Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815.

Bild:
<< vorherige Seite

den Schwerter, da stellte sie sich auf ihr Pflugrad
und rollte hinüber. Endlich kam sie vor ein gro-
ßes Wasser und wie sie übergefahren war, in ein
großes schönes Schloß. Sie ging hinein und
hielt um einen Dienst an, sie wär' eine arme
Magd und wollte sich gern vermiethen; sie
wußte aber, daß ihr Prinz drinne war, den sie
erlöst hatte aus dem eisernen Ofen im großen
Wald. Also ward sie angenommen zum Küchen-
mädchen für geringen Lohn. Nun hatte der
Prinz schon wieder eine andere an der Seite, die
wollte er heirathen, denn er dachte, sie wäre längst
gestorben. Abends nun, wie sie aufgewaschen
hatte und fertig war, fühlte sie in ihre Tasche und
fand die drei Nüsse, welche ihr die alte Itsche
gegeben hatte. Biß eine auf und wollte den Kern
essen, siehe da war ein stolzes königliches Kleid
drin. Wie's nun die Braut hörte, kam sie und
hielt um das Kleid an und wollte es kaufen: "es
wär' kein Kleid für eine Dienstmagd." Da sprach
sie, ja sie wollt's nicht verkaufen, doch wann sie
ihr einerlei (ein Ding) wollte erlauben, so sollte
sie's haben, nämlich eine Nacht in der Kammer
ihres Bräutigams zu schlafen. Die Braut erlaubt'
es ihr, weil das Kleid so schön war und sie noch
keins so hatte. Wie's nun Abend war, sagte sie
zu ihrem Bräutigam: "das närrische Mädchen
will in deiner Kammer schlafen." "Wann du's
zufrieden bist, sprach er, bin ich's auch." Sie

den Schwerter, da ſtellte ſie ſich auf ihr Pflugrad
und rollte hinuͤber. Endlich kam ſie vor ein gro-
ßes Waſſer und wie ſie uͤbergefahren war, in ein
großes ſchoͤnes Schloß. Sie ging hinein und
hielt um einen Dienſt an, ſie waͤr’ eine arme
Magd und wollte ſich gern vermiethen; ſie
wußte aber, daß ihr Prinz drinne war, den ſie
erloͤſt hatte aus dem eiſernen Ofen im großen
Wald. Alſo ward ſie angenommen zum Kuͤchen-
maͤdchen fuͤr geringen Lohn. Nun hatte der
Prinz ſchon wieder eine andere an der Seite, die
wollte er heirathen, denn er dachte, ſie waͤre laͤngſt
geſtorben. Abends nun, wie ſie aufgewaſchen
hatte und fertig war, fuͤhlte ſie in ihre Taſche und
fand die drei Nuͤſſe, welche ihr die alte Itſche
gegeben hatte. Biß eine auf und wollte den Kern
eſſen, ſiehe da war ein ſtolzes koͤnigliches Kleid
drin. Wie’s nun die Braut hoͤrte, kam ſie und
hielt um das Kleid an und wollte es kaufen: „es
waͤr’ kein Kleid fuͤr eine Dienſtmagd.“ Da ſprach
ſie, ja ſie wollt’s nicht verkaufen, doch wann ſie
ihr einerlei (ein Ding) wollte erlauben, ſo ſollte
ſie’s haben, naͤmlich eine Nacht in der Kammer
ihres Braͤutigams zu ſchlafen. Die Braut erlaubt’
es ihr, weil das Kleid ſo ſchoͤn war und ſie noch
keins ſo hatte. Wie’s nun Abend war, ſagte ſie
zu ihrem Braͤutigam: „das naͤrriſche Maͤdchen
will in deiner Kammer ſchlafen.“ „Wann du’s
zufrieden biſt, ſprach er, bin ich’s auch.“ Sie

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0238" n="217"/>
den Schwerter, da &#x017F;tellte &#x017F;ie &#x017F;ich auf ihr Pflugrad<lb/>
und rollte hinu&#x0364;ber. Endlich kam &#x017F;ie vor ein gro-<lb/>
ßes Wa&#x017F;&#x017F;er und wie &#x017F;ie u&#x0364;bergefahren war, in ein<lb/>
großes &#x017F;cho&#x0364;nes Schloß. Sie ging hinein und<lb/>
hielt um einen Dien&#x017F;t an, &#x017F;ie wa&#x0364;r&#x2019; eine arme<lb/>
Magd und wollte &#x017F;ich gern vermiethen; &#x017F;ie<lb/>
wußte aber, daß ihr Prinz drinne war, den &#x017F;ie<lb/>
erlo&#x0364;&#x017F;t hatte aus dem ei&#x017F;ernen Ofen im großen<lb/>
Wald. Al&#x017F;o ward &#x017F;ie angenommen zum Ku&#x0364;chen-<lb/>
ma&#x0364;dchen fu&#x0364;r geringen Lohn. Nun hatte der<lb/>
Prinz &#x017F;chon wieder eine andere an der Seite, die<lb/>
wollte er heirathen, denn er dachte, &#x017F;ie wa&#x0364;re la&#x0364;ng&#x017F;t<lb/>
ge&#x017F;torben. Abends nun, wie &#x017F;ie aufgewa&#x017F;chen<lb/>
hatte und fertig war, fu&#x0364;hlte &#x017F;ie in ihre Ta&#x017F;che und<lb/>
fand die drei Nu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, welche ihr die alte It&#x017F;che<lb/>
gegeben hatte. Biß eine auf und wollte den Kern<lb/>
e&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;iehe da war ein &#x017F;tolzes ko&#x0364;nigliches Kleid<lb/>
drin. Wie&#x2019;s nun die Braut ho&#x0364;rte, kam &#x017F;ie und<lb/>
hielt um das Kleid an und wollte es kaufen: &#x201E;es<lb/>
wa&#x0364;r&#x2019; kein Kleid fu&#x0364;r eine Dien&#x017F;tmagd.&#x201C; Da &#x017F;prach<lb/>
&#x017F;ie, ja &#x017F;ie wollt&#x2019;s nicht verkaufen, doch wann &#x017F;ie<lb/>
ihr einerlei (ein Ding) wollte erlauben, &#x017F;o &#x017F;ollte<lb/>
&#x017F;ie&#x2019;s haben, na&#x0364;mlich eine Nacht in der Kammer<lb/>
ihres Bra&#x0364;utigams zu &#x017F;chlafen. Die Braut erlaubt&#x2019;<lb/>
es ihr, weil das Kleid &#x017F;o &#x017F;cho&#x0364;n war und &#x017F;ie noch<lb/>
keins &#x017F;o hatte. Wie&#x2019;s nun Abend war, &#x017F;agte &#x017F;ie<lb/>
zu ihrem Bra&#x0364;utigam: &#x201E;das na&#x0364;rri&#x017F;che Ma&#x0364;dchen<lb/>
will in deiner Kammer &#x017F;chlafen.&#x201C; &#x201E;Wann du&#x2019;s<lb/>
zufrieden <choice><sic>di&#x017F;t</sic><corr>bi&#x017F;t</corr></choice>, &#x017F;prach er, bin ich&#x2019;s auch.&#x201C; Sie<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[217/0238] den Schwerter, da ſtellte ſie ſich auf ihr Pflugrad und rollte hinuͤber. Endlich kam ſie vor ein gro- ßes Waſſer und wie ſie uͤbergefahren war, in ein großes ſchoͤnes Schloß. Sie ging hinein und hielt um einen Dienſt an, ſie waͤr’ eine arme Magd und wollte ſich gern vermiethen; ſie wußte aber, daß ihr Prinz drinne war, den ſie erloͤſt hatte aus dem eiſernen Ofen im großen Wald. Alſo ward ſie angenommen zum Kuͤchen- maͤdchen fuͤr geringen Lohn. Nun hatte der Prinz ſchon wieder eine andere an der Seite, die wollte er heirathen, denn er dachte, ſie waͤre laͤngſt geſtorben. Abends nun, wie ſie aufgewaſchen hatte und fertig war, fuͤhlte ſie in ihre Taſche und fand die drei Nuͤſſe, welche ihr die alte Itſche gegeben hatte. Biß eine auf und wollte den Kern eſſen, ſiehe da war ein ſtolzes koͤnigliches Kleid drin. Wie’s nun die Braut hoͤrte, kam ſie und hielt um das Kleid an und wollte es kaufen: „es waͤr’ kein Kleid fuͤr eine Dienſtmagd.“ Da ſprach ſie, ja ſie wollt’s nicht verkaufen, doch wann ſie ihr einerlei (ein Ding) wollte erlauben, ſo ſollte ſie’s haben, naͤmlich eine Nacht in der Kammer ihres Braͤutigams zu ſchlafen. Die Braut erlaubt’ es ihr, weil das Kleid ſo ſchoͤn war und ſie noch keins ſo hatte. Wie’s nun Abend war, ſagte ſie zu ihrem Braͤutigam: „das naͤrriſche Maͤdchen will in deiner Kammer ſchlafen.“ „Wann du’s zufrieden biſt, ſprach er, bin ich’s auch.“ Sie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/238
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/238>, abgerufen am 10.05.2024.