nicht hören." Die Bedienten saßen vor der Stubenthüre und hörten, wie sie so die ganze Nacht weinte und sagten's am Morgen ihrem Herrn. Und wie sie am dritten Abend aufge- waschen hatte, biß sie die dritte Nuß auf, da war ein noch schöneres Kleid darin, das starrte von purem Gold. Wie die Braut das sah, wollte sie es haben, das Mädchen aber gab es nur hin, wenn sie zum drittenmal dürfte in der Kammer des Bräutigams schlafen. Der Prinz aber hütete sich und ließ den Schlaftrunk vorbeilaufen; wie sie nun anfing zu weinen und zu rufen: "liebster Schatz, ich habe dich erlöst aus dem grausamen, wilden Walde und aus einem eisernen Ofen, du hast mich erlöst und ich habe dich erlöst;" so sprang der Prinz auf und sprach: "du bist mein und ich bin dein." Darauf setzte er sich noch in der Nacht mit ihr in einen Wagen und der fal- schen Braut nahmen sie die Kleider weg, daß sie nicht aufstehen konnte. Als sie zu dem großen Wasser kamen, da schifften sie hinüber, und vor die drei schneidende Schwerter, da setzten sie sich aufs Pflugrad, und vor den gläsernen Berg, da steckten sie die drei Nadeln hinein; und so gelang- ten sie endlich zu dem alten kleinen Häuschen, aber wie sie hineintraten, war's ein großes Schloß, die Itschen waren alle erlöst und lauter Prinzen und Prinzessinnen und waren in voller Freude. Da ward Vermählung gehalten und sie blieben
nicht hoͤren.“ Die Bedienten ſaßen vor der Stubenthuͤre und hoͤrten, wie ſie ſo die ganze Nacht weinte und ſagten’s am Morgen ihrem Herrn. Und wie ſie am dritten Abend aufge- waſchen hatte, biß ſie die dritte Nuß auf, da war ein noch ſchoͤneres Kleid darin, das ſtarrte von purem Gold. Wie die Braut das ſah, wollte ſie es haben, das Maͤdchen aber gab es nur hin, wenn ſie zum drittenmal duͤrfte in der Kammer des Braͤutigams ſchlafen. Der Prinz aber huͤtete ſich und ließ den Schlaftrunk vorbeilaufen; wie ſie nun anfing zu weinen und zu rufen: „liebſter Schatz, ich habe dich erloͤſt aus dem grauſamen, wilden Walde und aus einem eiſernen Ofen, du haſt mich erloͤſt und ich habe dich erloͤſt;“ ſo ſprang der Prinz auf und ſprach: „du biſt mein und ich bin dein.“ Darauf ſetzte er ſich noch in der Nacht mit ihr in einen Wagen und der fal- ſchen Braut nahmen ſie die Kleider weg, daß ſie nicht aufſtehen konnte. Als ſie zu dem großen Waſſer kamen, da ſchifften ſie hinuͤber, und vor die drei ſchneidende Schwerter, da ſetzten ſie ſich aufs Pflugrad, und vor den glaͤſernen Berg, da ſteckten ſie die drei Nadeln hinein; und ſo gelang- ten ſie endlich zu dem alten kleinen Haͤuschen, aber wie ſie hineintraten, war’s ein großes Schloß, die Itſchen waren alle erloͤſt und lauter Prinzen und Prinzeſſinnen und waren in voller Freude. Da ward Vermaͤhlung gehalten und ſie blieben
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nicht hoͤren.“ Die Bedienten ſaßen vor der
Stubenthuͤre und hoͤrten, wie ſie ſo die ganze
Nacht weinte und ſagten’s am Morgen ihrem
Herrn. Und wie ſie am dritten Abend aufge-
waſchen hatte, biß ſie die dritte Nuß auf, da war
ein noch ſchoͤneres Kleid darin, das ſtarrte von
purem Gold. Wie die Braut das ſah, wollte ſie
es haben, das Maͤdchen aber gab es nur hin,
wenn ſie zum drittenmal duͤrfte in der Kammer
des Braͤutigams ſchlafen. Der Prinz aber huͤtete
ſich und ließ den Schlaftrunk vorbeilaufen; wie
ſie nun anfing zu weinen und zu rufen: „liebſter
Schatz, ich habe dich erloͤſt aus dem grauſamen,
wilden Walde und aus einem eiſernen Ofen, du
haſt mich erloͤſt und ich habe dich erloͤſt;“ ſo
ſprang der Prinz auf und ſprach: „du biſt mein
und ich bin dein.“ Darauf ſetzte er ſich noch in
der Nacht mit ihr in einen Wagen und der fal-
ſchen Braut nahmen ſie die Kleider weg, daß ſie
nicht aufſtehen konnte. Als ſie zu dem großen
Waſſer kamen, da ſchifften ſie hinuͤber, und vor
die drei ſchneidende Schwerter, da ſetzten ſie ſich
aufs Pflugrad, und vor den glaͤſernen Berg, da
ſteckten ſie die drei Nadeln hinein; und ſo gelang-
ten ſie endlich zu dem alten kleinen Haͤuschen, aber
wie ſie hineintraten, war’s ein großes Schloß,
die Itſchen waren alle erloͤſt und lauter Prinzen
und Prinzeſſinnen und waren in voller Freude.
Da ward Vermaͤhlung gehalten und ſie blieben
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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/240>, abgerufen am 18.12.2024.
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