von Tag und Nacht (und der Nacht Tochter) denken laͤßt und Berta (die weiße, biort) ſchon im Wort den Tag und das Ta- gesbrehen, Anbruch, ausdruͤckt. Indem die im Waſ- ſer geſtoßene als ſchneeweiße Ente aufſteigt und fort- lebt, erſcheint ſie als Schwanen-Jungfrau. (Ebenſo iſt auch die nordiſche Schwanhild weiß und ſchoͤn wie der Tag, im Gegenſatz zu ihren raben-ſchwar- zen Stiefbruͤdern.) Der Name Reginer iſt ver- muthlich ſchon alt in dieſer Geſchichte; aus den alten Marſchaͤllen, Stallmeiſtern und Wagenfuͤhrern ſind in der ſpaͤtern Volksanſicht Kutſcher geworden, wie aus den Helden Soldaten. Darum daß der Bruder bei den Pferden iſt und unter ihnen begraben wird, erinnert er an das Roß Falada, deſſen Stelle er im Maͤrchen vertritt. Der Kuͤchenjung iſt wie dort der Hirtenjung.
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[XXXVIII/0357]
bracht und unter die Pferde im Stall begraben. Die
Ente kommt Abends ans Gatterloch geſchwommen
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mein Bruder liegt unter den Pferden begraben
hauet den Kopf der Ente ab
wodurch die Handlung des Koͤnigs, daß er ihr den
Kopf abhaut, woran ihre Loͤſung gebunden war, beſ-
ſer begruͤndet wird. Am Ende wird der Bruder im
Stall ausgegraben und ſtattlich unter die Erde ge-
bracht, vgl. den ſingenden Knochen I. 28. Das ganze
Maͤrchen liegt einer modernen ſchlechten Ueberarbei-
tung in den Sagen der boͤhm. Vorzeit. Prag. 1808.
S. 141 — 185 zu Grund. Der Eingang iſt von Blu-
men und Perlenkaͤmmen, wie ſonſt auch vorkommt.
Eigen iſt, daß die begabte Schoͤnheit vor freier Luft und
Sonnenſtrahl gehuͤtet werden muß. Unterwegs nun
bricht die boͤſe Hexe das Kutſchenfenſter, daß Luft
und Sonne eindringt, da wird ſie in eine goldne
Ente verwandelt. Im Pentamerone IV. 7. findet
ſich eine eigenthuͤmliche, halb aus ihm halb aus dem
Gaͤnsmaͤdchen (oben Nr. 3.) zuſammengeſetzte Re-
cenſion, wie denn auch unſer gegenwaͤrtiges Maͤrchen
genau an die Fabel von der Koͤnigin Berta wieder
erinnert. Beſonders iſt der einfache Gegenſatz von
Schwaͤrze und Weiße, fuͤr Haͤßlichkeit und Schoͤnheit
zu bemerken, da er an die Mythe von Tag und Nacht
(und der Nacht Tochter) denken laͤßt und Berta (die
weiße, biort) ſchon im Wort den Tag und das Ta-
gesbrehen, Anbruch, ausdruͤckt. Indem die im Waſ-
ſer geſtoßene als ſchneeweiße Ente aufſteigt und fort-
lebt, erſcheint ſie als Schwanen-Jungfrau. (Ebenſo
iſt auch die nordiſche Schwanhild weiß und ſchoͤn
wie der Tag, im Gegenſatz zu ihren raben-ſchwar-
zen Stiefbruͤdern.) Der Name Reginer iſt ver-
muthlich ſchon alt in dieſer Geſchichte; aus den alten
Marſchaͤllen, Stallmeiſtern und Wagenfuͤhrern ſind
in der ſpaͤtern Volksanſicht Kutſcher geworden, wie
aus den Helden Soldaten. Darum daß der Bruder
bei den Pferden iſt und unter ihnen begraben wird,
erinnert er an das Roß Falada, deſſen Stelle er im
Maͤrchen vertritt. Der Kuͤchenjung iſt wie dort der
Hirtenjung.
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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815, S. XXXVIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/357>, abgerufen am 18.12.2024.
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