Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815.

Bild:
<< vorherige Seite

entstanden, welcher die Erdmänner sonst zu gehor-
chen pflegen, wie in Nr. 6. das blaue Licht ist ein
Irrwisch, dän. Vättelys (Geisterlicht) und Lygte-
mand, der Herr des Zwergleins. Schärtlin's Ausru-
fung war: "blau Feuer!" welche Worte sich auch
mehrmals bei Hans Sachs finden.

31.
Das eigensinnige Kind.

(Hessisch.) Einfach kindliche Lehre, wie im Mär-
chen vom alten Großvater I. 78. und vom gestohlenen
Heller I. 7. Das Herauswachsen der Hand aus dem
Grabe ist ein weitverbreiteter Aberglaube und gilt
nicht blos von Dieben, sondern von Frevlern an ge-
bannten Bäumen, (Schillers Tell Act. 3. Sc. 3.)
von Vatermördern (Wunderhorn I. 226.) In
Schimpf und Ernst ist noch eine andere Erzählung
von einem Arm, der aus dem Grab hervorreckt (dän.
Ausg. p. 218.) Es ist auch nur eine blose Verände-
rung der nämlichen Idee, wenn aus dem Hügel und
Mund Begrabener, Blumen oder beschriebene Zet-
tel, ihre Schuld oder Unschuld anzuzeigen, wachsen.

Es ist auch die Sage und der Glauben, daß dem,
welcher seine Eltern schlägt, die Hand aus der Erde
wächst; so ist der Fuchsthurm auf dem Hausberg bei
Jena der kleine Finger eines versunkenen Riesen, der
Hand an seine Mutter gelegt hatte.

32.
Die drei Feldscherer.

(Aus Zwehrn.) Die Gesta Romanor. (deutsche
Ausg. 1489. Cap. 37. lat. Cap. 76.) enthalten ein
ähnliches Märchen. Zwei geschickte Aerzte wollen,
um allen Zank zu schlichten, ihre Kunst an einander
erproben; der sich geringer zeigt, soll des andern
Jünger werden. Der eine zieht durch Hülfe einer
edlen Salbe ohne Schmerz und Verletzung dem an-
dern die Augen aus, legt sie auf den Tisch und setzt
sie eben so leicht wieder ein. Der andere will nun

entſtanden, welcher die Erdmaͤnner ſonſt zu gehor-
chen pflegen, wie in Nr. 6. das blaue Licht iſt ein
Irrwiſch, daͤn. Vaͤttelys (Geiſterlicht) und Lygte-
mand, der Herr des Zwergleins. Schaͤrtlin’s Ausru-
fung war: „blau Feuer!“ welche Worte ſich auch
mehrmals bei Hans Sachs finden.

31.
Das eigenſinnige Kind.

(Heſſiſch.) Einfach kindliche Lehre, wie im Maͤr-
chen vom alten Großvater I. 78. und vom geſtohlenen
Heller I. 7. Das Herauswachſen der Hand aus dem
Grabe iſt ein weitverbreiteter Aberglaube und gilt
nicht blos von Dieben, ſondern von Frevlern an ge-
bannten Baͤumen, (Schillers Tell Act. 3. Sc. 3.)
von Vatermoͤrdern (Wunderhorn I. 226.) In
Schimpf und Ernſt iſt noch eine andere Erzaͤhlung
von einem Arm, der aus dem Grab hervorreckt (daͤn.
Ausg. p. 218.) Es iſt auch nur eine bloſe Veraͤnde-
rung der naͤmlichen Idee, wenn aus dem Huͤgel und
Mund Begrabener, Blumen oder beſchriebene Zet-
tel, ihre Schuld oder Unſchuld anzuzeigen, wachſen.

Es iſt auch die Sage und der Glauben, daß dem,
welcher ſeine Eltern ſchlaͤgt, die Hand aus der Erde
waͤchſt; ſo iſt der Fuchsthurm auf dem Hausberg bei
Jena der kleine Finger eines verſunkenen Rieſen, der
Hand an ſeine Mutter gelegt hatte.

32.
Die drei Feldſcherer.

(Aus Zwehrn.) Die Geſta Romanor. (deutſche
Ausg. 1489. Cap. 37. lat. Cap. 76.) enthalten ein
aͤhnliches Maͤrchen. Zwei geſchickte Aerzte wollen,
um allen Zank zu ſchlichten, ihre Kunſt an einander
erproben; der ſich geringer zeigt, ſoll des andern
Juͤnger werden. Der eine zieht durch Huͤlfe einer
edlen Salbe ohne Schmerz und Verletzung dem an-
dern die Augen aus, legt ſie auf den Tiſch und ſetzt
ſie eben ſo leicht wieder ein. Der andere will nun

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0349" n="XXX"/>
ent&#x017F;tanden, welcher die Erdma&#x0364;nner &#x017F;on&#x017F;t zu gehor-<lb/>
chen pflegen, wie in Nr. 6. das blaue Licht i&#x017F;t ein<lb/>
Irrwi&#x017F;ch, da&#x0364;n. Va&#x0364;ttelys (Gei&#x017F;terlicht) und Lygte-<lb/>
mand, der Herr des Zwergleins. Scha&#x0364;rtlin&#x2019;s Ausru-<lb/>
fung war: &#x201E;<hi rendition="#g">blau Feuer</hi>!&#x201C; welche Worte &#x017F;ich auch<lb/>
mehrmals bei Hans Sachs finden.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>31.<lb/><hi rendition="#g">Das eigen&#x017F;innige Kind</hi>.</head><lb/>
          <p>(He&#x017F;&#x017F;i&#x017F;ch.) Einfach kindliche Lehre, wie im Ma&#x0364;r-<lb/>
chen vom alten Großvater <hi rendition="#aq">I.</hi> 78. und vom ge&#x017F;tohlenen<lb/>
Heller <hi rendition="#aq">I.</hi> 7. Das Herauswach&#x017F;en der Hand aus dem<lb/>
Grabe i&#x017F;t ein weitverbreiteter Aberglaube und gilt<lb/>
nicht blos von Dieben, &#x017F;ondern von Frevlern an ge-<lb/>
bannten Ba&#x0364;umen, (Schillers Tell Act. 3. Sc. 3.)<lb/><choice><sic>yon</sic><corr>von</corr></choice> Vatermo&#x0364;rdern (Wunderhorn <hi rendition="#aq">I.</hi> 226.) In<lb/>
Schimpf und Ern&#x017F;t i&#x017F;t noch eine andere Erza&#x0364;hlung<lb/>
von einem Arm, der aus dem Grab hervorreckt (da&#x0364;n.<lb/>
Ausg. p. 218.) Es i&#x017F;t auch nur eine blo&#x017F;e Vera&#x0364;nde-<lb/>
rung der na&#x0364;mlichen Idee, wenn aus dem Hu&#x0364;gel und<lb/>
Mund Begrabener, Blumen oder be&#x017F;chriebene Zet-<lb/>
tel, ihre Schuld oder Un&#x017F;chuld anzuzeigen, wach&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>Es i&#x017F;t auch die Sage und der Glauben, daß dem,<lb/>
welcher &#x017F;eine Eltern &#x017F;chla&#x0364;gt, die Hand aus der Erde<lb/>
wa&#x0364;ch&#x017F;t; &#x017F;o i&#x017F;t der Fuchsthurm auf dem Hausberg bei<lb/>
Jena der kleine Finger eines ver&#x017F;unkenen Rie&#x017F;en, der<lb/>
Hand an &#x017F;eine Mutter gelegt hatte.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>32.<lb/><hi rendition="#g">Die drei Feld&#x017F;cherer</hi>.</head><lb/>
          <p>(Aus Zwehrn.) Die Ge&#x017F;ta Romanor. (deut&#x017F;che<lb/>
Ausg. 1489. Cap. 37. lat. Cap. 76.) enthalten ein<lb/>
a&#x0364;hnliches Ma&#x0364;rchen. Zwei ge&#x017F;chickte Aerzte wollen,<lb/>
um allen Zank zu &#x017F;chlichten, ihre Kun&#x017F;t an einander<lb/>
erproben; der &#x017F;ich geringer zeigt, &#x017F;oll des andern<lb/>
Ju&#x0364;nger werden. Der eine zieht durch Hu&#x0364;lfe einer<lb/><hi rendition="#aq">e</hi>dlen Salbe ohne Schmerz und Verletzung dem an-<lb/>
dern die Augen aus, legt &#x017F;ie auf den Ti&#x017F;ch und &#x017F;etzt<lb/>
&#x017F;ie eben &#x017F;o leicht wieder ein. Der andere will nun<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[XXX/0349] entſtanden, welcher die Erdmaͤnner ſonſt zu gehor- chen pflegen, wie in Nr. 6. das blaue Licht iſt ein Irrwiſch, daͤn. Vaͤttelys (Geiſterlicht) und Lygte- mand, der Herr des Zwergleins. Schaͤrtlin’s Ausru- fung war: „blau Feuer!“ welche Worte ſich auch mehrmals bei Hans Sachs finden. 31. Das eigenſinnige Kind. (Heſſiſch.) Einfach kindliche Lehre, wie im Maͤr- chen vom alten Großvater I. 78. und vom geſtohlenen Heller I. 7. Das Herauswachſen der Hand aus dem Grabe iſt ein weitverbreiteter Aberglaube und gilt nicht blos von Dieben, ſondern von Frevlern an ge- bannten Baͤumen, (Schillers Tell Act. 3. Sc. 3.) von Vatermoͤrdern (Wunderhorn I. 226.) In Schimpf und Ernſt iſt noch eine andere Erzaͤhlung von einem Arm, der aus dem Grab hervorreckt (daͤn. Ausg. p. 218.) Es iſt auch nur eine bloſe Veraͤnde- rung der naͤmlichen Idee, wenn aus dem Huͤgel und Mund Begrabener, Blumen oder beſchriebene Zet- tel, ihre Schuld oder Unſchuld anzuzeigen, wachſen. Es iſt auch die Sage und der Glauben, daß dem, welcher ſeine Eltern ſchlaͤgt, die Hand aus der Erde waͤchſt; ſo iſt der Fuchsthurm auf dem Hausberg bei Jena der kleine Finger eines verſunkenen Rieſen, der Hand an ſeine Mutter gelegt hatte. 32. Die drei Feldſcherer. (Aus Zwehrn.) Die Geſta Romanor. (deutſche Ausg. 1489. Cap. 37. lat. Cap. 76.) enthalten ein aͤhnliches Maͤrchen. Zwei geſchickte Aerzte wollen, um allen Zank zu ſchlichten, ihre Kunſt an einander erproben; der ſich geringer zeigt, ſoll des andern Juͤnger werden. Der eine zieht durch Huͤlfe einer edlen Salbe ohne Schmerz und Verletzung dem an- dern die Augen aus, legt ſie auf den Tiſch und ſetzt ſie eben ſo leicht wieder ein. Der andere will nun

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/349
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815, S. XXX. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/349>, abgerufen am 18.12.2024.