herantrat, sprang ein Löwe darunter auf, schüt- telte sich und brüllte, daß das Laub an den Bäu- men zitterte: "wer mir mein singendes, sprin- gendes Löweneckerchen stehlen will, den fress' ich auf!" Da sagte der Mann: "das hab' ich nicht gewußt, daß der Vogel dir gehört; kann ich mich nicht von dir loskaufen?" "Nein!" sprach der Löwe, "da ist nichts, was dich retten kann, als wenn du mir zu eigen versprichst, was dir daheim zuerst begegnet, thust du aber das, so will ich dir das Leben schenken und den Vogel für deine Tochter obendrein." Der Mann aber wollte nicht und sprach: "das könnte meine jüngste Toch- ter seyn, die hat mich am liebsten, und lauft mir immer entgegen, wenn ich nach Haus komme." Dem Diener aber war angst und er sagte: "es könnte ja auch eine Katze oder ein Hund seyn!" Da ließ sich der Mann überreden, nahm mit trauri- gem Herzen das singende, springende Löwenecker- chen und versprach dem Löwen zu eigen, was ihm daheim zuerst begegnen würde.
Wie er nun zu Haus einritt, war das erste, was ihm begegnete, niemand anders, als seine jüngste, liebste Tochter; die kam gelaufen und küßte und herzte ihn, und als sie sah, daß er ein singendes, springendes Löweneckerchen mitgebracht hatte, freute sie sich noch mehr. Der Vater aber konnte sich nicht freuen, sondern fing an zu wei- nen und sagte: "o weh! mein liebstes Kind, den
herantrat, ſprang ein Loͤwe darunter auf, ſchuͤt- telte ſich und bruͤllte, daß das Laub an den Baͤu- men zitterte: „wer mir mein ſingendes, ſprin- gendes Loͤweneckerchen ſtehlen will, den freſſ’ ich auf!“ Da ſagte der Mann: „das hab’ ich nicht gewußt, daß der Vogel dir gehoͤrt; kann ich mich nicht von dir loskaufen?“ „Nein!“ ſprach der Loͤwe, „da iſt nichts, was dich retten kann, als wenn du mir zu eigen verſprichſt, was dir daheim zuerſt begegnet, thuſt du aber das, ſo will ich dir das Leben ſchenken und den Vogel fuͤr deine Tochter obendrein.“ Der Mann aber wollte nicht und ſprach: „das koͤnnte meine juͤngſte Toch- ter ſeyn, die hat mich am liebſten, und lauft mir immer entgegen, wenn ich nach Haus komme.“ Dem Diener aber war angſt und er ſagte: „es koͤnnte ja auch eine Katze oder ein Hund ſeyn!“ Da ließ ſich der Mann uͤberreden, nahm mit trauri- gem Herzen das ſingende, ſpringende Loͤwenecker- chen und verſprach dem Loͤwen zu eigen, was ihm daheim zuerſt begegnen wuͤrde.
Wie er nun zu Haus einritt, war das erſte, was ihm begegnete, niemand anders, als ſeine juͤngſte, liebſte Tochter; die kam gelaufen und kuͤßte und herzte ihn, und als ſie ſah, daß er ein ſingendes, ſpringendes Loͤweneckerchen mitgebracht hatte, freute ſie ſich noch mehr. Der Vater aber konnte ſich nicht freuen, ſondern fing an zu wei- nen und ſagte: „o weh! mein liebſtes Kind, den
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herantrat, ſprang ein Loͤwe darunter auf, ſchuͤt-
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men zitterte: „wer mir mein ſingendes, ſprin-
gendes Loͤweneckerchen ſtehlen will, den freſſ’ ich
auf!“ Da ſagte der Mann: „das hab’ ich nicht
gewußt, daß der Vogel dir gehoͤrt; kann ich mich
nicht von dir loskaufen?“ „Nein!“ ſprach der
Loͤwe, „da iſt nichts, was dich retten kann, als
wenn du mir zu eigen verſprichſt, was dir daheim
zuerſt begegnet, thuſt du aber das, ſo will ich
dir das Leben ſchenken und den Vogel fuͤr deine
Tochter obendrein.“ Der Mann aber wollte
nicht und ſprach: „das koͤnnte meine juͤngſte Toch-
ter ſeyn, die hat mich am liebſten, und lauft mir
immer entgegen, wenn ich nach Haus komme.“
Dem Diener aber war angſt und er ſagte: „es
koͤnnte ja auch eine Katze oder ein Hund ſeyn!“ Da
ließ ſich der Mann uͤberreden, nahm mit trauri-
gem Herzen das ſingende, ſpringende Loͤwenecker-
chen und verſprach dem Loͤwen zu eigen, was ihm
daheim zuerſt begegnen wuͤrde.
Wie er nun zu Haus einritt, war das erſte,
was ihm begegnete, niemand anders, als ſeine
juͤngſte, liebſte Tochter; die kam gelaufen und
kuͤßte und herzte ihn, und als ſie ſah, daß er ein
ſingendes, ſpringendes Loͤweneckerchen mitgebracht
hatte, freute ſie ſich noch mehr. Der Vater aber
konnte ſich nicht freuen, ſondern fing an zu wei-
nen und ſagte: „o weh! mein liebſtes Kind, den
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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/29>, abgerufen am 18.12.2024.
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